haft,
der / die
;
-s
(für
der
),
häfte
(für
die
) /
häfte, häfter
, auch
+ Uml.; in rib. und nrddt. Belegen infolge des
-ft-/-cht-
Wechsels (s.
Frnhd. Gr. §  L
56, 3
) auch
1
.
1.
›das Anheften, Anbinden von etw. an etw.‹; meist metonymisch: ›konkretes Band, Bindung, Haftung, Halterung, Fessel; Flechtwerk‹; speziell: ›Heft einer Waffe‹;
vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
1
 3.

Belegblock:

Rennefahrt, Gebiet Bern (
halem.
,
1524
):
das nuhinfuͥr die Aren, [...] mit ubervachen, giessen abzuͦschlachen, haͤffter zuͦ schlyssen, vaͤckruͥschen zuͦ setzen, [...] nit gebrucht soͤlle waͤrden.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1527
):
schlecht ainer mit ainem spieß und schlecht mit dem haft, so ist er umb 5 tal ℔.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2111
(
tir.
,
v. 1496
):
So thue ich dort ain haft, | Das er [trugner] nicht hin wider schnell.
Skála, Egerer Urgichtenb.
249, 12
;
2.
›Fessel (im ütr. Sinne)‹; bei positiver Sicht: ›Bindung, Halt‹, bei negativer Sicht: ›Zwang, Abhängigkeit (bis hin zu Gefangenschaft); Bindung an Irdisches, Verhaftung mit Irdischem (vgl.  3)‹; Ütr. zu 1.
Syntagmen:
(die) h. haben / entkräften, js. h. ansehen, der sele h. antun
;
in h. wonen, jn. in js. h. bringen, jn. aus js. h. erlösen, sonder h. in seinem sein sein
;
grabes, gottes, des teufels h
.;
die tödliche h
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
[ich [Jhesus] habe] uch erlost us siner haft | Und von der ewigen nacht | Zu des gelouben licht gebracht.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
dî dâ wârin blibin | sî von dannen tribin | und brâchten sî in ire haft.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 30, 2
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
set an ir haft: | ein ritter drizic jare | rilich mac gebaren, | swie hohen pris er hat bejaget [...] | ein eren val nimt im den namen.
Ebd.
7, 3, 7
:
wiste man ez wol, | Wa wont natur in hefte.
Gille u. a., M. Beheim
148, 388
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Nach dem tut uns vergehen | Malachias der juden val, | wie sy chomen in hafft und qual, | das sy [...] | durch sund wurden verworffen.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Hie muͦss alle haft entheftet sin, ellú ding gelassen sin.
daz du dich mit gantzer bichte und mit allen dingen, da du haft weist, bereitest.
daz fúrben lit an usgetribenheit alles des, daz creature oder creaturlich ist nach hafte und begirde und kumber.
Leidinger, A. v. Regensb. (
oobd.
,
um 1430
):
da trachtent [sy] in in selbs, wie man kain hafft scholt haben in irdischem und ergänklichem gut.
Helm, a. a. O. ; ;
Barack, Teufels Netz ;
Niewöhner, Teichner
28, 23
;
299, 21
;
321, 43
;
Stackmann u. a., a. a. O.
6, 12, 8
;
7, 4, 15
.
3.
›Gewand-, Schmuckspange‹.
Obd.
Bedeutungsverwandte:
 2, .
Syntagmen:
ein häftlein anmachen / auftun / enpfangen / kaufen / tragen, jm. ein häftlein anheften
;
etw. mit einem häftlein zusammen binden, um ein häftlein rennen
;
die perle mit einer h. versezt
;
das grüne / rote / güldene häftlein
.
Wortbildungen:
häftel
,
häftlein
.

Belegblock:

Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 248, 4
(
halem.
,
1508
/
16
):
mit trigen berlin als gross als bonen, in einer haften versezt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Haͤfftlen / Haͤfftle anmachen oder eynthuͦn. Fibulare. Enthaͤfftlen / Die haͤftle auffthuͦn.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
, Hand von
1411
):
daz ainer ieglichen frowen name, [...], ain haͤfftlin, daz nicht tuͥro kome denne umb zehen Rinisch guldin an irem krantze [...] an ir brust tragen mag.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
ain hüetlin, darauf ain kräntzlin mit ainem guldin häftlin.
Karnein, de amore dt.
221, 324
(
moobd.
,
v. 1440
):
Ein lieb mag von dem andern entpfahen vnd nemen korallen schnür, harpannt vnd furspenng [...], häfftlein, hanntschüch, ermel ring, spiegel, gurtel.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
[etlich alt wârsagerin] legten ein weissen korrock an oder lange pfaid, pantens unden mit häftlein zam.
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
48, 17
;
Bastian, Runtingerb.
2, 384, 16
;
Fuchs, Kart. Aggsbach ;
Leidinger, V. Arnpeck ;
Schmitt, Ordo rerum
219, 5
;
10
;
Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz.
1989, 120
;
4.
›Nahtstich (einer Wunde)‹.
Wortbildungen:
hafterin
›Näherin‹.

Belegblock:

Toeppen, Ständetage Preußen
2, 671, 4
(
preuß.
,
1445
):
die haffterynne sullen dieselbigen borthen adir die frauwenhawben nicht me mit perlyn adir golde hafften.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
das ime der balbierer 12 hefte thun muste.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
die gemeinen hafft als sich hie geburt. ist das du setzest den ersten puncten od’ stich mitten in die wunden.
zuͦ alle͂ zitte͂ sollen der hefften vngerad sin Wan sie vber zwe͂ hafftenn bedorffent.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der wunden ein Hafft gaͤben. Committere alicuius plagæ oras futuris. Man gibt jm ein Hafft mitt zweyfaltem fadin. Traiectatur acu duo lina ducente.
5.
›Bürgschaft, Garantie‹; speziell: ›Angeld beim Abschluß von Dienstverhältnissen‹; ›bei der Vermählung einander als Pfand geschenkte Kostbarkeit‹.
Wobd.; Rechtstexte, chronikalische Texte.
Wortbildungen:
haftdenar
›Angeld, Draufgeld‹,
häftelwein
›Mahl beim Eheverlöbnis‹ (a. 1569f.; dazu bdv.: ),
haftpfennig
(dazu bdv.:  1, ,  12),
haftschaz
1. ›Wertrecht an einem Grundstück‹ (a.1335),
haftung
2. ›Angeld für einen angedingten Dienstboten‹ (16. Jh.; dazu bdv.: ).

Belegblock:

Golius (
Straßb.
1579
):
Gotspfenning / hafft pfenning / pfandschilling.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1668
):
Es solle auch achtens ein dienstbott, so es ein meister oder fraw begehren, umb den obgemelten lohn ain gantzes jahr, absonderlich wann darauf gedingt und der haft gegeben worden ist, auszuedienen schuldig [...] sein.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1406
):
ensol oͧch entweder teil under uͥns, noch oͧch die uͥnsren fuͥr den andren umb enkein sach pfant noch haft sin.
Brack (
Basel
1483
):
Arra ein hafft.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 114, 15
(
halem.
,
1489
):
und sol darzuͦ 500 pfund vertrösten und die selb trostung haft sin.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1431, 14
(
halem.
,
1508
/
16
):
nun stuͦnd das selb burgrecht haft um 1200 guldi.
Maaler (
Zürich
1561
):
Hafftpfennig (der) Gottispfennig.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
solt er den bestelten gesellen geben han ieglichem etwas zu ainem haft dn., damit daß er west, daß er bestelt wär.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 46, 7
(
schwäb.
,
1639
):
so solle hinfüro einer magd uff 1 jar lang nit weiters als 30 kr zur haftung gegeben werden.
Roder, a. a. O. f.;
Schmitt, Ordo rerum
118, 31
;
6.
›Beschlagnahmung, Arrestierung, Pfändung von etw. (Gütern, Geldbeträgen)‹;
vgl.  7.
Rechtstexte.
Phraseme:
etw. in haft und bot
(o. ä.)
legen
.
Bedeutungsverwandte:
 1,
1
 12,  1,  4.
Syntagmen:
den h. aufheben / auflösen / entschlagen / ledigen / rechtfertigen, jm. h. tun
;
h
. (Subj.)
beschehen, ab sein
;
etw
. (z. B.
das gut
)
in h. behalten, etw. aus dem h. nemen
;
die beschehene h
.
Wortbildungen:
haftbrief
1 ›Arrestationsurkunde (auf liegendes Gut bezogen)‹,
häftig
3 ›beschlagnahmt‹ (a.1369f.; dazu bdv.:  3),
haftsarrest
(verdeutlichend; möglicherweise zu 7 zu stellen).

Belegblock:

Schoop, Qu. Düren
276, 8
(
rib.
,
1645
):
die Pensionarien unbezahlt ufgeschwollen, die Creditores mit Hachtsarresten gegen die Burger zu verfahren bedrewen theten.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
378
(
schles. inseldt.
,
1467
):
vnd hat das salpscholdige gut, [...], ÿn haffte gelet gancz vnd gar.
Geier, Stadtr. Überl. (
nalem.
,
1510
):
und möge füro der gast [...] sein hab und guͦt, [...], wol verhöften und füro den haft nach unser statt recht rech(t)vertigen.
Golius (
Straßb.
1579
):
Arrestare, ein Roß oder guͤt inn hafft legen / verbieten.
Jörg, Salat. Reformationschr.
470, 24
(
halem.
,
1534
/
5
):
die wyl jren getrüwen mitburgern von Costentz und den jren / jr rennt / zins und güllt jn hafftt und pott gleytt.
Rennefahrt, Recht Laupen (
halem.
,
1535
):
alles fur fry, lidig, umbekümbert eygen, in niemands pfand, pflicht noch haft.
Müller, Stadtr. Ravensb.
216, 11
(
oschwäb.
,
um 1420
):
was nach im haͤft beschechen waͤrent, die sond denn och ab sin.
Doubek u. a., a. a. O.
21
;
Kohler u. a., Bamb. Halsger. ;
Köbler, Ref. Nürnberg
157, 7
;
Krebs, Prot. Konst. Domkap.
441
;
4858
;
Geier, a. a. O. ;
UB Zug
771, 13
;
Müller, Alte Landsch. St. Gallen ;
Jörg, a. a. O.
532, 8
;
819, 8
;
7.
›Haft, Gefängnis, Gewahrsam‹.
Bedeutungsverwandte:
 6, vgl.  2.
Gehäuft Rechtstexte.
Syntagmen:
jn. in (die) h. bringen
(mehrfach)
/ liefern / nemen / setzen / ziehen, jn. in der h. behalten
;
in h. des abtes
;
die fängliche h
.
Wortbildungen:
haftbot
›Verhängung der Haft‹ (a. 1610),
haftbrief
2 ›Haftbefehl‹ (dazu bdv.: ; a. 1556f.),
hafthaben
›jn. festnehmen‹,
häftig
4 ›zur Verhaftung eines Täters führend‹ (14. Jh.),
haftsrecht
(a. 1591).

Belegblock:

v. Bunge, Livl. UB
4, 356, 12
(
nrddt.
,
1390
/
1410
):
do wart hir en juncman, [...], angeklaget, und hir in de hechte gesat.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Gefangen. Es ist gefengklich verwart / eingezogen. Jn hafft genommen. Zu handen vnd hafft gebracht.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
Der richter vrogete, wer der man were, der desen in dy haffte brocht hette.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
ist Heinrich Stecher des auf fluchtigem fuß becreftigt, zu recht bestalt und in beheltnus und hefte bracht worden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1526
):
den- o. dieselben täter bis auf des richters zuekonft [...], hafthaben u. verhueten sollen.
Piirainen, Stadtr. Sillein
92v, 14
(
sslow. inseldt.
,
1378
):
der sol yn behalden in so getaner hafte daz er ym icht entlauͤfe.
Küther, UB Frauensee
325, 6
;
Köbler, Stattr. Fryburg ;
Rennefahrt, Zivilr. Bern ;
Haltaus
773
;
8.
›Kern, Kernstück e. S., Inbegriff, zentraler, wichtigster Punkt, von dem aus sich alles ergibt‹; auch: ›der wunde Punkt, der eigentliche Streitfall, die Verwicklung‹.
Phraseme:
es ist am haftknopf
›es geht um den Kern der Sache‹ (a. 1526).
Bedeutungsverwandte:
 1,  6,
1
 1.

Belegblock:

Fischer, Folz. Reimp.
22, 48
(
Nürnb.
1483
):
Darum besassen sie [Die teüfflisch schar] mit crafft | Der fürsten herczen in dem hafft, | Die cristen zu martern.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
das der haft der pawrschaft halben allain daran lige.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1445
):
wenn das ze schulden kumpt, gegen den von Bern und von Thun oder wo denn der haft lit.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der Hafft einer sach / Der fürnembst artickel darauff die red tringt. [...]. Der raͤcht hafft oder stich einer red. [...] Daran ligt der raͤcht Hafft oder punct / oder der gantz handel. [...] Der groͤst Hafft der sach ligt am zeügen.
Niewöhner, Teichner
329, 19
(
moobd.
,
1360
/
70
):
So izz ein sel und ein leben | aller chreatur haft.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
das der brech noch haft nit an unserm gnädigen herren noch an seiner lantschaft gewesen sei.
9.
steht mit
genitivus explicativus
oder Adjektivattribut für den Inhalt des Genitivs/Attributes; teils mit Anschlußmöglichkeit an 8 i. S. v. ›Kern, Inbegriff‹, teils abgeschwächt.
Gehäuft Verstexte religiösen und didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
h. der seligkeit, der eren / sälden, der vernunft / weisheit, des lebens, der sünden h.
;
die eheliche h
.

Belegblock:

Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
der selbe sider | Als ein lew, der eren haft, | Uf von sines selbes craft | Erstunt an dem dritten tag.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1527
):
sie sollen aber
den kilchgang zuͦ bestaͤttung eeliches haffts volbringen.
Adomatis u. a., J. Murer. Ufferst.
27
(
Basel
1567
):
Das ist der hafft der seligkeyt | voll gnaden und barmhertzigkeyt.
Niewöhner, Teichner
2, 28
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
so ist daz dez rechtes chraft: | stirbt er in ainer sunden haft, | so ist er gotez anplikch frey.
Ebd.
441, 63
:
wann dw sel ir strazzen schiet | als ee vor pey lebens haft, | dez ist nicht.
Kochendörffer, a. a. O. ;
Karsten, Md. Paraphr. Hiob ; ;
Niewöhner, a. a. O.
417, 24
.
Vgl. ferner s. v. .