geturren,
V.;
vgl.
Frnhd. Gr. §  M
50
. – Formen:
ich / er getar, du getarst, wir / sie geturren, ir geturt / geturrent
(Präs., Ind.);
ich / er getorste, du getorst, wir / sie getorsten(t)
(Prät.), im Konj. mit Uml.; Part. Prät.:
getürst(-)
.
1.
›etw. zu tun wagen, sich getrauen, erkühnen, unterstehen zu [...]‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  3,  2, , , .
Syntagmen:
geturren
[tun] (z. B.
geturren erbalden
›sich erkühnen‹
/ fischen / fragen / gesprechen
[letzteres mehrfach],
sich geregen, jn. küssen, etw. ansehen / bereden / erfechten, die augen auftun
, [wo]
gewandeln
, [wohin]
kommen, jm. nachlaufen, der welt trauen, über etw. schreiben
),
geturren, zu
[+ Infinitivsatz]; vereinzelt:
nicht g
. 1 ›nicht wagen‹.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
swaz der mensche minnet, daz íst der mensche. Minnet er einen stein, er ist ein stein, minnet er einen menschen, er ist ein mensche, minnet er got – nû engetar ich niht vürbaz gesprechen; wan spræche ich, daz er got dann wære, ir möhtet mich versteinen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
121, 9
(
rhfrk.
,
um 1435
):
wie gedorst dü do kün sin / das du her jnne zu mir jn myn kammer gedarst gene.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Die vligen geturren zv dem wallenden haven nicht kumen.
Matthaei, Minner. I, (Hs. ˹
nalem.
,
1459
˺):
wann ich in [knaben] sich, so gedar ich nicht | froͤlich gestellen min gesicht.
Ebd. (Hs.
15. Jh.
):
wie getuͤrst ein wip erbalden | daz sie einen man betruͤge.
Lemmer, Brant. Narrensch.
59, 13
(
Basel
1494
):
Wer eym vil ding zuͦ muͦten gtar | Vnd lonen nitt / der ist eyn narr.
Roloff, Brant. Tsp.
2242
(
Straßb.
1554
):
Hab wol gtürst Loͤuwen und Beren toͤdten.
UB Zug
1046, 9
(
halem.
,
1462
):
das únser raͤtt von únser statt unn ampt uff hút nit vil bÿ einander gewesen sint, das wir nit getorsten, gewalt zu haben, ein voll antwurt darumb ze geben.
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
das ich hüter des huses bin, wider die dieb und mörder, deren getaur kainer ainen tritt dem hus genachen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 106, 9
([
Augsb.
]
1548
):
Mancher raufft den todten Loͤwen beim Bart / der in / wann er lebet / nicht getoͤrste ansehen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1340
):
swaz er dar bereden getar mit seinem ayd, darumb sol in dann der purger ledigen und loͤsen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
Cricos mag ain denkfuoz haizen, wan [...]. Daz tier bedäut die läut, die sich gar sêr fürhtent vor irn laidigærn [...] und getürrent sich nindert geregen.
Große, Schwabensp. ;
Quint, a. a. O. ;
Bihlmeyer, Seuse ;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel ;
Lemmer, a. a. O.
105, 28
;
Roloff, Brant. a. a. O.
27
;
Dierauer, Chron. Zürich ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Müller, Alte Landsch. St. Gallen ;
Morrall, Mandev. Reiseb.
17, 16
;
Primisser, Suchenwirt ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
2.
nicht geturren
2 o. ä. (+ Verb ohne
zu
) ›nicht dürfen‹.
Syntagmen:
nicht g. fragen / reden, das korn schneiden, die almende nutzen, die unzucht richten, in dem rate gesein
, [wo]
bleiben / kaufen
, [wohin]
gehen / kommen / wandeln, niemand g. schenken
›ausschenken‹.

Belegblock:

Kollnig, Weist. Schriesh.
26, 13
(
rhfrk.
,
1399
):
und getar unßer keyner [...], der recht an der almende solte han, derselben almende nutzen.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
Noch ir keine sal da nit fragen gedurren von der letzen noch nirgen abe, iz insi daz [...].
Mon. Boica, NF. (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
daz zu Osternach [...] nymant schencken getar on laub der herschafft.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
do gebot man den zwein parten, daz sü nüt zusamene soltent gon, und beschiet ieder parten ein zil, uber daz sü nüt getürstent wandeln noch gon.
Sexauer, Schrr. in Kart.
235, 15
(
Basel
,
um 1510
):
on vrloub getar er
[Mönch]
nut nemmen noch geben.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs. 
v. 1425
):
der mûs [...] in der schrann sein ee daz der richter siczt, vnd getor nicht auschomen, vncz daz der richter aufstet.
Rössler, Stadtr. Brünn (
mähr. inseldt.
,
1. H. 14. Jh.
):
daz di richter der stet nicht cze richten habent noch geturren di unczucht [...] richten in den steten.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
132, 20
;
Sexauer, a. a. O.
222, 34
;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Boos, UB Aarau ;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Winter, Nöst. Weist. .
3.
›können‹; gesagt bei Vorhandensein von Gründen, etw. zu tun.

Belegblock:

Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
148, 6
(
rhfrk.
,
um 1435
):
das ist eins rechten morders name / Gedar ich dir ouch glouben.