innig,
Adj.
1.
›erfüllt von religiöser Hingabe, nach Innen / in sich gekehrt, andächtig, fromm, kontemplativ (von Menschen)‹; ›intim, tiefgreifend, verinnerlicht, in der Tiefe der Seele verankert (von Gefühlen)‹; Subst. ›das Innerste des Menschen, die Tiefe der Seele‹.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
buch von der innigen sele
›Hohelied Salomons‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, , ,  2; vgl.  1,  2.
Syntagmen:
inniger dank / ernst / geist / grund / hunger / mensch / schmak
,
innige abgeschiedenheit / andacht / begierde / freude / gabe / innigkeit / inwendigkeit / liebe / minne / sele / treue / übung
,
inniges frolocken / gebet / gemerke / heischen / herz / leben / werk / wirken
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.  (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
sô soltû innic dise wort | gar ân undirbrechin | alle tage sprechin.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
gebirt er in in des geistes innigestez, und diz ist diu inner werlt.
swenne ich spriche: daz innigeste, sô meine ich daz hœhste, und swenne ich spriche daz hœhste, sô meine ich daz innigeste der sêle.
in dem innigesten, dâ nieman heime enist, dâ genüeget ez jenem liehte, und dâ ist es inniger, dan ez in im selben sî.
Ders., Eckharts Trakt.  (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
ez nimet sîne götlîche güete mittels des innigen werkes.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
2799
(
Köln
1476
):
Hayt landtgreeff Herman dye froemen | Geystlycheyt dayr laissen komen | Innich vur sent Quiryns altayr.
Froning, Alsf. Passionssp. 
93
(
ohess.
,
1501ff.
):
darumb solt er alle innigk synn | und eben bedencken die groisße pynn | die Jhesus al an dem crucz gelidden hot.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
79, 11
(
omd.
,
1487
):
Szo nǔ der mensch Jn solchen engsten nÿmãt beÿ ÿm hatt der ÿn durch sein innigs gebeth entschutze.
Neumann, Rothe. Keuschh. 
5141
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
das di hutte da si, das wil vortzele | das buch van der ynnigen sele.
Bihlmeyer, Seuse  (
alem.
,
14. Jh.
):
unz daz sich dis alles in der innigosten inwendikeit siner sele mit grossem ernst geoffenbaret hate.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul. 
2, 258
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Vs inniger innikeit kummet dangberkeit.
Ebd.
260
:
Wan nieman enkan gotte also wol danken vnd loben als der innige mensche.
Ebd.
458
:
alse das innegeste des hertzen vnd der vrsprung des lebendes ist gewunt von minnen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Von der allerhoͤhster innigester nehster einunge mit Gotte.
Eichler, Ruusbr. steen
131
 (
els.
,
sp. 14. Jh.
):
so mag er alsus blos vnd vnverbildet komen in daz innigeste sins geistes.
Höver, Bonaventura. Itin. A
391
(
moobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
vnd wirt geaynigt nach der warhait vnd nach der jnnigisten innerckayt.
Quint, Eckharts Pred. ;
ders., Eckharts Trakt. ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Strauch, Par. anime int.
95, 10
;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 627
;
2, 247
;
663
;
1609
;
1934
;
2002
;
Vetter, a. a. O. ; ;
Strauch, Schürebrand ;
Steer, Schol. Gnadenl.
6, 12
;
Höver, a. a. O.
2, 617
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 55
;
Zirker, Bereicherung d. dt. Wortsch.
1903, 66
.
2.
Attribut in der Titulatur für geistliche Herren und Frauen.
Omd.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
69, 7
(
omd.
,
1487
):
Der Jnnige lerer sanctus Bernhardus schreÿbend zcǔ dem babst.
Küther, UB Frauensee 
218, 18
(
thür.
,
1446
):
das jungfrauwencloster zcum Sehe und die innigen jungfrauwen desselbin closters gemeynlich.
Wattenbach, Urk. Rauden (
schles.
,
1425
):
Das der Innige vnd wirdige herre George apt zur Gemylnicz vns eine gancze gnuge geton hot.
Wattenbach, Urk. Czarnowanz (
schles.
,
1431
):
dy Jrbar […] frawe Katherina […] hot vorreicht vnde gemacht den Innygen vnd Andechtigen Juncfern czu Tscharnowans eyne halbe marg geldis.
Küther, a. a. O.
156, 30
;
Wattenbach, Urk. Rauden ;
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
28, 3
.
3.
im Synt.
jm./e. S. innig sein
›jm. eigen, eingeprägt sein‹.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Grôziu dinc heizent eigenlich gâbe und sint im aller eigenst und aller innigest.
Ders., Eckharts Trakt.  (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ein ander werk ist noch inniger dem steine, daz ist neigunge niderwert.
Gille u. a., M. Beheim 
127, 64
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
es sei dann seinr gätlichen | Naturen so innig, daz da | daz selber selbig sei.
Höver, Bonaventura. Itin. B
8
(
moobd.
,
1450
/
60
):
seid got also nachand vnd jnnig ist vnseren gemuͤtten.
4.
im Synt.
innig sein
›innewerden‹.

Belegblock:

Drescher, Hartlieb. Caes.  (
moobd.
,
1456
/
67
):
do er also seines gepets innig was und der mitchosung unser lieben frawen anhoͤrig mit grossem lust aufnam.
5.
im Synt.
etw. innig haben
›etw. besitzen‹.
Syntagmen:
einen hof, ein gut i.

Belegblock:

Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 217
(
rhfrk.
,
1379
):
daz gut, daz Irmelin Hun innic hat als von irs irstin mannes wen.
6.
›in einem Bezugsgebiet wohnend, einheimisch‹.
Syntagmen:
innige herren / menschen
.

Belegblock:

Rwb (a. 
1481
,
1490
).
7.
›einsam, abgeschieden‹.
Syntagmen:
inniger ort, innige stat
.

Belegblock:

Welti, Pilgerf. v. Walth.
43, 7
(
omd.
,
n. 1474
):
heymelich in deme walde vnd gar yn eyner innygen stad, ferre von den luthen lyd.