gewönlich,
Adj.
1.
›dem Herkommen, sozialen Brauch, der Gewohnheit entsprechend, gesellschaftlich, sozial eingespielt und daher als regelhaft anerkannt, Erwartbarkeit sicherstellend, üblich, zeichenhaft für eine Ordnung stehend‹; mit letzterem tendenziell auch: ›gewohnheitsrechtlich geltend‹;
zu I, 1.
Phraseme:
als (etw.) gewönlich ist
o. ä. ›wie es üblich ist‹.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2,  1, , (Adj.) 56, I, 1,  1, , (Adj.) 24, , .
Syntagmen:
etw
. (z. B.
der sitte, das wandern
)
g. sein, etw. von alter (her) g. sein
;
etw. g. tun, etw. g. gepflogen werden, ein recht g. halten
;
der gewönliche almosenstok / bachgrosche / brauch / bau / dienst / eid / grus / lon / sitte, die gewönliche banteiding / behausung / busse / gebür / münze / pflicht / steuer / stunde / tagzeit / übung / wonung / zeit / zeremonie, das gewönliche gelübde / herkommen / opfer / recht / ungeld / zeichen
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Gemein gebreuchig gewoͤnlich pfleglich uͤblich gewon gepreuchlich ganghafft gangbar jm schwange leufftig gänge.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
der richter der sal sine gewonlichen buͦzen nemen.
Dat nuwe Boych (
rib.
,
1396
):
dat hey vssgeschickt wart [...] der Stede Assijssen zo verpechten, as dat gewoinlich ys.
Wyss, Limb. Chron. U (
mfrk.
,
1371
):
unde han [...] dit vurgenante testament in eẏne uffinbar instrument gemachet unde han daz gezegent mẏt mẏme gewontlichen zechen.
Wattenbach, Urk. Czarnowanz (
schles.
,
1448
):
vor eyn iczlich solch bret wir vnde dacz Closter czu fumff heller gewanlicher moncze [...] beczalen sollen.
Wendehorst, UB Marienkap. Würzb.
42, 6
(
nobd.
,
1384
):
so haben wir [...] iren vormunden, buwemeistern und pflegern das vorgenant winwahs ufgegeben mit munden, mit handen und mit halmen als gewonlich ist zu tunne zu Franckenlande.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
und meinde, er [...] woͤlti och sinen gewonlichen morgengruͦz underwegen lassen.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
Es ist ein gewonliche uͤbung an den gerichten / das mã dem antwuͤrter eyde vfflegt.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Da warent siben kruͤge berait, | Grossú, michelú wasser vas, | Als gewonlich do den juden was.
Und fuͦrt man sú gevangen hin | Mit banden zuͦ des todes pin; | Und volgetont vil lúte mitte, | Als gewonlich ist der selbe sitte.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1375
):
sol er den selen ze hilff [...] hundert kertzin tragen igleichin mit ainem pfund wachs zuͤ dem opfer und zu der par alz sitleich und gewoͤndlich ist.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 146, 31
(
schwäb.
,
1473
):
nach ordnung des rechten leben, wie dann gewonlich von andern gerichten an der art gepflegen wirt.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
um 1365
):
so ist im diu stat verpoten pey der gewonleichen puͦzz.
Rintelen, B. Walther
20, 10
(
moobd.
,
1552
/
8
):
sie sollen auch über die gewönnliche Tagzeit zu robaten durch den Herrn nit getrungen werden.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
Es war zur selben zeit das umbziehen und wandern gewonlich und auch nötig.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1426
):
die recht der schefrecht, wie sie mit alten gewonhaiten und rechten herchomen sein und wie man si ieczund gewondleich haldunt ist.
Loesch, Kölner Zunfturk. ;
Köbler, Ref. Wormbs
27, 8
;
27, 20
;
v. Groote, Muskatblut ;
Anderson u. a., Flugschrr.
24, 5, 1
;
v. Birken. Erzh. Österreich ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
Völker, Antichrist
664
;
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
169, 15
;
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
6, 2
;
Vgl. ferner s. v.  6, , ,  2, , (Adj.) 4,  8, .
2.
›gewohnt, üblich(erweise), immer wieder, oft, nach seiner privaten Gewohnheit‹; im Unterschied zu 1 von nicht sozial eingespielten Handlungen;
vgl. I, 3.

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
344, 6
(
Worms
1499
):
Were aber derselb inwoner berüchtiget gewonlicher hadery. schlagens. verletzung oder totschlagens. vnd eins boͤsen lebens.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Ein priester gienc gewonlichen zv einem einsidele vnd segente im unsers herren lichamen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
das du denne nút dine ufsetze, dine gewonlichen gebettelin út anhebest.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
[Ihesus] pflag dike úber nacht mit in | Gewonlich dar in [garte] sin.
Bauer, Geiler. Pred.
472, 30
(
Augsb.
1508
):
flyechen die person mit der du gewonlich / in [...] unvernü(n)ftige wort fallest.
Moscouia
C 2v, 16
(
Wien
1557
):
Zu Malzeiten hat er [Großfuͤrst] sich gwoͤndlichen betruncken / das er am Tisch entschlaffen ist.
3.
›gewöhnlich, normal‹; teils in Richtung auf: ›ein bestimmtes Niveau der Wertschätzung kaum erreichend‹; damit im Unterschied zu 1 und 2 ansatzweise pejorisiert.
Phraseme:
die gewönliche stat
›Stelle zur Lagerung von Tierkadavern‹.

Belegblock:

Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
10, 19
(
Frankf./M.
1568
):
Von den Hochgelehrten vnd jren gewoͤnlichen Gradibus, vnd freyen Kuͤnsten / von allerley Handwercken / vom groͤsten biß zum kleinesten.
Jostes, Eckhart
105, 4
(
14. Jh.
):
Diz zwingt die usser dinck ze lauzend, gewonlich dinck ze mident, úber sich selber dringen und an die blozen gotheit springen.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
B ijr, 26
(
Leipzig
1625
):
Seynd hernach bemeldte drey [Vnfall / Jammer / Schmertzen] vmb meine gewoͤnliche Speisen gegangen.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1450
?):
als widerzems oß
[›Aas, Tierkadaver‹]
das scholl man pringen an gewonlich stet.
4.
charakterisiert die außerhalb der menschlichen Verfügbarkeit stehende natürlich, religiös, medizinisch oder allgemein psychologisch, auch sozial begründete Gesetz-, Regelhaftigkeit: ›der Existenzweise e. S./ P. entsprechend, in aller Regel, von Natur aus, gottgewollt, dem Schöpfungsgesetz entsprechend, üblich(erweise), natürlich(erweise)‹;
vgl. am ehesten I, 2,  5.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
die gewönliche heimlichkeit
›Menstruationsblut‹;
der gewönliche siechtag
›Menstruationstag, -zeit‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  134,  1, .
Syntagmen:
j. g
. ›von Natur aus‹
harig sein, j. g
. ›von seiner Natur getrieben‹
etw. tun, j. g. bleicher gestalt sein, j. g. js. augen an sich ziehen, etw
. (z. B.
die kunst / liebe
)
g. eitel sein, der geist bei js. sterben g. anfechtig sein, das leben g. im märzen hinnen faren, die creatur sich g.
[wie]
stellen, der oberen natur etw. g. sein, die sonne g. liecht sein
;
der gewönliche lauf (des gestirnes), der gewönliche zwek, die gewönliche stimme / zuneigung
.

Belegblock:

Luther, WA (
1540
):
Die Creaturn sich anders stelleten denn gewonlich und damit bezeugeten, das [...].
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz unmügelich ist der undern natûre, daz ist gewonlich und natiurlich der obern natûre.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
Weinen ist unsere gewoͤhnliche erste Stimme.
Mortuus est. Jst so viel gesagt: Er hat den Lauff seiner Jahre vollendet / ist zum gewoͤhnlichen Zwekk gelanget.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
es wolle dann GOTT der einige Schoͤpffer [...] deß beweglichen Gestirnes / [...] / gewoͤhnliche und ohnveraͤnderte Laͤuffe / haͤmmen.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
3, 13
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
die andern künst, die sein gewonleich vierbicz, eitel und aufplasent den menschen.
Gille u. a., M. Beheim
246, 70
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Der mensch ist gwunlich harig, rauch | an den prüsten.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
4, 189
(
Nürnb.
1517
):
Enteuserung von den gewonlichen zuneigungen ist ein würkung widerwertiger gewonheit.
Thiele, Minner. II,
13, 418
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
so sich myn leben krencket | und hynnen fert die sell mit schneller flucht, | als andern alten gewonlich in dem merczen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
5270
(
Basel
1519
):
Gewonlich, wie do ist ein gemeyn, | Also handt sy der prediger eyn.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Dú sunne zwúrend liechter wart | Denne sú gewonlich ist von art.
Anderson u. a., Flugschrr.
23, 5, 25
([
Augsb.
]
1525
):
So seyn die Fürsten Prelaten / vnd herren / gwonlich von angeborner tugent.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Wann gewonlich so ain mensch ufmercken hat zuͦ aim andern. was dann das selb ansicht dar uff wirt es auch sehen.
Bauer, Geiler. Pred.
104, 15
(
Augsb.
1508
):
das solliche menschen die sich aines schauwennden lebenns understonnd / gewonlich gantz thorechte menschen werden.
Strauss, A. v. Villanova dt.
162v, 2
(
obd.
, Hs.
1421
):
Kichern [...] machent bruntzen vnd den frauwen iren gewonlichen sichtagen tzu vier wochen eynes kommen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
welheu frawe ir gewonleich haimleichait well pringen oder des kindes pälgel her für well pringen [...] oder die tôten purt von ir treiben well, diu trink rautensaf.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
die anhaͤbigen und ungestúmen poͤsen geiste, die pey der gerechten menschen sterben gewóndleich anfechtig sind.
das sy [lieb in Got] allzeit von natur oder villeicht von arbait, von mássikait trinckhens und essens gewonleich plaicher gestalt was under augen und magers leibs.
Quint, Eckharts Pred. ;
v. Birken. Erzh. Österreich .
Vgl. ferner s. v.  7.