gemüt,
das
;
-es/-er
, auch
.
1.
›Seele, Psyche, Herz, Gemüt; Gefühl, Empfindung, Stimmung; geistige und seelische Verfassung des Menschen‹; offen zu 2.
Vielfach poetische Texte sowie Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
etw. get jm. zu gemüt
›etw. geht jm. zu Herzen‹.
Bedeutungsverwandte:
(
das
4, , , .
Gegensätze:
1
 1.
Syntagmen
das g. entzünden / erlustigen / erofnen / schänden / stärken / stillen
; Doppelformel:
g. und herz; das bewegte / erhabene / gesunde / getreue / gute / menschliche / sanfte / sichere / sorgliche / traurige / unverzagte g
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der [...] | arm wart des gutes | Und also kranc des gemutes.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Kaͤyser Augustus hat die Menschliche Gebrechen also pflegen zu vnterscheyden / das theils von der Natur erspriessen theils vom Gemuͤth.
Pfefferl, Weigel. Gn. S. 
169, 16
(
Magdeb.
1615
):
so er sich weiter erhebet mit dem Gemuͤthe zuschawan die Goͤttliche Dinge.
Alberus, Barf. (
Wittenb.
,
1542
):
Da bey man merckt das Franciscus ein Jungfraw an leib vnd am gemuͤte ist.
Rosenthal. Bedencken
22, 17
(
Köln
1653
):
Wann dann das Gemüt sich erinnert / wo des liebsten Freundes Leib begraben sey.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Voluntas. Wil hertz gemuͤt sinn meynung anmut wollgefall.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
174, 5
(
Frankf.
1535
):
Er [Saphir] stercket das gemuͤt in guͦten dingenn.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
vnd war ein Edelmann eines wehrhafftigen vnd vnerschrockenen Gemuͤts.
Perez, Dietzin
1, 316, 11
(
Frankf.
1626
):
Die Daͤmpff vnd Nebell / so von dem Wein vber sich steygen verfinstern nicht allein Gesicht / sondern zugleich auch das Liecht des Gemuͤhts.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
41, 36
(
omd.
,
1487
):
Szal sich das weÿp mitt etlicher bitterkeit ÿres gemúttes gehorsamlich halden.
Strauch, Par. anime int.
72, 32
(
thür.
,
14. Jh.
):
reinekeit des herzin daz ist lutirkeit des gemudis.
Thür. Chron.
7r, 17
(
Mühlh.
1599
):
Hannibal [...] war seiner Sinne vnd Gemuͤhts nit gar ein Kind.
Göz. Leichabd. (
Jena
1664
):
Zwei verliebte seind ja nur ein Gemuͤht und eine Seele.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
Du salt lîb haben den herren dînen got ûz gânczem dîme herzen und ûz ganzir dîner sêle und in ganczem dîme gemuͦte.
Sermon Thauleri
13ra
(
Leipzig
1498
):
Dz gebete ist nicht anders. dan eyn auffgang des gemutes yn got.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
Nemet diese Prophecey wol zu Hertzen / zu gemuͦth vnd sinnen.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
176v, 12
(
Leipzig
1588
):
Das gute Freundschafft eigentlich heisset: Ein Zusammen neigung / Verknüpfung vnd Verbindung der Hertzen vnd Gemuͤter der Menschen.
v. Ingen, Zesen. Ged.
392, 2
(
Breslau
1641
):
Ich schertze / doch nur mein Gemüthe zu erlustigen / und den Verstand an dergleiche Sachen zu wetzen.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
Denn also werden deß Gestirns erscheinungen eher in dem Gemuͤth deß Menschen erkandt; als an dem Himmel geschehen.
Gille u. a., M. Beheim
82, 478
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Also het er durch ander | menschen red senft gemut, vernunfft, | verstentnis fur ander leut.
Reichert, Gesamtausl. Messe
25, 31
(
Nürnb.
um 1480
):
so vil mer wechst die danckberkeyt in seiner sele oder gemuete.
Anderson u. a., Flugschrr.
8, 4, 20
([
Nürnb.
]
1524
):
In der ersten wirt des mensschen gemuͤte formiret zu redligkait oder vernunfft.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
10, 4
(
Coburg
1626
):
sein Hertz vnd Gemuͤth triumphiret vor grosser Frewdigkeit.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
gebet ist nút anders wanne ein ufgang des gemútes in Gotte.
Ebd. (
els.
,
1359
):
Das bitten das meinet ein zuͦgekert gemuͦte mit einer inniger begerunge zuͦ Gotte.
der dritte mensche das ist das gemuͦte, das oberste teil der selen.
Karnein, Salm. u. Morolf
132, 1
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
Morolff gedachte in dem gemüte sin.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel,
534
(
schwäb.
,
1455
):
Maria, maget und kunigin, | Der hymmel hort vol guet, | Mach rüstig min gemüt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1555
):
weliches meinem lieben weib aus weiplicher plödigkait zuͦ gemuet gangen.
Heydn. maister
23v, 6
(
Augsb.
1490
):
Dieweil aber er gar eins schaͤmigen gemuͤts wz.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
212r
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Der vnruͤwig gemuͤt hab vnd im nahtes / swaͤr tromet, der nem betania vnd hab si nahtes by jm.
Wyss, Luz. Ostersp.
2545
(
Luzern
1583
):
Wir hand in vnsrem gmuͤtt allein | Erwelltt ein magtt, klar, küsch vnd rein.
Buijssen, Dur. Rat.
22, 15
(
moobd.
,
1384
):
Das alleluia gehort zw der frewd des gemuecz der czwelifpoten.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
185, 45
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wenn der pöz geist peginnet cze stüermen dy vest vnsers gemüets.
Bauer, Imitatio Haller
54, 21
(
tir.
,
1466
):
ist das Jesus nicht pey dir ist [...] so pistu verlassen, vnd dein gemuet das würt petruebt vnd traurig.
Stoltzius, Chym. Lustg. ;
Quint, Eckharts Trakt. ;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
99
;
Wickram
4, 26, 8
;
Ruh, Bonaventura
359, 23
;
Dreckmann, H. Mair. Troja
39, 12
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
32, 3
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
16, 6
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 68
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 36
;
Bremer, Voc. opt.
270
;
Schmitt, Ordo rerum
329, 6
;
Voc. inc. teut.
hv iijr
;
Hulsius
F iiijv
;
Dietz, Wb. Luther f.;
2.
›Geist, Verstand; Ansicht, Meinung, Einstellung, Gesinnung; Absicht, Streben, Neigung‹.
Phraseme:
jm. etw. zu gemüte füren
›jm. etw. erzählen, mitteilen‹;
des gemüts sein
›die Absicht haben‹.
Syntagmen
das g. abmerken / anzeigen / befestigen / erklären / erweichen / sänftigen / steuern
; Doppelformel:
g. und meinung; das arge / auferhabene / barmherzige / brüderliche / christliche / edle / fäterliche / feindliche / feste / freveliche / gehorsame / götliche / königliche / küne / listige / manliche / mutige / stolze / untertänige / unterworfene / unverzagte g
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
So wenden sie ir gemute | Mit vaterlicher gute | Zu dem volke gemeine.
Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
ich wolte [...] ihnen dornach ihr Gnade und gunstige gemuete und bedencken unvorhalten wissen lassen.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Es ist nicht genug / daß ein feind friede͂ bewilliget / wenn er nicht sein feindlich Gemuͤth verbessert.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn (
Wolfenb.
1594
):
Was mus der doch ein vnbarmhertzig gemüth gehabt haben, Der seine Handt an dich vnschuldiges Kind gelegt hat.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1560
):
er sulte sich bedenken und mir sin gemoit anzeigen.
Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd. 2 oder 3?
2, 1, 19
(
hess.
,
1525
):
wir [...] haben [...] unser gemüt und mainung darin endeckt.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
140, 25
(
omd.
,
1529
/
30
):
Derhalben gelanget an e.f. g. unser underthenigk und gantz demutigk bytten, e.f. g. wollen betrachten und zu gnedigem gemut fuhren dy itzige schwere.
Strauch, Par. anime int.
29, 29
(
thür.
,
14. Jh.
):
also wonderlich alse di gemude sin der Iude also wonderlich sint di wege zu Gode.
Anderson u. a., Flugschrr.
11, 6, 13
([
Leipzig
1521
]):
setz ich in eins yeden vorstendigen vnd vnpartheyschen lesers / gemut / und vrteil.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
die inen verrer ir gemut anzaigen und zu erkennen geben söllten.
Franck, Decl.
346, 10
(
Nürnb.
1531
):
Dann der wein [...] verfürt das gemuͤt.
Sachs (
Nürnb.
1555
):
Ich will euch mein gemüt erklern.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Eur künes Gmüth mir wol gefelt. | Dergleich will ich auch kämpffen ebn.
v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
so hat doch die edle Sanftmut in seinem Gemuͤte fuͤr gedrungen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
volge dinem gekrúzigotten Gotte mit underworfenem gemuͤte in wore verkleinunge din selbes.
Wickram
4, 5, 7
(
Straßb.
1556
):
binn guͦter hoffnung / euwer gemuͤt habe sich gegen mir auch nit anderst verendert.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1524
):
da hat man zuͦ im gesagt, ob er noch wolle des gnuetes und glaubens sein, wie in seine eltern haben gelert.
Ebd. (zu
1552
):
so ist den gegenwesenden von geschlechtern nit zuͦwider, sich ires gemuets freundtlich zuͦ ercleren.
Brandstetter, Wigoleis
222, 31
(
Augsb.
1493
):
wann jr vil von got dem herren mit vestem starckem gemüet vnd hoher vernunfft seind begabet.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Wann wir etwas reiffers die Gesandschafft [...] zu Gemuͤth fuͤhren / auch die Antwort.
Jörg, Salat. Reformationschr.
306, 21
(
halem.
,
1534
/
5
):
sust erbuttend sy sich jnen gantz guͦtwillig / und geneygtz gemuͤtz.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
2, 23, 8
(
Luzern
1526
):
das ich solches nit thuͦ, noch thuͦn wil vß gemiet vnd meinung.
Wyss, Luz. Ostersp.
720
(
Luzern
1583
):
So werd Gott durch sin milltte guͦtt | Erkennen vnser ghorsam gmuͦtt.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Den chünig übercham sein weib chünigin Guͦt [...] mit grosser pet, daz si sein gemút senftiget gen irem bruder.
Boot, Cassiodor. Hist. Eccl.
23, 10
(
moobd.
,
um 1385
):
mit ewrem unvercherleichem starkchem gemuet, daz unuberwindleich allen veinten angesigt.
Ettmüller, Heinr. v. Meißen
283, 13
;
Küther, UB Frauensee
392, 21
;
Roloff, Brant. Tsp.
1152
;
Dreckmann, H. Mair. Troja
43, 7
;
Bachmann, Haimonsk. ;
Moscouia
E 1r, 33
;
Skála, Egerer Urgichtenb.
133, 9
;
3.
›Stimmung, Lust, Mut‹.
Syntagmen:
das g. erfrischen / hochhalten; das freie / frische / frohe / gleiche / gute / lustige / neue / starke g
.

Belegblock:

Kehrein, Kath. Gesangb. (
Mainz
1605
):
DEr Heilig wahr Leichnam der ist gut | Er bringt mir ein frisch gemuͦte.
Froning, Alsf. Passionssp.
1839
(
ohess.
,
1501ff.
):
des muß ich ummer weßen fro, | want myn gemude heldestu ho.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
sô dem guoten und gerechten menschen schade geschihet ûzerliche, ist, daz er blîbet glîches gemüetes.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A iijr, 22
(
Leipzig
1625
):
Allda ich / wie anderm allem / meine Augen vnd Gemuͤth zu erfrisschen [...] verhoffete.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz man alle ding von Gotte genemen kan in gelicheme gemuͤte.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
sint noch hüte starkes gemuͤtes und fehtent unerschrokenliche.
Karnein, Salm. u. Morolf
711, 5
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
vil froe sin gemute was.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Daz selbe minekliche kled | Gitt frowen gütt gemütte.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein faul vnd traͤg Gmuͤt aufbringen vnd ermunteren.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
80, 41
(
tir.
,
1464
):
die versprachen mir grosse guethait vnd suessighait, ist das ich pelib in ainem starkchen fürsacz vnd gemüet.
Opitz. Poeterey
22, 33
.
4.
›Gesamtheit der Empfindungen und Gedanken eines Menschen; sein Charakter und Wesen; der Mensch als Ganzheit‹.
Syntagmen:
das aufrichtige / erliche / fromme / grosse / keusche / ledige / redliche / starke / treue g
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
311, 1579
(
Magdeb.
1608
):
Das auch daruͤber viel verderben [...] Soll ein Ehrlich gemuͤth nicht schrecken.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Köln
1583
):
Dem HErren mits hertzen gemuͤth auß andacht, | Lobgesang singen.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
19, 26
(
Frankf./M.
1626
):
Der ander sein Gemuͤth mit ruhm bemuͤhet hat.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz ist, daz des menschen gemüete genzlîche ze gote sî.
Weise. Jugend-Lust (
Leipzig
1684
):
da werden sich alle redliche Gemuͤther vom Hofe begeben.
Heydn. maister
33v, 9
(
Augsb.
1490
):
dann sÿ wolten jre gemuͤt mit seiner ler nit beladen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
wie wol sie argwonet der riter hab sein gemüt zuͦ ir gestellet.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Dein Gmuͤth richt auff / zu disem lauff.
Sudhoff, Paracelsus (
1536
):
also was sein gemuͤt und sinlicheit betrift.
Klein, Oswald
115, 28
(
oobd.
,
n. 1438
):
wann ir gemüt ist voller mail.
Moscouia
E 1v, 21
(
Wien
1557
):
So ist er doch aines gar Eerlichen treuen vnnd frumen gemuͤts geweßt.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
1555
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
29, 10
;
dies., Imitatio Haller
87, 27
.