ledigen,
V.
1.
›etw. frei machen, jn. von etw. befreien, erlösen; jn. heilen‹;
vgl.  1.

Belegblock:

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
68, 4
(
Frankf.
1535
):
So du den steyn ametistus legst vff den nabel / so verhellt er den geruch [...] vnd lediget den menschen von den erbsiechtagen.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
do Cristus seynen rucken an eyne sule legitte yn dem tempil, wenn her [...] predigitte, do noch die besessen lute von geledigit werden.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
etlîche wîbe di gelediget
[
Eck
,
Luther
:
gesund gemacht
]
wâren von den unreinen geisten.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
545, 34
(
els.
,
1362
):
Daz er [Bartholomeus] zuͦ ime keme vnd sine dochter lidigite, die waz besessen.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
das lidiget uwere nature billiche von aller swermuͤtekeit.
Jörg, Salat. Reformationschr.
150, 21
(
halem.
,
1534
/
5
):
So tarf es nit noot / weistt mencklich / dem gmeynen man / und mentschlicher bloͤdickeytt den knopf uf zeloͤsen / den weg wytt zemachen / und ledigen.
2.
›jn. von körperlichem Gebundensein, aus Fesseln, aus Gefangenschaft befreien‹;
vgl.  2.
Syntagmen:
sich l., jn.
(z. B.
gefangene
)
/ etw.
(z. B.
hände und füsse
)
l.; jn. / sich aus etw.
(z. B.
aus dem gefängnis / einem sak
)
l., jn. ab
(z. B.
ab den ketten
)
/ von etw.
(z. B.
von der belagerung, von dem galgen / kreuze
)
l.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
wen sie seinen willen woͤl vorbrengen, so woͤl er iren man ledigen
[aus dem Gefängnis].
Schwartzenbach
k vjr
(
Frankf.
1564
):
Einen ledig sagen. Ledig sprechen. Widerumb auff freyen fuß stellen. frey zelen.
Gille u. a., M. Beheim
120, 273
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Der liess sich also pinden in | die wiegen nur auff sölchen sin, | das er uns da mit ledigt | Hend unde fuss, daz sie gering | würden czu würken gute ding.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
er lediget sich selber auß dem sack.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
16, 10
(
els.
,
1362
):
Do nohete Egeas dem crúze das er sant Andres von dem crúze hiesse lidigen.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
dise lidigete der künig allesament ußer strenger gevengnüsse.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
So der vatter den gefangen Sun nit ledigt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1564
):
Als Sathan [...] nach verscheinung im auferlegter zeit seiner tausendjerigen fencknus entmueßigt und von den engeln ab der ketten geledigt.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die gefanngen pawrn wurden mit vancknus hertt gehallten als lanng, das sy sich schatzten und ledigeten
(›sich durch die Zahlung von Lösegeld freikaufen‹).
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1. H. 17. Jh.
):
soll man ihn [...] eingraben und so lang stecken lassen bis er sich selbst lediget.
Koppitz, Trojanerkr. ;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
308, 7
;
416, 5
;
464, 4
;
Kummer, Erlauer Sp. ;
Vgl. ferner s. v. .
3.
›sich / jn. von einem latent vorhandenen Vorwurf befreien; sich / jn. von Anklage, Schuld, Strafe befreien, freisprechen; sich vom Vollzug einer (Leibes)strafe durch Geldzahlung (z. B. eines Wergeldes) freikaufen‹;
vgl.  3.
Rechts- und Wirtschaftstexte.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
SWer lip, har oder huͦt ledeghet vor gerichte hat, daz im mit rechte vorteilit wirt, der ist rechlos.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Wyl eyn vatir vor gerichte vs tzyhen synen son. der an syme brote ist. wirt her vellig an dem eyde das her nicht vorkummet an dem rechte so ist beyde vatir vnd son behaft in der clage. Abir der vatir mag sich ledigen myt eyme wergelde.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
193, 18
(
thür.
,
1474
):
daz eyn iglicher, der in yre ynunge unde gemeyntschafft komen wolle, sich des rechtfertigen unde ledigen musse, daz er von syn vier anen scheffers art nicht ensy.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Nun haben die schöppen geteilt die forderunge, wie H. Pfeiffer dem vorcleger aufgehoben und sie die recht entpfangen haben, also recht ist, das er die recht disen gegenwertigen N. bußen solle oder N. losen und ledigen.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
wann an bestimpte gnugsame weyssung ist der [...] entschuldigung nit zu glauben, sunst moͤcht sich ein yede tetterin mit einem soͤlchen gedichten furgeben ledigen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
Die gerechtigkait und freihait in den perg untz an die stigl die halt inn hand und füeß. will er die ledigen, der ist fällig xxxij ℔₰ dem herren des pergs.
Köbler, Ref. Nürnberg
123, 14
;
Leidinger, A. v. Regensb. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein 59b, l
20
;
4.
›jn. / sich von einer Verpflichtung, z. B. Geldschuld, Dienst und Abgabe, befreien; etw. (z. B. ein Pfand, ein zurückgefallenes Gut) / jn. (einen Lehensnehmer) auslösen, etw. zahlen; jn. von einer Eidesverpflichtung entbinden (durch Aufhebung oder Erfüllung der Eidesverpflichtung); sich loskaufen (aus einem Hörigkeitverhältnis)‹;
vgl.  4.
Bedeutungsverwandte:
 3,  1,  2, ,
2
 7; vgl.
1
 4.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
So mag her das gut vorkoufen adir behalden. vnde vorkouft her is. so mag is yener des das erbe was bynnen iar vnd tage ledegen vnd losen wedir vor das gelt.
Koller, Reichsreg. Albr. II.
230, 31
(
1438
/
9
):
[Bestätigung einer Verpfändung]
bisz das wir oder unser nachkomen an dem reich die widerumb mit zweyhundert mark lotiges silbers [...] gelediget und sy gentzlich darumb genugig gemacht hant.
Wyss, Limb. Chron. U (
mfrk.
,
1385
):
so han wir daz vuͦrgenante huys von der vuͦrgenanten gulde gelediget unde loß gemachet.
Köbler, Ref. Wormbs
268, 14
(
Worms
1499
):
so der Schuldner synem Bürgen hat versprochen in einer bestimpten zyt zuledigen.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Vrlauben. Einem der mit Eyd vnd sold verbunden / der pflicht abhelffen, Ledigen.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Frankf.
1560
):
Dein Vatter hat vor Zeiten die Summ Gelts entlehnet, aber uͤber wenig darnach hat er sie widergeben. Derselben Sach Ende hab ich ein Contract [...] gemacht, damit der Vatter gelediget ist.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
das er den edlen hern [...], als er ine mit anderen rittern und knechten gegen die juden versaczt hat, gelost und geledigt habe.
Loose, Tuchers Haushaltb. (
nürnb.
,
1517
):
beczalt [...] dem Jorg Spengler, fur das er mich czu Venedig in der prüderschaft, darinn ich daselbst pin, gelediget und gelost hat.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
nobd.
um 1600
):
das dich Auch kein Rabj mag | Ledigen Von dem, Wastu Itzt schwerst.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1508
):
er habe dann vorhin den, so er geschaͤdigett vnnd betrogenn hatt, vnclaghafft gemacht, im das versetzdt, verkoufft oder verpfenndt guͦt gefryett vnnd geledigett, ouch vnns die geordnettenn straff bezalltt.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
Wann och ein söllich kind sich begert von einem herren [...] abzukofen und zeledigen, so sol sin gnad das gnedigklich zuͦlassen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
half [...] Bern [...], dass die land, so gemeltem hus waren zuͦgestanden, [...] mit einer schatzung gelediget wurden.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1348
):
daz si die selben pfande [...] niezzen schuͤllen als lang, unz wir [...] si von in umb das vorgenant gute wider ledigen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1552
):
wöllen wir [...] solchs vermainten und an im selbst verdechtigen aids zuͤ abschneidung aller nachred hiemit wissentlich absolviert, geledigt [haben].
Gereke, Seifrits Alex.
179
(
oobd.
, Hs.
1466
):
chumbt ain junglinkch gefarn [...] | der ledigt euch mit seiner chraft | van dienst und van aygenschaft.
Ebd.
7502
:
ich han mein trew und mein aidt | geledigt, do ich von euch rait.
Bretholz, Liechtenst. Herrsch.
127, 7
(
smähr. inseldt.
,
1414
):
wann ein frumer man stiribt, hat die fraw kind, so ledigt si von der herschaft ir guet vmb 2 ½ gr.
Große, Schwabensp. ;
Behrend, Magd. Fragen ;
Küther, UB Frauensee
188, 7
;
UB Zug
941, 9
;
Rennefahrt, Stadtr. Bern ;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ; ;
Dirr, Münchner Stadtr. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein 59, l
28
;
Rot
352
;
Vorarlb. Wb.
2, 249
;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 240
.
Vgl. ferner s. v.  1.
5.
›jm. etw. zur Verfügung stellen, jm. etw. überlassen; sich von etw. trennen, e. S. verlustig gehen, etw. einbüßen, verlieren‹; ütr.: ›sich entäußern‹;
vgl.  9.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Begift sich aber en knape nach vierzen jaren, der hat sich von lantrechte vnde lenrechte vnde erbe teile geledeget.
Strauch, Par. anime int.
123, 6
(
thür.
,
14. Jh.
):
wan di vollincumenheit Godis inmochte sich nicht inthaldin, he inlieze uz ume flizin creature, den he sich gemeinen mochte, di sin glichnisse inphahin mochtin, alse mer alse ob he geledigit worde.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
104, 8
(
schles.
,
1334
):
daz wir deme selbin Niclose wirsinge alle di bwestete, di dorczugehoren, vryen vnde ledigen sullin.
6.
›jn. von Sündenschuld freisprechen; jn. rechtfertigen, erlösen; jm. die Absolution erteilen‹;
vgl.  91012.
Gegensätze:
 15.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
der predigere ruf, | Die Gotes wort in predigen | Und sie von sunden ledigen.
Luther, WA (
1522
):
das ich yn ledige und loͤße von sunden.
Valli, Baldemann
384
(
rhfrk.
/
nobd.
,
um 1350
):
den irre
[Petrus und Paulus]
lere guͤz | So cluͦglich kond vurstopfen, | Auch crist gelouben pfropfen | Si konden mit ir predigen, | Sie konden binden ledigen, | Gen gote manchem machen suͤn.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
3, 5
(
Frankf./M.
1568
):
Der Bischoff. Ich bin gesatzt in diß Bistum / | Daß ich das Euangelium | Und Gottes Wort dem volck sol predgen / | Die suͤnding Gwissen troͤstn vnd ledgen.
Sachs (
Nürnb.
1565
):
Deß will ich dir, dw mein heiland, | Danck opffern. Weil du mich thest ledign, | Will ich deß herren namen predign.
Goldammer, Paracelsus
3, 282, 15
(
1530
/
5
):
wir halten sie [bilder] angenember denn gott. wir achten und glauben, daß sie uns zu binden und zu ledigen haben. ist das nit aberglauben.
v. Maren, Marquard. Ausgabe
21, 4
(
Venedig
1483
):
vnd der vater gesprochen hat nym meinen sun vnd ledig dich: vnd der sun gesprochen hat Nym mich vnd ledig dich was moͤcht diemuͤtigers gesein [...] dan das des hohen gotes sun sich selber vͤmb vns armen diener geben hat das wir vns loͤßen vnd alle schulde gelten mit im.
Helm, a. a. O. .
7.
›etw. leeren, ausräumen, reinigen‹; ütr.: ›jn. / sich innerlich von Unwesentlichem lösen, reinigen, im paulinischen Sinne frei machen‹.
Vorwiegend Texte religiösen Inhaltes.
Bedeutungsverwandte:
 15,
2
,  1,  3,
1
, .
Syntagmen:
jn.
(z. B.
den menschen
)
/ etw.
(z. B.
die sele / scheuer, das fas / haus
)
l., etw.
(z. B.
gemüt
)
e. S.
(z. B.
der begierde
)
l., etw.
(z. B.
das herz, die sele
)
von etw.
(z. B.
von fleischlicher unart, eigener minne, allen kreaturen
)
l
.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Jer.
48, 12
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
spricht der herre, das ich in wil sendin wynsetzer und legiluzschenker, und dy werdin sy stroyn und ire vas ledegin
[
Froschauer
1530:
ablassind
;
Luther
1545:
ausleren
]
und ire lagin zusamenewerfin.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Euacuare. Lǎren ledigen außreumen.
Jostes, Eckhart
45, 9
(
14. Jh.
):
Swan dan di sel gelediget wirt und enplozzet alles des, daz got[z] libsten willen an ir gehindern mag.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
64, 16
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
das her den rys lize andirs wo gizen und ledigite sin hus.
Langen, Myst. Leben
216, 9
(
nobd.
,
1463
):
Sie sindt ledig worden ir selbs vnd ledigent / sich aus in selben, des geben sie ein / freyes vrlaub allen dingen.
Voc. Teut.-Lat.
s vr
(
Nürnb.
1482
):
Ledigen od’ ledigmache͂. od’ rawmen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
wele menschen erfúllet werden súllent mit dem heiligen geiste, die muͤssent von irre hertzen lidigen von eiginer minnen, von eigener meinunge.
Ruh, Bonaventura
358, 22
(
orhein.
,
um 1480
):
so wúrst du dich lidigen von allen dingen, nit yrdesches begeren.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
daz lob ist so vil glicher, so vil es me von allen kreaturen nach inbildunge geledget ist.
daz ein gemuͤte aller liplicher begirde wirt geledget.
Steer, Schol. Gnadenl.
5, 12
(
halem.
,
15. Jh.
):
Liden gotes ist der art: es lediget die sele von angebornen vichlichen vnart.
Schmidt, Rud. v. Biberach
87, 15
(
whalem.
,
1345
/
60
):
daz er sich lidigen sol vnd vnpherren von allen zitlichen dingen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1570
):
wer salz hingibt, alle raifl die man bei im ledigt sol er zuschneiden.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 2019
;
Rieder, Gottesfr. ;
Strauch, Schürebrand ;
Jörg, Salat. Reformationschr.
800, 14
;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 240
.
8.
›etw. (Bindendes, z. B. ein Band) lösen, freilegen, aufbinden‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›etw. aus einer Bindung losmachen, lösen, lockern, von etw. trennen, wegnehmen‹.

Belegblock:

Ermisch u. a., Haush. Vorw.
104, 10
(
osächs.
,
1570
/
7
):
brich den zweig von dem baume, und schneide fur den eugelein [...] wohl eines gutten halmen breit den zweig hinten [...], und ledige dann das rörlein, da die augen an seind.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
10
):
Stockmeister, ledig jhm zu hand | Von seinem leib fesel vnd band.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
46, 7
(
els.
,
1362
):
Die demuͤtikeit [...] ist vns gewesen eine heilikeit, wenne sú das bant vnserre súnden het gelidiget.
Sudhoff, Paracelsus (
1536
):
so leg das pflaster uber, so ledigt es das verbrunnen vom guten und felt es ab.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wan Christus gab sant Peter den gewalt: „waz dû pindest auf ertreich, daz ist gepunden in dem himel, und waz dû ledigst auf ertreich, daz ist geledigt in dem himel“.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1532
):
wann ein schwein oder viech einen rainstain außwielte oder ledigte oder durch waßergüß ledig wurte.