geren,
V.
1.
›etw. wünschen, begehren, nach etw. trachten‹; als Part. Präs. auch: ›hochstrebend‹.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl. , (V.) 10,  1,
1
 2, (V.) 1.
Syntagmen:
etw
. (Akk.obj., z. B.
frieden / freundschaft / gnade / recht / tugend / frist, das reich, eine krone
)
g
.;
e. S
. (Gen.obj., z. B.
urlaubes, des todes, eines zieles / dienstes, der bitte / form / freude / freundschaft / gnade / taufe / warheit, des leidens / rechtes / reiches
)
/ js
. (z. B.
gottes, des mannes
)
g
.;
nach etw
. (z. B.
nach js. schaden
)
g
.;
etw
. (Akk.obj.)
/ e. S
. (Gen.obj.)
von herzen g
.;
geren, zu
[+ infinitivischer Objektsatz], z. B.
geren, zu unterwiesen werden / jn. zu rächen / jm. zu schaden / jm. gleich zu sein
;
geren
[+ infinitivischer Objektsatz ohne
zu
; vereinzelt], z. B.
geren, der worte auflosen
›trachten, die Worte zu verstehen‹;
geren, das
[+ konjunktionaler Objektsatz], z. B.
geren, das j. mir etw. gibt
;
geren
[+ Hauptsatz als Objektsatz; vereinzelt];
j., das herz, die sele, der mund
(Subj.)
g. [...]
;
der gerende
›hochstrebende‹
man
,
das gerende gemüt
;
das innewendige geren
.
Wortbildungen:
ger
›das Begehren‹ (a. 1621).

Belegblock:

v. Bunge, Livl. UB
4, 488, 6
(
nrddt.
,
1405
):
und geren nicht anders dan vrede und vruntschaft nach ire reden.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Swes diu sêle gert, daz ist nû bereit.
Waz wil der mensche mê gern oder wizzen, swanne er mit gote alsô sæliclîche vereinet ist?
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Wir en geren egeynis liuis vrist.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
Daz iz der andere grad der otmudikeide, daz irn eigenen willen nit gerne minne, noch nit ingere zu irwullene ir gerunge.
Dubizmay, kurß zu Teutze
18, 16
(
hess.
,
1463
):
deyn geret meyn hertz zu lieben Meyn munt gertt dich zu loben Meyn sel gert dich zu bitten.
Jahr, H. v. Mügeln
105, 297
(
omd.
, Hs.
1463
):
wo aber schult genaden gert, | zu wachse wirt sins zornes swert.
Strauch, Par. anime int.
78, 20
(
thür.
,
14. Jh.
):
sihit he [der gude mensche] gude dinc, des gerit he daz es an ume vollinbracht werde.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
wanne er [Christus] hat lieber den menschen der sin gert mit ganzer liebe danne er den habe der in swindiclichen vorsten kan und von im vil sprechen kan und doch sin niht engert.
Henschel u. a., Heidin
1386
(
nobd.
,
um 1300
):
Die vrowe sprach nv wis gew’t | DeS zileS deS dv hast gegert.
Stackmann u. a., Frauenlob
8, 23, 15
(Hs. ˹
nobd.
, Hs.
3. V. 15. Jh.
˺):
Materje gert der formen mit der mische | und ouch darzu des höchsten zirkels frische.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
850
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
Deu pegirde ist geedelt und gemert, | wanne si hie gotes selber gert.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Dar um ich ger | Zu unter wisen werden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1453
):
nu ger ich nit, das ir mir die panier gebt.
Sachs (
Nürnb.
1562
):
Da ewigs leben uns erwachß | Durch Jesum Christum, gehrt Hans Sachs.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1403
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Hie beginnet ein ewiger hunger, [...], daz ist ein innewendig geren vnd criegen der minnender craft vnd des geschaffenen geistes in ein vngeschaffen guͦt.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
1929
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Er wirt wol der krone wert, | Der semlichs lidens von got gert.
Lemmer, Brant. Narrensch.
103, 127
(
Basel
1494
):
Der abblas ist so gantz vnwaͤrt | Das nyemã dar noch frogt noch gaͤrdt.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Deployss der starcke, | Der gerende ritter Marke, | Under wand sich mit craft | Ze den Krïchen der bottschaft.
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
Welche den schmaichern und den liebkallern gerent ierer wort ufflosen, die werdent betrogen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wer dem andern gert ze schaden, der tœtt sich des êrsten selber.
Klein, Oswald
56, 4
(
oobd.
,
1431
/
2
):
ich ger gnad mit hilf und rat in kurzer frist.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
das der herr und die seinen begirlich gerten der heiligen tauf.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
German, der des mans gert, ist der alt gemain nam der Teutschen, davon Germania, Teuschland, bei den Römern und Kriechen noch heutigen tag haist.
Quint, a. a. O. ; ;
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
1828
;
Jahr, a. a. O.
1097
;
Sievers, a. a. O. ; ;
Stackmann u. a., a. a. O.
3, 18, 10
;
7, 29, 13
;
Gille u. a., M. Beheim
71, 192
;
Bell, G. Hager
95, 2, 8
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
311, 36
;
Eichler, a. a. O.
2, 1406
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2947
;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Primisser, Suchenwirt ;
Klein, a. a. O.
102, 85
;
Weber, Füetrer. Poyt.
229, 6
;
Spiller, a. a. O. ; ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
56a, 27
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
Vorarlb. Wb.
3, 402
.
Vgl. ferner s. v.  1,
3
 1.
2.
›etw. (z. B.
minne
) / jn. (eine Frau) erotisch begehren, sich nach etw. / jm. im Sinne der Minneideologie des Mittelalters sehnen‹; auch auf religiöse Beziehungen übertragen (auf das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen, Christus und der minnenden Seele, auf die Beziehung zu Maria); als Part. Präs. auch: ›lieb‹ sowie ›eifernd, wallend‹.
Älteres und mittleres Frnhd.; gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V.) 1.
Syntagmen:
e. S
. (Gen.obj., z. B.
der minne, des kusses
)
/ js
. (z. B.
einer frauen, eines weibes, Marias
)
g., das herz e. S
. (Gen.obj.)
g
.;
der gerende lust, der minne gerende man, das gerende hoffen
.
Wortbildungen:
2
gerig
,
gerung
1.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc Dan.
10, 19
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
vurchte dich, gerende
[
Dietenberger
1534:
mã dere͂ begirde͂
,
Luther
1545:
lieber
]
man, nicht, vride si dir.
Luther, WA (
1536
):
solt nicht todten, stelen, haus, hof, weib gern, trefflich ding.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
Den dag des ortdeilis sal man vochten, [...], Gern den ewigen lib mit geistlicher gerungen.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Hin ging von Gotes antlitze | Sathan ingernder hitze, | In unbehegelichem sinne | Und nicht inrechter minne.
Dez tuvels bekore, uz der | Kumit gesprozzen snelle her | Vuer zornes und gernder lust, | Da von der unkuschere brust | Endelich in czundet sich.
Feudel, Evangelistar
107, 17
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
eyn iclicher der eyner vrowyn gert in syme herczen der hat yczunt dy sunde volbrocht.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
Dune solt niht gern dines ebencristen wibes noch viehes.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
nezzele di da buͦrnet, da bi ist bezeichent unrechte gerunge, die die gerigen luͦte sere buͦrnet und twinget.
Stackmann u. a., Frauenlob
3, 20, 3
(Hs. ˹
omd.
/
schles.
, Hs.
14. Jh.
˺):
ach, roselechter ummevanc, | swa munt an munde kusses gert!
Ebd.
14, 2, 8
(Hs. ˹
nobd.
, Hs.
3. V. 15. Jh.
˺):
min gerndez hoffen, | min sendez trösten und min wünschen, | ei, sie lieber, reiner lip!
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Got ruͤrt und tribet und manet und gert alle menschen gelich.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. G ˹
önalem.
,
um 1300
˺):
Zeglichir wise ist ez umbe die tuginde richū mariam. die muͦzin wir zemerstin minnē. ê dc wir ir mugin gegeron. wan dc enkan niemir werdin. dc wir ir mugin gegeron. wir enhaben sî ê liep.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
1694
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Er bedarff nit me geren denn sin, | Wil er ain rechter gottes diener sin.
Sappler, H. Kaufringer
7, 63
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
wann er mein ze puolen gert, | damit mein er ist gar versert.
Klein, Oswald
94, 12
(
oobd.
,
um 1411
?):
mit geren bas | ich nie versass | die schrenck.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
96, 2
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Des antwurt‘ an den stunden | der minne gernde man.
Munz, Füetrer. Persibein
513, 5
(
moobd.
,
1478
/
84
):
ob du meiner mynn | mit amorschafft nw füran an mich gerest.
Henschel u. a., Heidin
414
;
Päpke, Marienl. Wernher .
3.
›(eine Handlung, ein Verhalten, einen Vermögenswert) nach üblichen Regeln sozialen Umgangs oder (meist) rechtsförmlich einfordern, um etw. bitten‹.
Phraseme:
der heiligen geren
›einen religiösen Schwur leisten wollen‹;
der stange geren
1. ›sich für besiegt erklären‹; 2. ›nach der Waffe greifen‹ (vgl. auch s. v. f ).
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V.) 5.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
antwort / bekentnis / brief und siegel / eischung / frist / gedächnis / hilfe / miete / rechnung / weisung, ein pfand
)
g
.;
e. S
. (Gen.obj.; z. B.
des soldes, eines urteiles
) /
js
. (z. B.
des stäbers, eines vorsprechen
)
g., des teiles g
. ›Teilung verlangen‹,
des kreises g
. ›verlangen, daß sich der Kreis schließe‹;
geren, das [...]
.
Wortbildungen:
gerlichkeit
›Rechtsanspruch‹ (a. 1480).

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Swer vmme vngerichte beclaget wirt, der gere mit ordele eynes vorsprechen.
Loesch, Kölner Zunfturk. (
rib.
,
1428
):
Ind geren dis ure gnedige antworde.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
yclichem sal der richter eynen man geben der synen boum trage. der en sal sy nicht irren. wenne ob ir eyner vellet das her den boum vndirsteche. adir ab her gewunt wirt. adir des boumes gert. des selbin en mus her nycht tun. her en habe is denne orloub von deme richter. Noch deme das dem kreisse vryde geboten ist. so sullen sy des kreisses tzu rechte geren.
vnd sal myt syner lynken hant dem pferde gryfen an syn recht ore. vnd sal geren der heyligen vnd des steberis.
Feudel, Evangelistar
57, 18
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Der hoeste prister reyz ym abe dy cleidir syn unde sprach: ,waz gere wir mer geczuge?‘
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
umb ander sachen, der man in gehegetem dinge von rechtis halben gedechtenisze adir bekentnisze gereit.
So spricht der cleger: ich gere antwort.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
wan wille wil haben sin gebet | vnd wille gert dicke der stangen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1444
):
der maint her zu kumen und uns zu raten wider die Wallenfelser und gert keins soltz.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
n. 1437
):
wenn der, der des teiles geͣret, es an den andren uordrett, uon dem er teilen wil.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1523
):
und gerten ratt vor iren gnedigen herren von Bern, das mit urteil erkant ward.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
sol der krieg noch lenger weren, | So werden zwaͮr die stangen geren | Die Stat an allen ennden.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
Wirt ieman angesprochen umb gelt von ieman der tot ist, dez selben erben muͤgen ayschung gern drei vierzehen tag.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Do gerte der künig Odorius hilf an Pippinum.
Bischoff, Steir. Landr. (
m/soobd.
, Hs. 
v. 1425
):
ist aber der antwurter enkegen, so gert er wol weisung oder er dingt ainer vrtail.
Große, a. a. O. ; ;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 181
;
Ermisch, Freib. Stadtr. ;
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
8a, 9
;
Rennefahrt, a. a. O. ; ;
ders., Zivilr. Bern ;
Bischoff, a. a. O. ;
Haltaus
675
;
Vgl. ferner s. v.  2, (V.) 3.
4.
gerende (leute)
›Menschen aus dem unteren Randbereich der Gesellschaft, Menschen mit eingeschränkten Rechten, Bedürftige, Bettler, nach Gaben Heischende‹.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
der gerende orden
wohl ›Bettelorden‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
,  3, (
der
2, ,
1
 1, (
das
6, , , , ,  1.

Belegblock:

Joachim, Marienb. Tresslerb. (
preuß.
,
1399
):
2 m. den gernden, die mit den Franczosern zogen, ouch zu Holland gegeben.
Toeppen, Ständetage Preußen
1, 544, 9
(
preuß.
,
1431
):
alle gerende varende und losze luwthe 1 sc.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
Eczliche lute dy heissen rechtelosz, das ist anrechtig, also das ir recht nicht also volkomen ist als ander luthe unde sy mogen keynem manne behulffen syn zcu syme recht, also spelluthe
[Var. 16. Jh.:
gerende l
.]
und lotterer adir dy unelich geborn syn.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
,
um 1450
):
das er von vater unde muter elichen geboren sey, from und ouch nicht von gerenden luthen, scheffern noch sust von andern luthen, darumb er des hantwergkes darben muste [...], geboren sey.
Adrian, Saelden Hort
6052
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
mit worten, werchen súessen | den gernden kumber
[mixtura verborum; ›den Kummer der
gerenden
‹]
buͤessen.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Eralden und gernde leuͤt | Dez fursten mild al da erfrewͤt.
Durich notdurft meinez leibs nar | Nam ich der pideben herren war, | Als gerndem orden wol antzimpt, | Der guͦt durich got, durich ere nympt.
Uhlirz, Qu. Wien
2, 1, 516, 5
(
moobd.
,
1358
):
das [Haus] er von ihm gekauft und
dem gerenden chnecht .. dem Strauz
, geschenkt habe.
Adrian, a. a. O.
2791
;
Helbig, Qu. Wirtsch.
1, 27, 13
;
5.
›etw. erfordern, nötig machen‹.

Belegblock:

Menge, Laufenb. Reg.
3509
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
Vnd wenn es notturfft geͣret | So sol sú sin gewäret.