lücke,
die
;
–/-n
, vereinzelt
-er
.
1.
›Lücke, Unterbrechung einer Reihe (allgemein)‹; auch ütr.
Phraseme:
die lücken büssen
›eine bloße Überbrückung sein‹;
jn. in die lücke schieben
›jn. als Täter vortäuschen‹.
Wortbildungen:
lückechtig
,
lückenbüsser
›j., der zwischen etw. steht, eine Lücke füllt‹,
lückenpredig
.

Belegblock:

Luther, WA (
1526
):
Es ist eytel lucken predig, quod non diximus, oportet spiritus sanctus dicat.
Er
[der verworfene Stein]
sol mir nicht die lücken büssen [...], sondrn ein Eckstein sein.
Ebd. (
1530
):
denn ich bin ein Luͤckenbuͤsser und bin weder Pfarrer noch Prediger.
Ebd. (
1534
/
5
):
dis Scepter sol und mus gantz und gerade bleiben on alle bruche und luͤcken als die regel und mas, darnach [...].
Ebd. (
1538
):
nu ich
[Luther]
, als der abwesens unsers lieben herrn Pfarherrs [...] die weil mus lückenbüsser und unter pfarherr sein.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Kön. 11, 27
(
Wittenb.
1545
):
Da Salomo Millo Bawet / verschlos er eine lücke
[
Eck
1537:
schlund
]
an der stad Dauids.
Ebd.
Neh. 6, 1
:
da [...] vnser Feinde erfuren / das ich die mauren gebawet hatte / vnd keine lücke
[
Mentel
1466:
zerreissung
]
mehr dran were, [...].
Fastnachtsp. (
nürnb.
,
15. Jh.
):
Und schlug im zwen zen auß seim drüßel | Und ich maint, ich wolt im in die lucken
[›Zahnlücke‹]
scheißen.
Ebd. (o. O.
15. Jh.
):
Ich ful im for die luken
[›Zahnlücke‹]
schan | Mit einr latwergen, die ich han.
Maaler (
Zürich
1561
):
Lucken (die) Ein weyte zwüschen den pfaͤlen. Interuallum. Lucken zwüschend weyte. Interstirium.
Zaͤn die kein Lugken habend. Dentes continui.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
obd.
,
1524
):
wie daß er [pabst] so eben mit den pfaffen exemplificiert? muͤßen si dann alle lucken buͤßen?
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
311, 10
(
Genf
1636
):
Luͤcke / f Die weite von einem ding biß zum andern.
Ebd.
13
:
Die hege hat viel (luͤcken).
Ebd.
21
:
Seine Zehne seynd gar (luͤckechig).
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1563
):
nit mer dann 200 mann in der wacht behalten und die lucken mit etlichen von der neuen wacht widerumb besetzt worden.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
474, 3
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Achilles lucken weitte | schlueg durch das her.
2.
›Öffnung, Durchgang, Durchlaß durch einen Grenzfried, eine Hecke o. ä.‹; solche Durchlässe waren Gegenstand rechtlicher Regelungen; ütr. auch: ›Ausweg‹; Spezialisierung zu 1.
Gehäuft ˹wobd. / oobd.˺; Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
seine lücke verstehen
›den Ausweg, das Schlupfloch besetzen‹; ütr.: ›seiner Aufgabe gewachsen sein‹;
eine lücke füllen
›eine unklare Stelle in seinem Sinne interpretieren‹;
alle lücken füllen
›jeden Ausweg versperren‹;
jm. eine lücke offen lassen
.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  2,  1, , (
der
1, .
Syntagmen:
die l. finden / suchen / gewinnen / aufbrechen / auftun / bessern / abkeren
›schließen‹
/ vermachen / verzäunen / zumachen / strafen / bessern, die lücken e. S
. (z. B.
der rede
) [wie]
füllen
;
die l
. (Subj.)
js. sein
;
durch die l. (durch)schliefen / faren, in die l. stehen, ein schwein in die l. legen
;
die l. des zauns
;
die enge l
.;
die zumachung der l
.
Wortbildungen:
lückenban
›Strafe für funktionsuntüchtige Zäune‹ (zum Gw vgl.
2
 35),
lückenbuch
›Verzeichnis der Grundstücksdurchgänge‹ (a. 1539).

Belegblock:

Luther, WA (
1526
):
Jm gericht hat unser her all lucken zu gemacht.
Ebd. (
1527
):
ist kurtz abgebrochen und schlecht von senden gesagt, gar nichts, [...], was der befelh were, das die Juden mochten die lucken ynn solcher rede mit solchem fleyschlichen verstand fullen und dencken: [...].
Ebd. (
1528
):
sie
[Junker]
lesen nichts, sondern suchen nur eitel lücken, da sie lestern [...] mügen.
Ebd. (
1537
):
Deus lesst im ein lucken offen.
Ders. Hl. Schrifft.
Jes. 58, 12
(
Wittenb.
1545
):
vnd solt heissen / Der die Lücken verzeunet
[
Cranc
, M. 14. Jh.:
zuynbuyer
,
Dietenberger
1534:
zaunmecher
]
/ vnd die Wege bessert.
Ebd.
Apg. 15, 16
:
vnd wil widerbawen die hütte Dauid / [...] / vnd jre Lücken
[
Mentel
1466:
zerrütten ding
; Var. T und F:
verwustung
]
wil ich widerbawen.
Kollnig, Weist. Schriesh.
150, 40
(
rhfrk.
,
1517
):
haben die von Hohensachßen [...] dieselbige lucken an den bannzäunen zue strafen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Weil du [Jesu Christ] vns vorgangen bist, | Durch die enge Lucken
(hier ütr.).
Grimm, Weisth. (
wobd.
,
15. Jh.
):
Er sol och wa ein lukü ist verstossen, [...], mit einem burdi dornen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
3847
(
Basel
1519
):
Jch weiß, das ich myn luck verstandt, | Wo boͤse wyb zuͦ schaffen handt.
Klein, Oswald
76, 20
(
oobd.
,
v. 1408
?):
Als ich den kle hett angemät | und all ir lucken wolverzeunt | dannocht gert si, das ich jät | noch ainmal inn der nidern peunt
(hier obszön übertragen).
Ebd.
83, 27
(
v. 1409
?):
leicht kompt zu mir, die mich erweckt | [...] | gesloffen durch die lucke | schon mit getucke.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1546
):
ob der frid nit guet wër und ein lucken wär do ein järige saw durchschliefen möcht oder ein ochß daruber springen mocht, so erkennt man das wandl darauf um 12 ₰.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1637
, Hs.
E. 17. Jh.
):
so mag der ambtman zu st. Geörgentag in die lucken stehen, dennen underthanen gebüeten [...], wessen die lucken sei, alsdan solle deren anmasser [...] die lucken inerhalb nechst darnach volgenden 8 tagen vermachen.
Ebd. (
1654
/
68
):
so soll das esster hinten nach im zuefahlen, darnach in dreien tagen alle lucken abkert [...] werden.
Ebd. (
17. Jh.
):
wo es [schwein] aber hinwiderkompt, so mag ers erschlagen und solle das schwein in die lucken legen wo es hineinkomen ist.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
17.
/
18. Jh.
):
welcher im durchgehen und -fahren ain gatter oder lucken nicht zuemacht.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 160, 28
;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Öst. Wb.
2, 236
.
Vgl. ferner s. v. ,  4.
3.
›Fahr-, Treibweg, Trift für das Vieh‹.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
ich bestecke ir [reine sele] alle luckan mit widerwertikeit
(hier ütr.).
Sappler, H. Kaufringer
26, 19
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
so verdürnet er [Gott] in [frünt] die stras | und bestecket in aun mass | alle lucken mit widerwertikait
(hier bildlich).
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1562
, Hs.
17. Jh.
):
Die lucken zue dorf und veld betreffent. Item alle erblucken, sie seyen zue fahren oder zue treiben, [...] sollen zue jeder seiner zeit [...] mit keinem graben oder anderm verschlagen werden.
Ebd. (
1598
):
alle gemaine lucker sollen biß Geörgi offen gelassen werden.
4.
›Öffnung, Fenster, Tür zu einem Raum; Tor zu einer Befestigung (?)‹; als Synekdoche: ›der Bauteil, Bau insgesamt‹; die Variante ›Fenster‹ ist auch von
1
lugen
1 her motivierbar.
Phraseme:
für die lücken treten
›in die Bresche springen (wörtlich)‹;
jn
. (z. B.
den schalk)
/ ein Tier (z. B.
einen fuchs
)
für die lücke stellen
›vor den Eingang stellen, um einen Komplizen zu fangen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
2
,
2
 1, , (
das
3, , (
der
2, (
das
3,
1
 1.

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Hes. 13, 5
(
Wittenb.
1545
):
Sie [Propheten] tretten nicht fur die Lüken / vnd machen sich nicht zur Hürten.
Blümcke, Hans. Gesandtsch. (
nrddt.
,
1603
/
05
):
1 Thlr. fur eine Elle feinen Tript, so zu den Lucken
[›Fenster im Wagenverdeck‹]
des Wagens kommen.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
die bornmeister [...] befohlen den, sie solten die thorme und licken
[›Einlaßbereich des Gefängnisses‹]
alle reyne machen lassen. Ich meyne, sie haben die pfenner alle wollen lassen in die thorme werfen.
So gingen wir uffs rathaus uff den torm, die thure war offen und auch die lucke. So ich uff die lucke kam, lage der eine knöbel an einem langen seile, den knöbel thaten sie mir zwischen die beyne, [...] so liessen sie mich hienabe in den thorm.
so satzten sie mich in den stock uff der lucken und begunten mich viel zu fragen.
Gille u. a., M. Beheim
453, 2076
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
An der luken
[›Tor‹? oder ›Schießscharte‹?]
da sy dan in | die maur hetten geschossen hin.
Ebd.
2146
:
Hinter der luken stunden sie | und auff der mauren dort und hie.
Sachs (
Nürnb.
1556
):
wenn man ein fuchß wolt fangen, | So müß man ein fürt lucken
[›Fuchsbau‹]
stellen, | Auf das man füchß mit füchß müg fellen.
Ebd. (
1554
):
Der loß mann spricht: Mein weib, das thut mich gar nit gremen; | Dein schauben muß vürt lucken stahn.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
obd.
,
1524
):
ir [...] wölt uns armen pfaffen für die lucken stellen und euch mit uns verkaufen.
Barack, Teufels Netz (
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wan du bist mir nüwlich entloffen | Und stat din luk noch wit offen.
Uhlirz, Qu. Wien
2, 1, 1519, 8
(
moobd.
,
1402
):
daraus ein lueg ging auf des vorgenannten Dietreichs dach.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
wer ein schalk fâhen wil, mueß ein schalk für die luken
[wohl ›Tür, Tor‹]
stellen.
Spanier, Murner. Narrenb.
14, 45
.
Vgl. ferner s. v.  4.
5.
›Loch, Vertiefung in einer Oberfläche, durchlässige Stelle; Guckloch; Loch in der Erde; Körperöffnung‹; wohl auch: ›Pustel, kleine Hauterhebung‹.
Bedeutungsverwandte:
,  278.
Wortbildungen:
lücket
›ein Loch, Löcher (?) habend‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
¶ hol loch lucken.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wort zahlen die Schulden nicht / Hauß vnd Hof mus in die Lucken stehen
(am ehesten hierher).
Fastnachtsp. (
Ingolst.
o. J.):
Do schaut ich zu einem lücklein ein | Und sach dy liebste tochter mein | Nakhat in dem pett ligen.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Sicht er [esel] dar durch ein luckenn [in der prucke], | Mit grossem angst er fur paß gat.
Ebd. (o. O. o. J.):
Der pek must sich hin zu hin buken | Und kusßen hinten fur die luken.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Also zug er selb-zwölft ohn trawren | An diser hoch lücketen mawren.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
der wantzen macht, | Die lews pissen mir lucken.
Niewöhner, Teichner
322, 155
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
daz mercht dar an | daz man ainem mund und nasen | mag verzimmern und verglasen, | daz chain luchel mag hin in, | dnnoch get dw sel da hin.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1578
, Hs.
17.
/
18. Jh.
):
wann ein markstein ausgeworfen würd, der solches thuet den soll man mit den kopf in die lucken
[›Erdloch‹]
steken.
Ebd. (
17. Jh.
):
wen aber malefitzpersonen alhie befunden werden, ist man ihnen dieselben [erlaubnus] zu den lucketen stain zu antworten schuldig am dritten tag.
Patocka, Salzwesen.
1987, 124
(
oobd.
,
1595
):
Mit khalch man die Luckhen Verschlecht, / Das die Sulcz nicht außrinnen thuet.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
,
A. 17. Jh.
):
ain gmain, [...], gehet zum Khunzen in Greith oben an forst, zu der lukethen stainwant an Heiflstain.
Mollay, H. Kottanerin
11, 11
(
moobd.
,
1439
/
40
):
auf der kisten lag ain plaber, samedeinerr polster, do pran ain lukchen in grosser denn spanen.
6.
s. (Adj.) 1.
7.
s. (Adj.) 2.