gnaden,
V.
1.
›jm. seine Gunst, Huld erweisen; sich js. (z. B. des Sünders) erbarmen, mit jm. Mitleid haben (jeweils von Gott gesagt)‹; speziell: ›jm. die Sünde vergeben‹; auch als Drohformel sowie als formelhafte Wendung
got gnade jm
. nach Nennung eines Toten, dann im Sinne von: ›Gott hab ihn selig‹;
vgl.  14.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
):
so hilff und gnade uns, lieber vater. Gib uns vor allen dingen ein rechten bestendigen glauben in Christo.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 1, 11
(Hs. ˹
md.
,
M. 14. Jh.
˺):
warer got gedriet, | din ewicheit genade mir.
Ebd.
8, 26, 18
:
genade im, süze trinitat, | [...] | ich meine Conrat, | den helt von Wirzeburc.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Mainz
,
1605
):
Erbarm dich vnser o Herre Gott, | Und gnade vns in aller noht.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
32, 31
(
omd.
,
1487
):
Szo es eÿm manne darzcu kompt (vornÿm das, das er solch weÿp hatt) als dan gnade Jm gott.
Küther, UB Frauensee
161, 11
(
thür.
,
1369
):
Johansis unsirs brudir Apeln kinder, dem Got gnade.
Eggers, Psalter
52, 6
(
thür.
,
1378
):
Durch dinene namen here, gnades dv minen sunden.
Ebd.
56, 3
:
Abir ich ben vnschuldig ingegen; erlose mich vñ gnade mir.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
66, 34
(
thür.
,
1474
):
wir habin Hanßen von Obirnitcz, deme god gnade, unde Heinrich [...] daz sloß [...] vorkoufft.
Sachs (
Nürnb.
1553
):
Ey, ey, es was ein fein person | Die götter wöllen im genaden.
Ebd. (
1559
):
Gott wöll in jener welt im gnaden, | Und den jungn fürstn behütn vor schaden!
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
18
):
Ich wolt viel lieber Stein tragen, | Dann nemen ein alten kartzer, | Ein kreister vnd Gseßleinfartzer, | Ein reisperer vnd Gnad-dir-Gott.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Owe, du morderin! Dar umbe adi, ade, got genade dir hút und ieme me!
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wenne si widerwärtichait habent, sô kêrent si sich ze got mit vlêhen und mit piten und hoffent, daz in got genâde.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Nu gnad im got durich seinen tot | Daz er di sel vor aller not | Wewar.
Hör, Urk. St. Veit
71, 5
(
moobd.
,
1351
):
wan her Magens, dem got genad, ein guͤt hinder im lazzen hat.
Valli, Baldemann
280
;
Wyss, Limb. Chron. U ;
Grosch u. a., a. a. O.
178, 36
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Sappler, H. Kaufringer
1, 330
;
Klein, Oswald
2, 40
;
Primisser, Suchenwirt ;
2.
›jm. wohlgesonnen sein; jm. seine Gunst erweisen (vom Menschen gesagt)‹;
zu  9.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1557
):
Vor solchem undanckbaren gschlecht, | Von dem nur kombt spot, schand und schaden, | Den sol ein weiß mann nit genaden, | Sonder ir müssig gehn allzeit.
Klein, Oswald
18, 55
(
oobd.
,
1416
):
[ich] dient zu willen ainer frauen, des ich hil, | die wolt mein nie genaden ainer nussen vil.
Adomatis u. a., J. Murer. Hest.
1066
.
3.
›Erbarmen, Mitleid mit jm. haben (im Unterschied zu 1 vom Menschen gesagt)‹; speziell: ›jn. verschonen; jn. begnadigen, jm. eine Strafe nachlassen‹;
vgl.  1112.

Belegblock:

Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
147, 25
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Lieber herre erbarmet uch myn / vnd gnadent mir myns libes / dann es mochte die zyt kommen / das ir myn wol bedorffent.
Ebd.
169, 3
:
Lieber herre gnadent mir / Dann er meynt / es were eyner / der yne wölde doden.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
gnadet mir des libes, gnedige frowe!
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
des ward der rat gewar hie und verprant ir fünf, die andern gnadet man.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Her, du genad mich.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Diser Tyberius erslueg all teutsch fürsten und genadet der kainem.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
31, 29
(
mslow. inseldt.
,
1534
):
[Hans Stiml] het śollen durch Göttlich vnnd Weltlich Recht, am leben geśtrafft werden, doch in anśehen göttlicher barmhertzigkeit [...] Iśt auf heütigen tag des lebens mit nachfolgen condicion vnd vnterśchaidn gegnadt worden.
4.
›jn. mit einem Recht, Privileg ausstatten‹;
zu  10.

Belegblock:

Toeppen, Ständetage Preußen
4, 155, 17
(
preuß.
,
1453
):
Und hat darauff geantwurt, das wir die ritterschafft und stett von solichs geschosz wegen inn sunderhait gefreyet und gnadent haben.
5.
›Dank sagen‹;
offen zu 6; vgl.  8.

Belegblock:

Bächtold, H. Salat (
Freiburg
,
1537
):
Von gedachts buren rat [...] ward Nicolaus der fromm bewegt, gieng in sich selbs, gnadet und danket dem buren siner gůttat und früntlichen meinung.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
hat der kuͤng [...] inen frůntlich gnadet und urlob geben.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
Do Rengnold die mere vernam, do sprang er uff von fröuden und gnadet den buoben.
Wyss, Luz. Ostersp.
724
(
Luzern
1583
):
Ach vatter, gnad mir der můtter min! | Danck ir für mich, vmb das sy hatt | Vil surer arbeitt [...] | Mitt mir geheptt.
Gereke, Seifrits Alex.
3557
(
oobd.
, Hs.
1466
):
sy gnadten im gar ser.
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 354
.
6.
›Abschied nehmen (häufig in Bezug auf den endgültigen Abschied vor dem Tod)‹; auch verkürzt zur Interjektion des Abschieds:
gnad
; auch ütr.;
vgl.  17.
Bedeutungsverwandte:
 1.
Syntagmen:
jm.
(z. B.
dem bapsttum / herren, dem heiligen land, der erde / fraue / freude
)
g., jm. mit worten g.; zu jm. g
.

Belegblock:

Schade, Sat. u. Pasqu. (
um 1520
/
30
):
wolan gnad herr, ir lieben herrn! ich arms beuerlein ich far darvon. alde, alde!
Schib, H. Stockar
1, 11
(
halem.
,
1519
):
Uff den dag gnadett ich dem halgen land und dem fatter gardion.
Adomatis u. a., J. Murer. Ufferst.
1579
(
Basel
1567
):
Der eerenbietung danck ich beiden | ich aber wird jetz von üch scheiden | Will üch hiemit ouch gnadet han.
Kottinger, Ruffs Adam (
Zürich
1550
):
das Kain und ’s wyb sind darvon, | keins iren nit zuo uns ist kon, | das uns hett gnadet, d’ ursach g’sagt, | wär sy vertriben hett.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
Piloys gnadet der frawen, und hůb sich aus Curnewelischen landen.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
haben derhalben ainandern gnadet und mit gutem willen von ainander geschiden.
Als der [Hundt] sahe sein herren in seinem grösten anligen und schmerzen und ime graf Johan [...] mit worten gnadet, [...] als ob er die wort verstanden oder seinen todt wiste, wolte er lenger nit bleiben.
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
3050
;
Fuchs, Murner. Geuchmat
5411
;
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 284
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;