geraten,
V., unr. abl.
1.
›(jm.) etw. raten, anraten, einen Rat erteilen; (jm.) etw. empfehlen, Hilfe geben; etw. anordnen‹.
Syntagmen:
mit Akk. d. S. und Dat. d. P.
Wortbildungen:
gerätig
›beratend‹ (a. 1531).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Do der tuvel den mort geriet | Daz her prediger uz sante.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
In dem sinne ich uz schiet, | Als mir daz herze geriet.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Busschoff here laist uch geraden.
Froning, Alsf. Passionssp.
5838
(
ohess.
,
1501ff.
):
mer mogen em leyder nit gehelffen adder geraitten.
Jahr, H. v. Mügeln
129, 2092
(
omd.
, Hs.
1463
):
habt gotte lip und üwer man: | nicht baß ich üch geraten kan.
Anderson u. a., Flugschrr.
22, 7, 34
([
Erfurt
]
1525
):
were villeicht eyner oͤberkeyt geradten.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
1517
/
8
):
ob er mir geratten kan | Kürzelich in disser friste.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
Darumb ist uns von im geraten, das wir als ewer armen zu euch als zu unsern gnedigen herren eylends schicken.
Sachs (
Nürnb.
1555
):
Einig on ein ehweib zu bleiben, | Mein zeit in rhu hie zu vertreiben, | Weil ich ir wol gerhaten kan.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
do dise lúte recht gerotent, do ist ir wesen úber alle die mosse wunneklich.
Karnein, Salm. u. Morolf
27, 4
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
da truretten alle sin man, | das sie im alle nit kundent geratten | umb ein frauwe wol gethan.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
Sy kunden im all nit geraten, unnd weßten auch nit wahin.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Wan si vil dike allain was | Bi im und frage nút vegas, | Als ir wises hercze ir das geriet.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Von Chöln wis gen Speyre | Chan dir nym geraten pas.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
ich wil euch zaigen ain man, | der euch wol geraten chan.
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 70
;
Stedtfeld, Roger-Glosse
65
;
2.
›zu einem bestimmten Ort, in eine bestimmte Situation gelangen; sich einer Situation nähern, auf etw. stoßen, zu etw. werden; mit einer Tätigkeit beginnen; sich zu etw. entwickeln‹.
Phraseme:
in vergessenheit geraten
›vergessen werden‹;
aneinander geraten
›in Streit kommen‹.
Syntagmen:
mit präpositionalem Anschluss (
an, auf, in, zu
).

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
Sehet euch gleichwol für, Das jhr nicht zu schaden vnd vnglück möget gerathen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
23, 31
(
Magdeb.
1608
):
Daruͤber sie einander vbel geschlagen / vnd endlich fuͤr den Richter gerathen weren.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Die myt armbrusten konnen scheissen, | sy sullen vianden geraden we.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
sie geriehten dardurch in grossen Mangel vnd Hunger.
Perez, Dietzin
1, 2
ß9, 23 (
Frankf.
1626
):
denn ich je vnnd allwegen den Vnstern gehabt / dz ich in disputationen gerathen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
12, 9
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Wart nur, das es nicht zu ungelücke gerate.
Böhme, Morg.R.
15, 32
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
Es sind aber auch diejenigen [...] nicht wenig daran schuldig / das so eine unzehlbahre menge ins verderben geraͤth.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
Biß ich endlich in dz Studium Astronomicum gerathen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
119, 19
(
Nürnb.
1548
):
wie ein Vater sein kind straffet / das es nit mutwillig werde / vn̄ ins verderbē gerathe.
Ebd.
143, 36
:
es gereth solches fuͤr nemen sehr vbel.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Du hast mich schon viel Tag vnd Jahr, | Bewahrt fuͤr Leibs vnd Seelen Gfahr, | In welch ich gwiß gerathen wer, | Wo dus nicht verhuͤtet trewer HERR.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
O kinder, die in dise porten wol und recht geroten weren, wie ein minnenklich ding das were.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 213, 2
(
Hagenau
1534
):
Reycher / grosser / weiser leutte kinder / geradten selten wol.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Damit aber solches herrlich vnd Goͤttliche Miracul [...] nit so leichtlich in vergessenheit geriethe.
ist sie in schwere Melancholey gerathen.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2376
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Do er ze non zÿt verschied, | Sin sel hin zuͦ der helle griet | Verainet mitt der gotthait.
Klein, Oswald
41, 42
(
oobd.
,
1428
):
an allen jamer in sein kamer ich geriett.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
damit der mächtigist und geweltigist damalen fürst in Frankreich, herzog Thessel aus Baiern und der künig sein vetter nit aneinander gerieten.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1628
):
das etlich unserer burger zu Pechlarn [...] in abschlag und verderben gerathen.
Qu. Brassó
4, 224, 8
(
siebenb.
,
1633
):
in diesem selben Jahr bin ich in ein gross Unfall durch einen Hundebiss geraden.
Ebd.
4, 226, 16
(
siebenb.
,
1635
):
den 10. Sonntag Trinitatis ist mein liebes Ehegemahl Rosa [...] in ein schwere Krankheit geraden.
3.
von Geschehnissen, Tätigkeiten: ›zu einem Erfolg werden, glücklich ausgehen, gelingen; geschehen, passieren, sich begeben‹; von Pflanzen, Bäumen, Sträuchern: ›gedeihen, gut wachsen, Erträge bringen‹.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Versuchen ist kein Schand / geraͤhts nicht so schadts nicht.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
257, 15
(
Magdeb.
1608
):
So greth es doch nicht solcher arth / | Wie es zuvor gemeinet ward.
Luther, WA f. (
1531
):
eichene oder eigene anschlege geraten selten wohl.
Beckers, Bauernpr.
50, 27
(
Köln
1515
/
18
):
Garden frucht geraidt woll.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
das selbige jar gered das korn wol.
Küther, UB Frauensee
302, 19
(
thür.
,
1506
):
ab Got die gnade gebe, das der wynn gerate, sal der obgenant hoffman dem probst 1 thun wynß gebenn.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
desselben jars ward ein dürrer herbst und geriet wol der wein.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
wann alle frücht sein alle jar wol geraten und überflüssiglich gewachsen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
146, 5
(
Nürnb.
1548
):
des Teuffels anschlag geredt nicht.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 455, 23
(
Hagenau
1534
):
Geret es nicht eyn mal / so geret es das ander mal.
Karnein, Salm. u. Morolf
777, 7
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
sie wuhste nit, wie es geriet.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
der ist diser gloggen maister auch gewesen, aber sie ist nit geratten, das ist sein schad.
Henisch (
Augsb.
1616
):
(Wol) bedacht / gerath offt vbel.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
In einem land gerot es ettewan basz den in dem andren.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
der erden früchte niht sô wol gerâtent sam andreu jâr.
Klein, Oswald
16, 47
(
oobd.
,
1407
?):
den [aubent stern] sëh ich gern; möcht mir der wunsch geräten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Nun weiter heb ich in gottes namen, das es wol gerat, das werk an.
4.
›einer Person, Sache entbehren, darauf verzichten; jn. / etw. vermissen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  1, , (V.) 23,
1
 34.
Syntagmen:
mit Gen. d. S., vereinzelt auch mit Akk.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
so kan auch die Christenheit wol solcher Bisschove und Bepste geraten.
Ebd. (
1530
):
Denn so wenig wir essens und trinckens geraten koͤnnen, so wenig konnen anfechtung und leidens geraten.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Carere. Entberen fälen gebrechen gerathen mangeln entrathen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Kein mensch so mechtig oder Reich, | [...] Der in worten oder thaten | Seins nehsten huͤlffe kan gerathen.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
37, 2
(
Frankf./M.
1568
):
Hieher / wer Fleisch nit kan gerathen / | Zu Sieden / Kochen vnd zu Brahten.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
40, 37
(
nobd.
,
1413
):
als des not geschehe, wolte es anders eyn apte oder dye synen nit enbern oder geraden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1449
/
50
):
daz der kaufman bei in seins gewerbs über lant nicht geraten mocht.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
das ir unser hilf nit geraten oder empern möcht.
Bell, G. Hager 3 Vorrede,
7
(
nobd.
,
1600
):
Dann das Hausshalten darff so vil sorg vnd mühe, das man das Tichten vnd Singen wol gerathen kundte.
Lexer, Tucher. Baumeisterb. (
nürnb.
,
1464
/
75
):
dardurch der pach nit gehindert wert; dann man sein nit geratten mag in der stat.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
72, 11
(
Nürnb.
1548
):
Sonderlich wenn die not dermassen fuͤrfelt / das wir des betens nicht koͤnnen gerathen.
Sachs (
Nürnb.
1553
):
Ir seidt im schuldig 40 ducaten, | Der kün er lenger nit geraten.
Ebd. (
Nürnb.
1563
):
Dargegen meid und thu gerhaten | Aller unart, dorheit und laster.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1533
):
Nun war der Meister mit vil Arbeit uͤberladenn, [...] das er des Knechts nit geraten mocht.
Auer, Stadtr. München (
moobd.
,
1347
):
der sol dem chlager daz gelt guot machen, in dem dinckhaus, ob er sein nicht geraten wil.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1624
):
soll man ainem seinen werchzeuch nit angreifen [...] es wurt dann ain uberflus befunden, dës er zu seiner hantierung woll geraten möcht.
Karnein, de amore dt.
179, 747
;
Bad. Wb.
2, 369
.