gerte,
die
;
-n/-n
.
1.
›junger, biegbarer Asttrieb; Schoß an Bäumen und Sträuchern; (speziell:) Weinrebe; Gerte, Stab für verschiedene Zwecke, z. B. als Stütze beim Wandern, für die Anlage von Fischreusen, das Ausfüllen von Gegenständen, Fachwerk; dünnes Stämmchen, Stange zur Befestigung von Flußufern, zur Anlage von Zäunen, Spalieren‹.
Bedeutungsverwandte:
1
 6, (
das
1,  1,  1, , ,  1,  1,
2
,  4, .
Syntagmen:
gerten aufmachen / brauchen / eingruben / einlegen / hauen / meien / tragen, zu etw. nemen, eine g. in der hand haben
;
gerten
(Subj.)
blühen, frucht bringen, trauben haben, js. gerte jn. trösten
;
etw. zu gerten bedürfen, mit der g. wasser aus dem felsen schlagen
;
die g. Arons
;
die blühende / eichene g
.;
das bund, ein wagen gerten
;
der schlag mit der g
.
Wortbildungen:
gertebeinen
›die Beine spreizen‹,
gertech
›Reisig‹ (dazu bdv.:  1),
gerten
1. ›kleines Holz hauen, Reisig schneiden‹ (dazu bdv.: ; a. 1408f.); 2. ›Reisig, Gerten zu Ruten zusammenbinden‹,
gertengestäude
,
gertenhauer
(a. 1375ff.),
gertenkraut
,
gertenrinde
(Beleg s. v. ),
gertenstecke
,
gertenträger
(s. u.
Dasypodius
),
gertholz
,
gertmeis
›Schnitt, Schlag von Gestrüpp, Reisig‹ sowie metonymisch: ›Recht dazu‹ (Gw zu mhd.
meiz
›Holzschlag‹; ),
gertnez
wohl ›aus Gerten geflochtenes Netz‹ (a. 1411).

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Sehet hie das Bündlein Garten, Versuchet es, ob jr sie könnet brechen.
Struck, Joh. Pfannstiel
152, 11
(
mosfrk.
,
1541
):
auch gyrten gehawen, im gegeben 1 fl. 17 alb.
Kollnig, Weist. Schriesh.
37, 36
(
rhfrk.
,
1449
):
so weisen wir, das nymant kein eichen gerten in der almant huwen soll.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk. (
osächs.
,
1343
):
Und gebôt en daz si nichtis nicht truͦgen ûf dem wege, nuͦr alleine eine gerten
[
Mentel
1466:
ruͦte
,
Luther
1545:
Stab
],
nicht taschin, nicht brôt.
Gille u. a., M. Beheim
77, 35
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das Moises da hies tragen | Van ydem geslecht Israhel | ein gertn in das tabernakel. | der worn czwelff, hor ich sagen. | Und da wart uber nachte | Arons gert pluen und pracht frucht.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
Do Moyses das volck gemein | Und alles fich mit trencket gar | Dürch schlege mit der gerten sein.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1463
):
stangholz und gerte, ire güter ze verzünen und wende ze stiken.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
in den betheusern daz dorynnen was gewachsen gertech oder reysech
[
Froschauer
1530:
stauden vñ toͤrn
]
als in dem wald.
Michels, Murner. Badenf.
20, 30
(
Straßb.
1514
):
Erst in der ern woltst an fahen seyen | Vnd im winter gerten meyen!
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Narthecophori [...]. Gerten traͤger / die diener Bacchi.
Gert mit welcher die fechter frei gelassen wurden. Rudis.
Kläui, Urk. Kaiserstuhl
335, 23
(
halem.
,
1604
):
mentschen gedenckhen, [...], auch windtfehl aufzuemachen und gertholtz zue irer notturft ab zue hawen.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1515
):
habend wir uns [...] erindret, wie wytt unser altvordren unser holtz und gerttmeissen und allmenden gand und gebrucht.
Boner, Urk. Brugg
418, 61
(
halem.
,
1541
):
so sollen die von Brugg auf ihre Bitte die Erlaubnis geben
im mitlisten schachen schwiren vnd gert ze houwen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Gerten die neüwe͂ schossz an weyn raͤbe͂ so alle jar an den geschnittne͂ gerten wachsend / die dan trauben gaͤbend. [...]. Gerten / die gerten binden.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Du dochter von Yesse, | Du bist die gert Aronis | Vnd auch die sterck Samsonis.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Ein jedes Band von weiden oder andern gerten. [...]. Den Stul besichtigen / vnnd mit einer gerten vmbruͤren / excrementa [...] virga versare.
Gert / die von einem Stock eingesenckt wirdt / einen anderen Stock darinn zu zieglen. [...]. Gertebeinen / die Beine zergerten / oder weit von einander setzen / zerthun, [...] deforme est. [...]. kraut / steckenkraut / thapsia, ferula petræa. [...] Gerten Gestaͤude / virgultum.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1414
):
was die vischer zu gerten stekchen bedurfen, das mugen se wol genemen.
Bretholz, Liechtenst. Herrsch.
125, 31
(
smähr. inseldt.
,
1414
):
sullen se gertten nemen zw den rawschen vnd rar beschaidenleich zw den vachen.
Ebd.
247, 16
:
was die vischer zw gerttenstekchen bedurffen, das mugen se wol genemen.
Holland, a. a. O. ;
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Ettmüller, Heinr. v. Meißen
390, 4
;
Kollnig, a. a. O.
43, 12
;
Mayer, a. a. O. ;
Merk, a. a. O. ;
Graf-Fuchs, a. a. O. ;
Hauber, UB Heiligkr. ;
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 92, 15
;
790, 2
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ; ;
Bücher, Berufe Frankf.
1914, 50
;
Vorarlb. Wb.
1, 1136
.
Vgl. ferner s. v. .
2.
›Gerte, Zweig, Rute oder etwas einer Gerte Ähnliches, so fern sie als Straf-, Zucht-, Erziehungsmittel oder dem Schutz vor Gefahren dienen‹, auch für den Treibstock des Pflugbauern gebraucht.
Phraseme:
jn. mit zwei gerten stäupen
›jn. doppelt belasten‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  4, .
Syntagmen:
dem vieh die g. nachwerfen
;
die g
. (Subj.)
jn. trösten, gerten auf des narren rücken sein sollen
;
die schämde eine g. sein
;
mit der g. den rücken zwicken, den leicham mit gerten fillen, j
. (auch:
got
)
jn
. (z. B.
ein kind
)
mit gerten hauen / prügeln / strafen, jn
. [Verbrecher]
mit gerten
˹
aushauen / ausschlagen
, jeweils ›auspeitschen, aus der Stadt austreiben‹˺,
jn. mit der g. auf die hände schlagen, zu gotwärts treiben, von etw
. (z. B.
von der stummen sünde
)
zeihen
;
die gerte der achseln, des gewaltes
;
die eichene / eiserme / grüne / gute / kleine / korallene / linde / schwankele
›biegsame‹
g.
;
schläge mit der g
.
Wortbildungen:
gerteisen
›Eisenspitze an einem Treibstock‹, als pars pro toto für ›mit einer Eisenspitze bewehrter Treibstock für das Vieh‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz her uber sie [diet] richte | Der werlde zu gesichte | Mit yseriner gerte.
Der sun was ein knebelin, | Der richtere solde sin | Ober alle der werlde diet, | Die sin vater im beschiet | Und den gelouben werten, | Mit Yserinen gerten.
Ziesemer, Proph. Cranc Jes.
9, 4
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
wand daz joch sinir burde und die gerte
[
Froschauer
1530:
stab
,
Luther
1545:
rute
]
sinir achsiln und daz sceptrum sinis schoswalden hastu ubirwunden.
Toeppen, Ständetage Preußen
5, 535, 36
(
preuß.
,
1508
):
damit sy, wie in der negsten stewer, nicht so hoch beschwert und mit zweyen gertten gestewppet worden.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
So sol her deme richtere wedden des koniges malder; daz sint drittich slege mit eyner ekenen gerten.
Eggers, Psalter
48, 5
(
thür.
,
1378
):
Din gerte
[
Luther
1545, Ps. 23, 4:
Stecken
]
vñ din stap dy trosten mich.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
72, 37
(
omd.
,
1487
):
Entzcew nicht dÿe straffung deÿnem kinde. Ap du es mitt gertten haẇest, es stirbt nicht dau̇on.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3332
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wer sinen licham beginnet fillen | mit geisselen unnd mit gerten | unnd wil en nicht vortzerten | [...] | dem ist der apphil sur unmassen.
Ebd.
5342
:
di schemede ist ein gerte | di da twinget der zucht geferte.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
so fur si [wib] uff den esel steg | vnd nym ein swankel gerten | eyns vingers dick, da mit so zwik | den ruck vnd ouch die lenden.
Gille u. a., M. Beheim
97, 79
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
all zeit so sollen gerten hie | sein auff der narren rüke | Geleich reht als daz pis dem gaul | [...] ist in dem maul.
Bremer, Voc. opt.
13042
(
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Stimulus gart [...] gert [...] garteysen [...] est aculeus ferreus, quo rusticorum baculus prearmatur ad inpellendum iumenta. [...]. Et ponitur pro toto baculo cum aculeo prearmato.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1625
):
wann es das viech für den hof bringt, so soll er im die vichroch oder gärten nochwerfen.
Mollay, Ofner Stadtr.
180, 4
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
dÿ klagerin, dÿ da oben ist gelegen mit dem rechten, Sol dÿ
[Angeklagte]
treiben vnnd pruckeln mit eyner gerten.
Helm, a. a. O. ;
Dubizmay, kurß zu Teutze
70, 12
;
Thiele, Minner. II,
5, 93
;
Wiessner, Wittenw. Ring
9015
;
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 277, 24
;
Langen, Myst. Leben
188, 7
;
Sappler, H. Kaufringer
16, 243
;
Jaspers, St. v. Landskron
68v, 15
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
127a, 3
;
Bremer, a. a. O.
30028
;
3030
;
Schmitt, Ordo rerum
407, 17
;
Voc. Teut.-Lat.
l viijv
.
Vgl. ferner s. v.  1,  20.
3.
eine Maßeinheit: a) ein Längenmaß; b) ein Flächenmaß (speziell für land- und waldwirtschaftlich genutzte Flächen, auch für Bergwerksgelände); genaues Maß aus den Belegen nicht ersichtlich; vgl. .
Wortbildungen:
gertrute
(15. Jh.).

Belegblock:

Zu a):

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
ein halm der wart mir gegeben, | Dem glichnis einer gerten
[
Luther
1545, Apok. 11, 1:
stecken
]
eben | Sprechende: ,volge mins gebots, | Stant uf und miz daz tempel Gots
.’
Dinklage, Frk. Bauernweist.
75, 9
(
nobd.
,
1523
):
die landstraß soll hab drey gerthen preyt und versteint.
Wyss, UB Deutschord. Hessen (
hess.
,
1367
):
dar nach lyt eyn stuͤcke uf dem Wolfisborne wege, daz hat eyn ackir unde czwolf gertyn.

Zu b):

Mon. Boica, NF. (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Hans Senfft gibt jerlichen von 1 morgen 3 uncz und 1½ gerten wingarten 1 eymer.
Wendehorst, UB Marienkap. Würzb.
211, 44
(
nobd.
,
1486
, Hs.
16. Jh.
):
uf siebenthalb gerten holz am gemeinen holz und das alle jare zwnnet (!) gefellich ist.
Paul, Wb. Bergmannsspr.
1987, 181
(
slow. inseldt.
,
16. Jh.
):
was dasselb Perckhwerch holz bedarf, inn den Gruebn vnd Gärtten, zuezunemen, vmb sich zunuzen, Das soll Ime d(er) herre nicht weren.
4.
für Bezugsgegenstände, die in eine Sach- oder Vergleichsbeziehung zu
gerte
1 gebracht werden können:
a) ›Astbeil, Hippe‹.
Wortbildungen:
˹
gerter
,
gertler
,
gertner
˺ ›Astbeil‹ (vgl. hierzu auch mit
gerter
als Personenbezeichnung),
gertmesser
verdeutlichend (auch zu 1 so wie zu
gerten
1 stellbar).
b) ›Penis‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. , , ,  2,
1
,  2, h,  2.

Belegblock:

Zu a):

Bremer, Voc. opt.
13075
(
wobd.
,
1329f.
):
Virgarium gerter [...] gertel [...] schnaitmesser.
Argovia (
halem.
,
1484
):
wenn einer howt mit einem gerter, demselben sollend sy [forster] nemen denselben gerter; howt einer brennholz mit der ags, dieselben ags sollend sy im nemen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Falx dumaria, ein hagmesser / gertner.
Major, Haussradt
A iijv, 11
(
Basel
1569
):
Jch muͤßt han küssen vnd bette | Ein rüthouwen vnd gertel.
Maaler (
Zürich
1561
):
Gertmaͤsserle (das) Falcula.

Zu b):

Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Auf dem leib ain manlich gert | Het im die natür beschert.
5.
metaphorisch oder in Vergleichen auf Personen bezogen, a) auf Maria, die Mutter Jesu (meist), b) auf die Anhänger Christi (als den
rebstok
).
Bedeutungsverwandte
(zu a): vgl. (s. v.  2),  3.

Belegblock:

Zu a):

Stackmann u. a., Frauenlob
1, 18, 11
(Hs. ˹
omd.
/
schles.
,
14. Jh.
˺):
Balde ,cröne, tröne, vröne‘ | mir ein küssen, sun der gerten!
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Wer ist die fru auff steyget | Recht allß ein gert gezweiget | In vollem ruch | Mirr und weiraches drehen?
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
Unß hast [virgo] gepert dein kint Jhesus, | Recht allz ein gert verpluet.

Zu b):

Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
11r, 5
(
Zürich
1521
):
So er [Christus] sich selbs ein rebstock / die sinen schosß vnd gerten nent / was wil er anders da mit / dann einmuͤtikeit.