1.
›glatt, eben‹, von der Oberfläche konkreter Bezugsgegenstände gesagt, wie sie (seltener:) von Natur aus beschaffen oder (meist:) durch gezielte Arbeit (z. B. durch
,
1,
,
1,
,
1) gestaltet sind und dadurch ästhetischen Ansprüchen / Formschönheit genügen und / oder bestimmte Zwecke (Funktionalität) erfüllen, insofern Öffnung in verschiedene Richtungen, z. B. zu ›fein (von Tuchen)‹; ›eben (von Wegen)‹; ›schön (von Ziergegenständen)‹; ›glänzend (von Erz)‹; auch ›bartlos (vom Gesicht)‹; ütr.: ›angemessen, recht, genehm (vom Evangelium)‹.
Phraseme:
der glatte balke
ein Tragebalken im Fachwerkhaus;
einen glatten pfennig in einer heissen asche finden
(s. u.
).
Bedeutungsverwandte:
1
1,
,
,
(Adj.)
1,
(Adj.)
1,
,
2,
7,
(Adj.)
1,
(›angemeßen‹),
,
.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
holz, der weg / beschlag
)
g. sein, etw
. (z. B.
der weg, das fel des schildes
)
g. werden
;
(etw.) g. wetzen, etw. g., auf das glätteste machen
;
der glatte atlas / becher / spiegel / stein, das glatte beingewand / beinlein
›Messer aus Knochen‹
/ har / holz / horn / tuch / schaf / treide
›Getreide ohne Spelzen‹ (reich belegt im
),
die glatte artischocke / büchse / flasche / form / tenne
; nachgestellt:
das heft glat, die säule glat
(im Gegensatz zu
, Adj.),
der topas glat versezt, die albe / kutte glat als [...]
.
Wortbildungen:
eine Binsenart,
1 ›Glättung‹ (als Handlung; damit auch zu
glätten
1 stellbar) sowie als Handlungsergebnis: ›Glätte, Glattheit‹; wohl auch mit Öffnung zu ›Schönheit e. P.‹ (damit auch zu
2 stellbar),
(im Unterschied zu
raufelge
): ›glattgepflügter, geebneter Boden‹ (a. 1499),
›Zeit des Felgens‹ (a. 1594),
(s. u.
Maaler
),
›als Bügelunterlage dienender glatter Stein‹ (a. 1590),
.
Belegblock:
Leuigatum. Glatt geglättet gehoͤblet ¶ lindt sanfft weich milt gemiet.
Weiter wird die Archa gemacht von glaten und gehofelten thennen holtz. [...]: das sie [tugend] [...] ist wie ein fein schlecht glat holtz, das on este ist.
Ders. Hl. Schrifft.
Jes. 57, 6
(
Wittenb.
1545
):
Dein
[
... falsche Rotte ...
, Marg.]
wesen ist an den glatten Bachsteinen / [...] / den selbigen schüttestu dein Tranckopffer.
jre Füsse [...] glinzeten / wie ein hell glat
gluendis
poliert
helles
]
ertz.
meerbintzen / glattbintzen / handbintzen.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
18, 9
(
Frankf./M.
1568
):
Denn henck ichs auff / laß drucken wern / | Schneweiß vnd glatt / so hat mans gern.
Die BuͤchsenRor die mach ich mit / | Kurtz vnd lang / Eysern / starck vnd fest / | Außbort / auff das gltettest
[sic !]
vnd best.
Schmidt, Frankf. Zunfturk.
(
hess.
,
E. 16. Jh.
):
allerlei sorten und gattungen der burschidt, die seien raw, glat oder schlecht.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
107, 10
(
osächs.
,
1570
/
7
):
so lüfte die rinden unter dem obern querschnitt mit einem glatten beinlein auf beiden seiten von dem holze
[bei der Veredelung von Bäumen].
Glatter im angesicht. glabilis. od’ kaler.
glatter Balcke / darauff die obere buͤne ligtt.
Vetter, Pred. Taulers
(
els.
,
1359
):
do ein glat tenne ist, do endarf man nút denne das man mit einem vederwúsche hie úber var.
Thiele, Minner. II,
13, 318
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
wa zwen blinden | in einer heissen aschen | ein glatten pfennig vinden, | von den so hebet sich ein michel daschen.
Kurz, Murner. Luth. Narr
(
Straßb.
1522
):
Wan ir [pfaffen] kasten ist gefült | [...] | Dan ist das ewangelium recht, | Wol verstanden glat vnd schlecht.
Roloff, Brant. Tsp.
59
(
Straßb.
1554
):
Der ander [weg] ist glat / lustig und weyt | Dann er vil gebraucht würt allzeyt.
Glatt vnnd eben / Lieblich an zeruͤren. [...]. Glatt / wie ein ey. [...]. Glatt angesicht [...] / Nit bartaͤchtig. Ora læuia. [...]. Glaͤtte (die) schoͤne / sauberkeit. Nitor, Læuitas. [...]. Glatthobel / Mit dem die arbeit außgemacht wirt / Dem ist zuͦgegen der haarer / schürpffer oder rauchhobel.
Glette (die) Fleyssige außbutzung oder außpolierung. Politura, Nitor, Splendor.
jre Sebel waren maistthails beschlagen / mit lang verguldten beschlaͤgen / welche glatt / vnd so glantzend / wie [...].
Glatte Schaafe / welche die Wolle fallen lassen. [...]. Glatt geschliffen ist baldt gewetzt.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
643
(
oobd.
,
1607
/
11
):
stab daran man geht, [...], oben der knopf mit schönen türckessen und topasien glatt versetzt.
Bauer u. a., a. a. O.
63
;
270
;
1298
;
‒
Vgl. ferner s. v.
,
1
,
.
2.
›glatt, gepflegt, der Schönheits- und Gesundheitsvorstellung entsprechend; ohne Falten‹, von Körpereigenschaften gesagt, teils mit negativer Wertung; in verschiedenen Richtungen ütr., dann z. B.: ›fehlerfrei, kunstgemäß (vom Singen)‹; ›sanftmütig (vom Christen)‹.
Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
einen glatten balg ziehen
o. ä. ›es sich gut gehen lassen‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):
,
(Adj.),
(Adj.)
1;
2;
6,
(Adj.)
1,
,
3,
(Adj.)
1,
(Adj.),
(Adj.)
5,
,
,
.
Syntagmen:
g. singen, das antliz, die haut g. machen
;
j. (um die backen, von leib) g. sein
;
der glatte balg, die glatte backe / haut, das glatte antliz
, nachgestellt:
das bäuchlein glat, die augbrauen glat als [...]
.
Belegblock:
wenß gleych eyttel hubsche, glatte, junge metzle
›Mädchen‹
weren.
die Barmhertzikeit gottes macht den menschen fein gladt, nicht rauch, sunder senfftmutig.
also macht oͤle den leib auswendig huͤbsch, gelenck, glat und geschikt.
Rahel aber ist ein huͤbsche, glate metz und vollig gewesen.
lecke dich, lebes ketzlein mit dem glatten balg und scharpffen klawen.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Mose 27, 11
(
Wittenb.
1545
):
Esau ist rauch / vnd ich glat
slecht
lind
].
das antzlitz do mit gestrichen benympt die geschwern vñ hitzigen blatern vnd macht das anzlitz schön vnd glat.
Neumann, Rothe. Keuschh.
4276
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
das die wilden thir | vil schoner sint unnd vil mer zir | unnd haben vil gleter hute unnd vel.
Gille u. a., M. Beheim
268, 70
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Zwai brustlin als zwa piren, | ain peuchlin glat und ran.
Bell, G. Hager
433, 4, 7
(
nobd.
,
1594
):
auch Das man weis für ware, | wenn einer glat thut singen.
Vizkelety, Spangenberg. Glücksw.
86
(
Nürnb.
1613
):
Ich hab kein Kranckheit nie gehatt: | Am Leib bin ich gesund und glatt.
Anderson u. a., Flugschrr.
30, 6, 19
([
Straßb.
1522
]):
ir sehent woll wie der münch also gladt ist vmb die backen das in ewer fraw nit lieber gewen dan euch.
Bächtold, N. Manuel. Elsli
280, 622
(
Basel
1530
):
Ir ougbröwli brun, glatt und fin, | Als söltend sie scharpf gmalet sin.
Einen glatten Balg ziehen / guͦt laͤben haben / Fleyssig dem leyb warten. Curare cutem.
Er tragt ein Glatten balg / Er laßt jm selber kein mangel.
Weißheit find man ehe vnter runtzeln / als vnter glatten backen.
Katzen haben ein glatten balg / vñ scharffe klawe͂.
3.
›hintergründig falsch, dem äußeren Anschein nicht entsprechend, verworfen, anrüchig, aalglatt, schmeichlerisch, heuchlerisch (von Personen)‹; ütr. auch von Sachen (z. B.
wein
).
Phraseme:
nicht mer sehen, den wie glat jm. der schuh anliegt
›vom guten Sitz des Schuhes falsch auf js. Wohlbefinden schließen‹.
Bedeutungsverwandte:
,
2,
,
(Adj.)
2,
3;
4,
5;
9,
,
,
,
.
Syntagmen:
g. eingehen, g. streichen
›verfänglich schmeicheln‹;
js. mund / zunge g. sein, j. glätter sein den butter
;
der glatte schafpelz, das glatte glük / maul / weib, glatte worte
(häufig); subst.:
die glatten
(Akk.obj.)
watten
.
Wortbildungen:
,
2,
›schmeicheln‹ (a. 1546).
Belegblock:
yderman sihet nit mehr, denn wie gladt eynem andernn der schuch anligt, sihet aber nicht, wo er yhn druckt.
so reist der teufel ein mit seim glatten predigen.
Weiber aber haben glate meuler, also auch die heuchelprediger.
Ders. Hl. Schrifft.
Ps. 55, 22
(
Wittenb.
1545
):
Jr Mund ist gletter
senffter
]
denn butter / vnd haben doch Krieg im sinn.
Er [Wein] gehet glat
senft
]
ein. Aber [...].
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe
(
Wolfenb.
1593
):
ein Kerl, der ist seines Handtwercks ein Kürßner, Der hat ein Auge, Vnd hat gar ein glatt Weib Vnd dieselbe ist eine arge Huer.
Glat vnd hal od’ schlipferig Lubricus.
Glatter glipff riger lasterper vnrainer. lubricus media correpta. i. ad mala labilis vel pronus.
Fuchs, Murner. Geuchmat
109
(
Basel
1519
):
Nun kummen sy yetz wider har | Mit glatten worten.
Kurz, Murner. Luth. Narr
(
Straßb.
1522
):
[Wir] künnen vnsere lügen fidern, | Schleiffen, gletten vnd ballieren.
Päpke, Marienl. Wernher
(
halem.
,
v. 1382
):
die múesigen, die glatten | beginnen tuͦt er [tiefel] watten | mit haimlichem getúsche.
Adomatis u. a., J. Murer. J. Man. Spieg.
149
(
Zürich
1560
):
Es wonet hie in diser statt | ein Edelmann rych jung unnd glatt.
Wer nit kan strychen haͤl und glatt | der selb sin teil da unden hatt.
Glaͤttling (der) der sich freündtlich vnnd lieblich gegen der waͤlt erzeigt / damit vñ er jm selbs ein gunst schoͤpffe. Charitonius, Palpator, Blandus.
Gletter dann ein weyb. Læuior fœmina.
Glatt / falsch / verkehrt.
Du wirst mich feißt / glatt vnd wolgeschaffen finden. [...]. Dem glatten gluͤck trawe nicht zu vil. [...]. Je glatter Maul / je fauler Ars. [...]. Hohe Empter seind ein schlippferiger glatter Ort. [...]. Vnter einem glatten Schaafpeltz ein Wolff. [...]. Glatte wort / zierliche geblüemte wort / schmeichlerey.
Gille u. a., M. Beheim
52b, 27
;
‒
Vgl. ferner s. v.
2,
,
.