handfeste,
die
;
-n/-n
.
1.
›Ausübung von Zwang, körperliche Nötigung‹;
vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
vgl. ,  2, .

Belegblock:

Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte
1, 32, 10
(
moobd.
,
1524
):
allen zwanng, vnd Handtvesst vber, vnd vmb all pluettig Hanndlungen, [...], mit gelltstraff, oder mit vännckhnuß zu puessen [...] haben.
2.
›schriftlich festgelegter, rechtsförmlich verbriefter, für die Partner verbindlicher Vertragstext und Vertragsinhalt, Urkunde, Verbriefung von Rechten und Pflichten‹, bezogen auf die gesamte Bandbreite von Papst-, Königs- und Kaiserurkunden bis auf Privaturkunden; als Metonymie: ›konkret vorliegendes, vorzeigbares Vertragsdokument‹;
offen zu 3; vgl.  2.
Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken.
Syntagmen:
die h. auslegen / bedeuten / brechen / verkeren / fälschen / überfaren / bestäten / befesten / confirmieren / erneuern / verriegeln, eine h. in ein register, schreiben, j.
(z. B.
der keiser / babst / herre / abt
)
die h. (über etw.) geben, jm. eine h. geben / setzen; die h. kräftig sein, etw. sagen / weisen, nicht sterben, ein insiegel haben, auf perment geschrieben sein; etw.
(Subj.)
der h. schaden; (jn.) nach der h. richten, mit der h. etw. offenbaren, beweisen; die bäbstliche / kaiserliche / merere / offene / ewige h., die h. des königs, der stat; (der) laut / (die) weisung der handfesten
; für die Metonymie:
eine h. haben / machen, jm. eine h. zeigen, die h. über eine müle, in einer büchse
.
Wortbildungen:
handfestbrief
(a. 1514),
handfestenbuch
(a. 1567) ›Verzeichnis von Vertragsinhalten‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Dirre meistir ouch erwarb, | [...] | dî nutzstin unde bestin | pêbstlîchin hantvestin.
Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden
131, 16
(
preuß.
,
1400-02
):
wir haben von ẏm czu pfande 1 hantveste in eyner beslossenen buͤchse.
Ebd.
193, 17
(
1402-04
):
hyrvor hat her uns gesaczet eyne handtveste obir die selbige moͤl.
Lohmeyer, K. v. Nostitz (
preuß.
,
1578
):
Ich besorge, die handtveste werde gefelscht sein.
dorinnen er vorzeichnen lasse alle handtvesten derer von der ritterschafft, adel, burger ader paur.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
dar vmme sint de breuͦe bezzere dan de zuͦge. oppe hantvesten ist der tote gezuͦch also guͦt alse der lebende.
Man leyet ouch wol eyn Jngesegel zuͦ eyneme anderen vf eynen briff, daz de hantveste creftiger si.
Wolf, Gesetze Frankf.
81, 5
(
hess.
,
1349
/
52
):
Was man auch hat zu schribene hantfesten, die sal der schriber alle dunnrestage uff das hus brengin, da er by ist und die ime gesagit werden.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
als wir’t wale mogen offenbaren | mit hantveste ind myt geschrichte, | van scheffendoym ind van gerichte.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
als wir habenn zu richtenn alle broche [...] noch laute unnser hanntfestenn inn unnser freiheit unnd der stadt grenntze.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Wer hantuesten machet. der sal tzu dem mynsten syben man doran setzen dy getzug syn.
Hertel, UB Magdeb. (
nd.
/
omd.
,
1486
?):
und sollen yn halden yre hantfesten und yre brive, die sie von unsern vorfaren [...] haben.
Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
, Hs.
15. Jh.
):
der sal bewysen mit syner hantfesten, was ym darczu berethen adir gegeben sy.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
so sol er die hant verlorn hän vnd sol man von ime richten nach der meren hantfesti.
Boos, UB Aarau (
halem.
,
1421
):
har úber ze einer staͤten vergicht und ewiger handvesti aller dingen har inn geschriben, so haben wir [...] únser ingesigel [...] getàn henken an disen brief.
Geier, Stadtr. Überl. (
nalem.
,
1378
):
Wir Wenczlaw [...] bestetigen, [...] alle und igliche ire [Andres Kob [...] und Cuͦnrat, sein sun] brieve, hantvesten und gnade.
Auer, Stadtr. München (
moobd.
,
1347
):
Ez mag chain hantfest chraft haben, die ain abbt oder ain äbtessinn oder ain probst geit mit seinem insigel. ez hang dann sein convents insigel dapey.
Niewöhner, Teichner
612, 89
(Hs. ˹
moobd.
,
1469
˺):
nu ist ein anders auf chumen | [...]: | ,hab du dir dein hantfest | und lasz mit dy lanntvest‘.
Ebd.
713, 11
(Hs.
oschwäb.
,
1472
):
und leben doch so freyer wal, | sam unns handt vest seyen geben | das wir ymmer sollten leben.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1484
):
Was kraft das hab so man ain hantvest in das marktregister schreibt.
Rössler, Stadtr. Brünn (
mähr. inseldt.
,
1. H. 14. Jh.
):
Von ewigen hantvesten. Hantvest di man steten geit oder einer gemain oder um ein ewigeu sach, di sint ewich; di man aber czu iaren geit oder czu etisleicher leute lewen oder um czergenchleicheu sach, die sint nicht ewich. Ist daz, daz an dem piermeit, da ein hantvest auf geschriwen wiert, ein loch ist, daz ee an der haut von natur ist gewesen, daz schat der hantvest nicht. Hat auch die hantvest alleu ireu insigel di darin geschrihen sint, wiwol si mer locher hab, di dar um gestochen sint, daz man mer insigel daran scholt haben, si behelt dennoch ier recht.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
311, 29
;
Sattler, a. a. O.
255, 12
;
Lohmeyer, a. a. O. ;
Große, a. a. O. ;
Behrend, a. a. O. ; ;
Ermisch, a. a. O. ;
Köbler, Ref. Nürnberg
285, 12
;
Welti, a. a. O. ;
ders., Stadtr. Bern ;
Roder, Stadtr. Villingen ;
Rennefahrt, Wirtsch. Bern ;
UB Zug
85, 26
;
Hauber, UB Heiligkr. ;
Weissthanner, Urk. Schäftlarn
176, 5
;
Rössler, Stadtr. Brünn ;
Rwb f.;
Vgl. ferner s. v. (V.) 23.
3.
›Urkunde, verbrieftes Recht unter Betonung seines Charakters als Privileg, Freiheitsrecht‹; als Metonymie: ›konkret vorliegende Urkunde‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, , ,  3,  2, , (
das
6, , .
Syntagmen:
die h. bestetigen / (von dem reiche, der herschaft) erwerben / schirmen / sehen
(zur Metonymie)/
verneuen; die h. noch vorhanden sein
(zur Metoymie).

Belegblock:

Schib, Urk. Laufenb.
56, 3
(
halem.
,
1382
):
sine recht, frygheit, gnad vnd guͤtte gewonheit, priuileyen, handuesten vnd brieffen, zolle vnd gleitte.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Den pischofen daselb gab er gros freihait, [...]; und ist sölch hantvest noch verhanden.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
131, 4, 6
;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ;
Hauber, UB Heiligkr. ;
Fuchs, Kart. Aggsbach ;
Plant u. a., Main. Naturl. 299vd,
18
;
4.
›Rechtskraft, rechtliche Gültigkeit‹; als Metonymie für die Verleihung von Rechtskraft: ›Bekräftigung‹; auch ›rechtsrelevante Glaubwürdigkeit, Beweiskraft‹.
Phraseme:
das es kraft und handfeste habe
(o. ä.).
Bedeutungsverwandte:
 4, ,  7,  8; vgl.  3,  4, , (
das
8.

Belegblock:

Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
So sollen wir oder die Richtere die handtvesti / ersamkeit / vn̄ die gloubsami beider teilen / [...] flyßlich ermessen.
Leisi, Thurg. UB
7, 192, 14
(
halem.
,
1379
):
daz es kraft und maht und och hantfesti hett.
Argovia (
halem.
,
1451
):
als es billich kraft, macht vnd guet ewig handvesti hett.
Leisi, a. a. O.
7, 113, 14
;
8, 261, 18
;
Rennefahrt, Stadtr. Bern ; ;
5.
›religiös begründete oder auf andere Weise durch ein Höchstmaß an Verbindlichkeit gekennzeichnete, in Analogie zur Rechtsverbriefung gedachte Sicherheit, Garantie‹.
Überwiegend Texte religiösen Inhalts, gehäuft Verstexte.
Bedeutungsverwandte:
; vgl. ,  1, ,  1,  5, .
Gegensätze:
vgl.  3, ,  3, .

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wen her [Johannes] waz vor den besten | Gevestent mit hantvesten | An herzen und an sinnen | Der gotlichen minnen.
Wen iz iewerlte was irkorn | Und gevestent mit hantvesten | Daz iz geschen muste zum besten; | Wen swaz Got machet, daz ist gut.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
min trut min lip vor allim libe, | di werdiste di schonste di beste, | di allir gute eine hantveste.
Stackmann u. a., Frauenlob
11, 5, 6
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Wol hin, ir edelen hantfesten, | welt ir iuch niuwen als des manen glesten?
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Die hant-vest, trew zu allen zeiten, | Sind wie die rigel an eim schloß.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
er vergab eúch all misstat | er vertiligt die hantuesst
[Var. 1475
2
:
handtgeschrifft
;
Luther
1527ff.:
handschrifft
;
Eck
1537:
handtgschrift
]
des gebottes.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
29
(
halem.
,
2. H. 15. Jh.
):
Bernhardus, [...] verdiente ze werden ein eingebornes kint des heiligen vatters, bedi an der ersti des zites vnd ǒch an der hantfesti der heilikeit.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
[Das du] Dich [túvel] an úns wilt rechen, | Unser hantvesti zerbrechen, | Die wir mit aller sicherheit | So lange habint ingeleit.
Rudolf, H. v. Langenstein. Erch.
20, 9
(
moobd.
,
1393
):
so ÿe vaster dem tewfel sein brıͤf vnd sein hantuest wirt zerprochen.
Helm, a. a. O. ;
Fischer, a. a. O. ; .