gewaltsame,
die
;
-Ø/–
;
seltener:
gewaltsam,
der
;
-s/–
;
beide Formen u. a. wegen der obd. Apokope oft nicht voneinander trennbar. – ff.
1.
›Herrschaft, obrigkeitliche Kontrolle (z. B. über eine Stadt); Rechte, herrschaftskonforme Befugnisse, Verfügungsgewalt, Einnahmerechte einer Herrschaft, einer herrschaftlichen Person oder einer Privatperson über eine andere Person oder über Sachen‹; speziell: ›Rechtsbefugnisse der Eltern oder ihrer Vertreter über die Kinder‹; als Metonymie: ›Gebiet, über das man Rechtsbefugnisse ausübt‹;
vgl. (
der
56.
Obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
(
die
1,  5,  4,  1, (
das
616, ; zur Metonymie:
1
 2.
Syntagmen:
g. (über jn.) haben, jm. eine g. vorbehalten
;
die g. der herschaft zugehören, jm. zustehen, des gotteshauses sein, jm. von got gegeben sein
;
sich der g. verzeihen
;
bei einer g. bleiben, in js. g. sein, jn. zu einer g. bringen, jn. / etw. in / unter seine g. bringen / nemen, dem keiser jn. in seiner g. lassen, etw. mit seiner g. confirmieren, etw. mit aller g. entschlagen, etw
. (z. B.
eine stat
)
mit aller g. zu handen haben
.

Belegblock:

Köbler, Ref. Nürnberg
221, 7
(
Nürnb.
1484
):
die Kinder. soͤne od’ Toͤchter die nochmaln Jn gepurlicher gewalltsam vnnd versehung Jrer leiplichen vater. muter. oder Jrer vormu͂d vnbestat steen.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
als si [...] daruf gestudiert haben, wie si dieselbe stat Múlhusen [...] under ir gewaltsami bringen mochten.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1370
):
also daz uͥnser ieclicher ... in siner gewaltsami und gebiete den andern teile [...] an sinem libe und guͦte [...] schirmen und fristen sol.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1430
):
soͤliche gewaltsami [schaff uff die alment ze triben] aber allein der herrschaft und nit der gebursami zuͦ gehoͤren soͤll.
Welti, Urk. Rheinfelden
267, 11
(
halem.
,
1451
):
darzuͦ hab der durhleuht furst, [...], die stat mit aller gewaltsamy, renten, nütz vnd veͣllen zu siner gnaden handen.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
WElchem varende pfand als silbergeschir / kleinotter / betgewand / [...] / ingesetzt werden / die sol vnd mag ein yeder in sin gewaltsam ne͂men / vñ an sin nagel hencke͂.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
die von Liechtenstain behyelten in khainen gewalltsam vor, dan notturfft auff sich und etlich diener.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1585
):
damit er komb und dieselbig [malleficzische person] von dem urbar gefenklich wie sie mit gürtl umbfangen zu seiner gewaltsam bring.
Ebd. (
1462
, Hs.
1644
):
in dem allem sollen die zwen [burger] gewaltsam haben, [...] das alles [...] zu bedenken und ze handln getreulich.
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Müller, Alte Landsch. St. Gallen ; ;
Boos, UB Aarau ;
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
240, 24
;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Grossmann, a. a. O. ;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
62, 26
;
2.
›Vollmacht, Handlungsauftrag‹; als Metonymie: ›Dokument mit der Vollmacht‹;
vgl. (
der
7.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  1.
Syntagmen:
die g. zusenden, auf sich nemen
, [wohin]
schicken / senden
;
jn. mit g. verfertigen
›wohin schicken‹;
die g. des herren
;
die genugsame g
.

Belegblock:

Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
der sachen wurden zu sendtpotten erwelt und erpetten der Durrer, [...] und Gandolf von Kyenburg; die wurden von dem lanndt verfertigt mit zerung und gewaltsam.
3.
›Gewalttat, Nötigung, Zwang; Machenschaften‹;
vgl. (
der
9.
Nobd. / wobd.; berichtende Texte.
Bedeutungsverwandte:
,  1, , .
Syntagmen:
g. erleiden, eine g. vermerken
;
g
. (Subj.)
jm. folgen, jm. angelegen sein
;
sich einer g. unterstehen
;
die deutsche / erlittene / lautere / unfreundliche g
.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
dieweyl sich der pawrn diser gewaltsam understanden hetten, die orden und ander hewser hie [...] zu besuchen und zu plundern.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
von ursach wegen, das si lange zit dahar von der herschaft Oesterich, [...] mengerlei unzimlicheit und gewaltsami erlitten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1550
):
daß den leuten zuͤvor in iren heusern großer schaden, gewaltsame und böse bezalung gefolgt.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
hat bemelter bapst Innocentius, dem dise deutsche gewaltsame hoch angelegen, sollich gescheft magistro Felino de Sandes, [...], bevolchen.
Ebd. (
M. 16. Jh.
):
haben iedoch das mit irer grossen importunitet und gewaltsame, [...] biss anhere erhalten.
4.
›Besitz, tatsächliche Verfügung über etw. oder jn. (letzteres seltener)‹;
zu (
der
10.
Meist wobd. / oobd.
Bedeutungsverwandte:
1
(
die
12.
Syntagmen:
j. / etw
. (z. B.
ein haus
)
in js. g. kommen, etw
. (z. B.
einen brief, gut
)
in / zu js. g. bringen, jm. etw. zu seiner g. stellen
;
die g. der stat, des landes / schlosses, der leute
, jeweils genitivus objectivus.

Belegblock:

Welti, Urk. Rheinfelden
372, 7
(
halem.
,
1471
):
wie du sein aigen frey vnd ledigs guͦt, [...] an dich erkauft vnd zuͦ deiner gewaltsame gebracht haben sollest.
Edlib. Chron. (
ohalem.
,
um 1500
):
dz [...] wir zu unsser gewer vnd gewaltsami der optgenanten stet schloss land vnd lüt kommen mugent.
Uhlirz, Qu. Wien (
moobd.
,
1459
):
Haus,
das mit kauff von dem Fügenstaler in sein gewaltsam komen ist.
Bauer, Imitatio Haller
46, 3
(
tir.
,
1466
):
Der mensch der würt souil mer pekchummert vnd petruebt, souil vnd er mer guetes in sein gewaltsam pringt.
Köbler, Ref. Wormbs
78, 14
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. .