grim,
der
;
-s/–
;
hier wird Zusammenfall der etymologisch ursprünglich getrennten Sippe von
grim-
mit der Sippe von
krim-
(vgl. ahd.
krimman
›mit den Krallen packen‹
;
Splett, Ahd. Wb.
1, 1, 485
) angesetzt, da bereits im
Mhd.
gr-
und
kr-
wechseln () und Volksetymologie im Spiel ist (vgl. zum Problem
Kluge/S.
1995, 338
und );
semantisch sind beide Wortsippen teils ohne Schwierigkeiten trennbar, teils verwischen sie sich.
1.
›Wut, Zorn (als plötzlich auftauchende Gefühlsregung); Kampfeslust‹; ›Rache; Rachegefühl‹; speziell: ›das Toben, Eifern aus Wut; Gewalt‹; offen zu 2.
Bedeutungsverwandte:
, , , , ; vgl. (
der
).
Wortbildungen:
grimgrösse
,
grimmede
,
grimmental
,
grimmenzorn
, ˹
grimmesglut
,
grimmeshitze
˺ ›Zornesröte‹,
grimsucht
›Zorn‹.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
Herr, züchtige mich nicht, | wenn dir die Grimmesglut aus Mund und Augen bricht.
Ebd. (
1632
):
Er glüt für Grimmeshitzen, | darmit sein Vater brennt und wir stets schüren zu.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Iracvndia. Zorn zoͤrnigkeit grimm vnwuͤrßheit vnwirse grimgroͤsse zuͤrnung grollschaft.
Luther, WA (
1544
):
da wider der Teufel teglich fichtet und tobet in der Welt mit wuͤtigem zorn und grim.
Ebd. (
1528
):
wenn sie gleich fur grim und zorn bersten solten.
Nu sitzen hie zu die Lutherisschen noch stille und muͤssen verdampt sein und alle stunde gewarten des gantzen Reichs grim und gewalt, und sind gleichwol auffruͤrisch.
Ebd. (
1534
):
lauff nicht yns grimmental, sed mane hic jnn Gottesstand.
Ebd. (
1541
):
[Himelischer Vater] straffe du uns selbs nach deiner gnaden und nicht noch deinem grim.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
105, 1939
(
Magdeb.
1608
):
Jnd Scheun ghoͤrt Hew / in Bawren Ruben / | Sprach Gutkeß / in eim zorn vnd grim.
Ebd.
671, 5163
:
Als sein gebluͤth ins Heupt auff tratt / | Das er zuvor in Fuͤssen hatt / | Fuͤr bittern zorn vnd grossem grimm.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
herre, war umbe zürnet dîn grimmede wider dîn volk?
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
[ein wazzer] machet sine grimme zam. | ditz wazzer ist der ruwe stam.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1582
):
Sein grimmenzorn in kurtzer frist | Auff Jsrael angangen ist.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
51, 3
(
omd.
,
1487
):
Vnd alßo Jn seinem grÿm das hawß vf stúcken geworffen. Sich selber mitt vill andern menschen irslagen.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
die Pfeile des Allmaͤchtigen stekken in mir / sein Grim͂ saͤufft meinen Geist aus.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
12, 39
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Darumb ficht er [tewffel] den menschen an czuforderst mit czorn, mit grymme, mit haß, mit neyd, mit aller sewerkeit und pitterkeit.
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Nach dem der spieler gieng zu hauß, | Sah sawer wie ein tauffte mauß, | [...] | Die grimsucht het ihn gar besessen.
Trunz, Meyfart. Rhet.
1, 20, 21
(
Coburg
1634
):
Als Alexander diese Wort ausgeredet / ist er mit zornigem Grim͂ von dem Thron herab gesprungen.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
Betetend abermal dri Paternoster [...]; wuschtend do mit grossem grim uf, und liefend wie die wietenden loͤwen durch den wald.
wo si mit witerem grim nit zů rach en zint, aber mit guͤte als redlich kriegsvolk im unfal ergriffen angesůcht, wurdids in sinen [...] truͤwen dienst wider kommen.
Wunderlich, Fierrabr.
86, 8
(
Simmern
1533
):
entegen die ranten die Cristen mitt grimb an / vnd also hefftigklich / das [...].
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
bis zu letzst die Teutschen durch die guoten speis und drank in irem grimen gemültert [...] haben.
Anderson u. a., Flugschrr.
2, 14, 36
([
Augsb.
]
1523
):
die vngestümikayt / vñ d’ grim͂ der herlichen vnwyrsigkayt wirt kom͂e͂ über dz haupt der gotloße͂.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 44, 13
([
Augsb.
]
1548
):
Ain linde antwort stillet den zorn / aber ain hart wort richtet grimm an.
Ebd.
2, 184, 31
:
Des Küniges grimm ist ain botte des Todes.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Der [cardinal] lies sich tragen fur die porten, darin der babst das cappittl het und klockt mit grimen an.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
57, 1
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Er schlueg nach im mit grimme | unnd wolt in han erschlagen.
Munz, Füetrer. Persibein
134, 6
(
moobd.
,
1478
/
84
):
er schuempt vor / grimm gleich wie ain per.
ders. Hl. Schrifft.
1. Mose 27, 44
;
49, 7
;
Thiele, Minner. II,
32, 911
;
Kehrein, a. a. O. ; ;
Gille u. a., M. Beheim
65, 12
;
Wyss, Luz. Ostersp.
714
;
Klein, Oswald
23, 39
;
Vgl. ferner s. v.  2,  2,  12.
2.
›Bosheit, Aggressivität, Jähzorn, Grausamkeit (als Eigenschaft); Sünde‹; als Metonymie: ›verbrecherische Tat‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
O wer kan dißen grym des teuffels
[Papsts]
mit seym gottloßen verfluchten gesetz, welchs ßo vill seelen verterbet, gnugsam bedencken?
Jnn solcher seiner marter hat er [Stephanus] seinen gaist ynn die hende seines Herren Christi befolhen unnd seiner feinde grymm und verstocktes hertz nicht angesehen, sondern hat fur sie gebeten.
Ebd. (
1528
):
dominus’ hat mein grim gewendet’.
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
196, 26
(
wmd.
,
1634
):
Da nun Abends in dem Garten | Daphnis vberfallen war, | Vnd nun keinen Grimmen sparten | Starck bewehrte MörderSchaar.
Perez, Dietzin
1, 41, 9
(
Frankf.
1626
):
Der Loͤw bringt alles / was er antrifft / durch seinen Grimm vnnd Zorn vmbs Leben.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wen ich nie der dinge dort | Begienc, die sie han geseit | Uf mich und uz geleit | Boslich in irme grimme.
Neumann, Rothe. Keuschh.
4957
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
unnd der wolff benymmet ym sin stymme mit sime naturllichen grimme.
Pyritz, Minneburg
5072
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Wann mich hat in starkem grymme | In sinen clowen ein mechtig ar.
Dietrich. Summaria
18r, 16
(
Nürnb.
1578
):
Derhalben sollen wir vns sein mehr troͤsten / denn vns des Teufels macht vnnd grim͂ schrecken kan.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
18
):
[meine Brüder] seind all Grims vnd Zorns gar vol | Vnd stecken auch voller Ehrgeitz.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Sú schlogent und stiessent in [Jesus] | [...] | Vil múrdeklichen und mit grim.
Anderson u. a., Flugschrr.
29, 10, 5
([
Augsb.
]
1524
):
Alle bitterkait vnd grim͂ / vnd zorn / vñ geschray vnd lesterung sey ferr von euch.
Vgl. ferner s. v.  2.
3.
›Gnadenlosigkeit, Erbarmungslosigkeit, Brutalität (vom Tod)‹.

Belegblock:

Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
ehe die Natur dich fordert / stellet dich des unbedachtsamen Todes Grimm an den Port.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Wann In bezwang des todes grym͂.
4.
›Pein, Schmerz‹; ütr.: ›Bauchkrämpfe, Krankheit im Magen-Darmbereich‹.
Zur Synonymik von ,Bauchweh‘ in den rezenten Mundarten s.
Dwa
4
, K. ,Bauchweh‘.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
41, 21
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die uncreftlich | warn alle sam | mit manchem sichtum, grim | Und pein und mie | pegriffen hie.
Ebd.
160, 5
:
du lebentige fruchte. | Du speisest fur des hungers grim.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
E. 15.
/
A. 16. Jh.
):
da hieb er im den arm gantz ab und durch das haubt, das er in dem weetag und grimen herab lief die stiegen und viel nider und starb.
Sachs (
Nürnb.
1564
):
Wann zu vil fressen machet kranck, | Ein unsettiger fraß (vernimm!) | Der kriegete darvon den grimm.
Ebd. (
1563
):
Gar mancherley schwere kranckheit, | Fiber, schwindsucht, grim, ziperlein.
Bartsch, Reinfrid (
halem.
, Hs.
14. Jh.
):
sîn vil strengen wunden | wuohsen tegelîche. | er leit sô bitterlîche | nôt mit sender grimme | daz er mit lûter stimme | schrei.
Lemmer, Brant. Narrensch.
85, 32
(
Basel
1494
):
Dann wellen er [der dot] begrifft [...] | [...] | Den lert er gar eyn setzen sprüng | Den ich billich den dotsprung heiß | Das eym vß dringt kalt / grym / vñ sweiß | Vñ streckt / vñ krymbt sich / wie ein wurm.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
des wolfes pluot und auch sein mist guot sein für den grimmen in dem leib, den man haizt die permuoter und haizt ze latein colica.
Eis u. a., G. v. Lebenstein
46, 1
(
oobd.
,
1. V. 15. Jh.
):
Wer den grjmmen in dem pauch hab, der trinck das wasser.
Deinhardt, Ross Artzney
167
(
oobd.
,
1598
):
Für die grimen im gederme Nimb ain schaff vol milch, [...] gibs dem pferdt zutrinckhen. So vergeht im der grim vnnd wirdt gesundt.
5.
›von Gott zur Vernichtung des Feindes hervorgerufener Windgeist, heftiger Wind, Sturm‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1524
):
Geist und Wind heisset ein ding bey den Hebreern. Er lies einen Grim komen oder schnaubete einmal, da sahe ich deine krafft und gewalt, so alle die stercke und macht der Egypter [...] hat vertilget.