gesässe,
gesesse,
das
;
-s/-Ø
;
Fortsetzung von
mhd.
gesæze
und
gesëz / gesëzze
›Wohnsitz‹
();
infolge der Schreibvarianz keine durchgehende Trennung beider Wortbildungsvarianten möglich; semantisch keine Differenzierungen feststellbar, die sich aus den Wortbildungsvarianten herleiten würden.
1.
›Wohnhaus, Wohnsitz, Wohngebäude, Heimstätte‹; auch: ›Ort, Platz zum Sitzen‹; ›Bau von Tieren‹; metonymisch mit Übergang zu ›Gebiet‹ und ›Aufenthaltsort‹; insgesamt offen zu 2.
Bedeutungsverwandte:
 23, , , , ; vgl. , , , ,  3, (
das
1, .
Syntagmen:
ein g. bauen / fertigen / haben
;
das g. jm. sein
›gehören‹,
von brunst wegen abgehen
;
sich aus dem g
. ›Gebiet‹
erheben, in dem g. wonen, von dem g., zu dem g. gehören, jm. von des gesässes wegen etw. schuldig sein
;
das g. mit aller zugehörde, in der (-)gasse, zu / unter
[+ Ortsname];
das alte / rechte g
.;
haus, hof und g
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
do sach man sich dî Tatren gar | mit irre menige vil rêze | irhebn ûz irme gesêze | kegn den Sarrazînen.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Vogel, tier, visch hat gegezzen, | Vordowet an irn gesezzen.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
138, 10
(
schles.
,
1380
):
eyne frye Schubank, fleyschbank vnd Brotbank, fry mit dem selbin gesese, dorynne er iczunt wonyt.
Rieder, Gottesfr. (
els.
,
1379
):
dirre lieben gottes frúnde [...] pflegent zuͦ gonde von dem huse in den walt; wan do waz ein geseße bi einem schoͤnen burnen.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
also das der beste͂der oder hußwoner / solich hab vß dem huß oder geseß / nit vere͂dern sol.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern (
halem.
,
1550
):
sollich frömbd landvarer ..., so mit huß, hofe, für und liechte hinder uns nit sitzen, khein recht gesäß haben und dem gemeynen handwärck widerzäm sind.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1427
):
das underwilen so gesaͤsse und huͥser hie ze Ulme abgand, es si von brunst, von bufellikait [...] wegen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
ich han meine heuser, das ist das gesaß an der Sachsengaßen und mein haus bei dem obern schlachhaus auf der gant behept umb 2 farden.
Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst.
254, 25/26
(
noobd.
,
1336
):
daz frowe Hailwig mein elichiu wirtinn nach meinem tod haben und erben schol das gesaezze, daz ich gepawen han und noch pawen wil, und den turn und swaz zu dem selben gesaezze gehoͤrt.
Gille u. a., M. Beheim
38, 31
;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Rennefahrt, Zivilr. Bern ;
Welti, Urk. Rheinfelden
139, 19
;
Schib, Urk. Laufenb.
269, 6
;
Baumann, Bauernkr. Oberschw. ;
Rwb f.;
2.
›herrschaftlicher Sitz, herrschaftliches Gebäude mit zugehörigen Wirtschaftseinrichtungen und -flächen; Residenz von Herrschaftsträgern‹; als Synekdoche auch ›Stadt‹ sowie ›Stockwerk‹.
Bedeutungsverwandte:
, ,
1
(
das
3,  7,  1, , , (
die
3,  4, ; vgl.  1.
Syntagmen:
ein g. angewinnen / erbauen / haben / verbrennen, sein g. halten
›seine Residenz einrichten‹,
ein g. zu lehen haben, die graben das g. begreifen
›umschließen‹,
jm. ein g. geben
;
dem g. keinen schaden tun
;
an einem g. wonen, in dem g. leben, geert werden
;
das g. des probstes / herzogen / königes / keisers
;
das fürstliche
(mehrfach)
/ königliche / keiserliche / mächtige / ungewisse g
.;
das g. mit haus / hofstat / acker, zu
[+ Ortsname],
mit zehenten / zugehörde / nutzen
;
das halbteil von einem g
.

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Da sein die Heuser bey der Thuͤr | Gebawt mit einem Steinen Schuͤr, | Mit gsessen
[hier: ›Stockwerk‹]
zwifach, dreifach hoch: | Das habens vor ein Sommer gmach.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
91, 5
(
thür.
,
1474
):
syne rittermessigen unde dinstphlichtigen gutter, hofe unde gesesse, auch ander gutter, farnde unde unfarnde.
Schnelbögl, Salb. Karls IV.
107, 14
(
nobd.
,
1366
/
8
):
Nyclos von Raydenbach hat zu lehen sein gesezz zu Rosemberg, die smidstat doselbes, drey seldenheuser.
Maag u. a., Habsb. Urbar
2, 1, 433, 8
(
alem.
,
1361
):
daz gesesse, als die graben begriffen hant ze Buͦtwilr.
Ebd.
547, 8
:
dise guͤter sint lechen von der herschaft: und des ersten die burg ze Wildenberg und den berg von dem gesesse, als es von der matten ab gât.
Leisi, Thurg. UB
7, 858, 28
(
Winterthur
1330
):
Ich, der vorgenandt Chuͦnrat der Meyer, han gegeben dem vorgeschribenen / Walther von Gachnang [...] das gesesse ze Meyersberg mit huse, mit hofstat, mit akkern, mit bomgarten.
Boos, UB Aarau (
halem.
,
1373
):
Daz wir manen [...], daz dieselbe handlung und getat dem vorgenanten haus und gesezze [...], an den alten freyhaiten und gnaden, rechten und gewonheiten, [...], chainen gepresten noch schaden pringen sol.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
By allen ünsern werden tagen | Ist so vil ritter ungezaltt | Vor ainem gesesse
[hier: ›Stadt‹]
nie ervaltt.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern
544, 25
(
halem.
,
um 1484
):
Es soll ouch kein meister, [...], uff das land gaͧn wercken, es sy dann in einem gotshus oder einem sloß oder maͤchtigen gesas.
Morrall, Mandev. Reiseb.
27, 16
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
der gros turn von Babilonia, [...], daz manig schoͤn huß und manig schoͤn gesaͣsß dar inne erbuwen ist.
Chron. Augsb. Anm. 2 (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
daz tachwerk an dem turn zwischen dez thumbrobstes gesäße und dez techantz.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
do die fürsten der Trojaner an ungewissen gesässen woneten.
Turmair (
Ingolst.
1519
):
neben andern steten und clöstern ward auch das königlich geses, die stat Oting und das closter geplündert.
Ebd. (
Nürnb.
1522
):
darumb auch jetzgemelte stat in latein Ratisbona [...] genannt wirdt weilunt der königen, jetzo der bairischen herzogen gesäß und sitze.
Ebd. (
moobd.
,
1522
/
33
):
Sein palast und küniglich gesäs, darin er gelobt und geêrt ist worden.
Moscouia
B 3r, 40
(
Wien
1557
):
Er vberwand die Bulgaros / vnd ist gar an die Donaw gezogen zu
Pereaslaw
hat er seinen sitz oder stuel gehalten / Sprach zu seiner Mutter vnd Raͤthen / das ist mein gesaͤß in mitten meiner Reich.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1408
, Hs.
M. 16. Jh.
):
es sollen auch al edlleut die burkrecht und geseß in dem markt und bei dem markt haben umb al aufleuf und gebrechen, [...], recht nemen und tun var dem marktrichter.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob ;
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe ;
Gille u. a., M. Beheim
99, 684
;
Hauber, UB Heiligkr. ;
Maag u. a., a. a. O.
2, 1, 409, 5
;
UB ob der Enns
10, 782, 9
;
851, 16
;
Rintelen, B. Walther
187, 14
;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Roth, a. a. O. ;
Moscouia
C 2v, 12
;
3.
›Sitzvorrichtung unterschiedlicher Art; einfacher Sitz; Stuhl; Thron‹; speziell: ›Sitzfläche‹; als Metonymie hier anschließbar: ›Besetzung einer Stelle‹.
Bedeutungsverwandte:
,  14; vgl. ,  2,  3.
Syntagmen:
ein g. bauen / zurichten; ein bret js. g. sein
;
einen teppich über das g. aufschlagen
.

Belegblock:

Ziesemer, Gr. Ämterb.
21, 11
(
preuß.
,
1422
):
In des marschalks camer wart dis noch geschreben gerete gelassen [...]: 1 banglaken, item eynen grosen tept uffgeslagen in der stoben obir das gesese.
Luther, WA (
1518
):
sey du allain der herr, der künigstuͦl und gesaͤß sol dein und nit ains andern sein.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Kön. 10, 19
(
Wittenb.
1545
):
das heubt am Stuel war hinden rund / Vnd waren Lehnen auff beiden seiten vmb das gesesse.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
herre Cone von Falkenstein erzebischof von Trire was ein vurmunder des stiftes zu Menze unde zu Coln, bit so lange daz si qwamen zu recht gesaße
[hier: ›Besetzung‹].
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Ein Eichen bret war mein geseß, | Jch ruͤrt auch kein Denarium.
Fischer, Folz. Reimp.
22, 137
(
Nürnb.
1483
):
Pis sie
[
teüfflisch schar
]
ein schöns geses zurichten, | Darauff sie siczend yn [Judas] verpflichten.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1471
):
doch warde vergessen, das seiner m. kein sunder gesess oder gestule mit tebichen gezirt zu bereytet warde.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Allein in eim geseß
[
Luther
1545, 1. Mose 41, 40:
Stuel
]
des reiches fúrgee ich dich.
Morrall, Mandev. Reiseb.
130, 21
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
mitten in dem sal da ist ain gesaͤß, da der Gross Cham sitzet.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Dar uͤber hat gepawen | Got selber dein [mŭter unde magt] gesezze | Jm gleich und ebenmezze.
Ziesemer, a. a. O.
26, 8
;
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Kurrelmeyer, a. a. O. .
4.
›Belagerung (einer Stadt, einer befestigten Anlage)‹; als Metonymie:
a) ›Lager‹;
b) ›Hilfs-, Ersatztruppen‹.
Obd.; berichtende Texte (für die Metonymien).
Bedeutungsverwandte:
 2,  2, ; vgl.  2, ,  6,  1,  1, (
das
4,  2 (jeweils zu ›Belagerung‹).
Syntagmen:
ein g. haben
;
das g. lange dauern, zu ende kommen / gehen
;
eines gesässes zu rate werden, notdürftig sein
;
in dem g. unverrückt bleiben, jm. in einem g. zu hilfe kommen, jn. mit einem g. besitzen, von wegen des gesässes kosten auf etw. gehen
;
das g. vor Altbeuren, vor der feste, vor dem schlos
.

Belegblock:

Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1388
):
ob man raysen wurd, daz man ein gesezz het vor einem sloz, so sol man in drey wegen verlonen.
Gille u. a., M. Beheim
453, 2423
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
daz zw Wipach lage | Ain grosses volk, daz in in dem | gesess kurczlich zw hilffe kem.
UB Zug
1, 4, 110
(
halem.
,
1352
):
Wer aber, das dú sach als gros were, das man eines gezoges oder eines geseßes notdúrftig zuͦ wer.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1403
):
were, das dewedre uͥnser der vorgenanten stette von der andern von dishin gemant wurd, uss zu ziehen und ieman mit einem gesaͤsse besitzen, darzuͦ soͤllen wir oͧch denn ... mit gantzen truͥwen unͥser bestes tuͦn.
Geier, Stadtr. Überl. ;
Maag u. a., Habsb. Urbar
2, 1, 612, 9
;
Leisi, Thurg. UB
7, 438, 9
;
Dierauer, Chron. Zürich ;

Zur Metonymie a):

Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
die burger [...] gingent in daz geseße für den kunig und ergobent sich und die stat.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1388
):
die Bair [...] namen daz fich [...] und triben daz in daz gesezz.

Zur Metonymie b):

Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Sinner gemintten dienstman | Fürtt er gegen dem gesesse.
Achyles | Straitt daz alles geses | Inn do müste entsitzen.
5.
›Gesäß, Hintern‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  2, .
Wortbildungen:
gesäsfarzer
›Sesselfurzer, alter Mann‹.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
665, 5000
(
Magdeb.
1608
):
Vnd schmiß Dreckmannen ins Gefreß | Das er nidderfiel auffs Geseß.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Von vngleichen sagt man: Er sicht jhm so gleich / alß were er jhm außm Geseß geschlupfft.
Luther, WA (
1528
):
Kanstu [Myritianus] aber deinen zorn nicht brechen und wilt uns ia fressen, so bitten wir dich, du woltest unden am gesesse anheben, so hettestu kompest und senff zuvorn.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
18
):
Hüner, die herumb vmbs Gseß | Seind fein patzet vnd auffgeschwolln.
Ich wolt viel lieber Stein tragen, | Dann nemen ein alten kartzer, | Ein kreister vnd Gseßleinfartzer, | Ein reisperer vnd Gnad-dir-Gott.
Maaler (
Zürich
1561
):
Der Arßwolff / Ein abgeriben faͤl oder auff geribne haut im gesaͤß.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
das er dem Conradten von Sickingen mit der nasen ans gesess kompt [...], ussspeuzet und wider hinder sich wich.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
208r, 6
;
Dietz, Wb. Luther .
6.
›Hose, den unteren Teil des Rumpfes bedeckendes Kleidungsstück‹; im einzelnen Spezialisierungen wie ›halbe, kurze Hose‹ oder ›hinterer Teil der Hose‹ (s. ); ›Hüftwäsche der Frau‹.
Bedeutungsverwandte:
3
, , ,  1, , ; vgl.
1
, .
Syntagmen:
ein g. anhaben / stelen
;
das kurze / landsknechtische / leinene / wollene g
.;
tuch zu einem g
.

Belegblock:

Alberus
I ijr
(
Frankf.
1540
):
Bracha scortea. ein liddern geseß oder schurtz.
Ebd.
hh ijr
:
Geses / Femorale, requi. kleyd.
Skála, Egerer Urgichtenb.
52, 9
(
nwböhm.
,
1569
):
1 schwartzen Manttl 1 geses vnd 1 Rocklin hetten sie gstolen.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
18
):
ich hab gar kein kleider mehr, | Allein zwey Hem, ein Gseß, ein Scher.
Maaler (
Zürich
1561
):
Gsaͤssz (das) Halbhosen. Subligaculum Femoralia.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern
580, 16
(
halem.
,
1587
):
von einem schlechten par hosen, allein im gsäs kärdert.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Gesaͤs / Niderkleid / Bruch / subligar, subligaculum, femorale, feminaria, braccam vulgus vocat.
Skála, a. a. O.
192, 15
;
223, 18
;