gedächtnis,
die
;
-Ø/-nisse
;
auch
das
;
-nisses/-nisse
;
zu
mhd.
gedæchtnisse
›Andenken, Erinnerung‹
().
1.
›intensives Denken, Nachdenken, Reflexion, Meditation‹;
vgl. (V.) 12.
Bedeutungsverwandte:
 2.

Belegblock:

Gerhardt, Meister v. Prag
168, 9
(Hs. ˹
nobd.
,
1477
˺):
Ihesus wart gefragt von den gleisnern: wenn kumt gotes reich Do antwort in Ihesus vnd sprach: Gotes reich kumt nit mit gedechtnus.
Gille u. a., M. Beheim
142, 39
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Also sol ăch vor abe | kain klaine weil oder czeit sein, | in der dich dy gedehtnis mein | mit niht vor augen habe.
Ruh, Bonaventura
330, 25
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
also das nit allain das inn halten der hailigen geschrifft, me auch alle vnnser gedaͤchtnüß die sol sich vͦben in den dingen.
Bauer, Geiler. Pred.
82, 5
(
Augsb.
1508
):
und also gang von ainem stuck seines leidens zuͦ dem andern mit deiner gedaͤchtnus / biß daz dir dein hertz entzünt würt.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
2108
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Nu als der leichnam aufgehalden wirdet daz er icht valle mit den fuessen oder mit ander hilffe, also wirdet die sele aufgehalden mit lieb, willen vnd gedächtnüss in got.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
59, 29
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
nach ainr tegleichen vͤbung irr gedaͤchtnuͤss vnd nach ainr fleissigen suͦchnuͤs ains dings, choment fuͤr vnd entspringent vil wunderleichew ding mit ainr vnentpfintleichen snellichait.
Höver, Bonaventura. Itin. A
7
(
moobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
also kümbt nyemand zuͦ der beschawumb oder spehumb das ist contemplyerumb nor durch ain durchsehendew gedëchtnüß oder betrachtumb vnd durch heyligev wurckumb vnd durch andachtiges gepeet.
Bremer, Voc. opt.
267
;
Schmitt, Ordo rerum
107, 26
;
330, 9
;
Voc. Teut.-Lat.
k iiijr
;
Voc. inc. teut.
h iijv
;
Hulsius
C iijr
;
Schmid, R. Cysat
6, 35
;
Göpfert, Wb. Katechismus
87
;
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 370
;
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 32
;
Dietz, Wb. Luther ;
Öst. Wb.
4, 69
;
Vorarlb. Wb.
1, 1076
;
2.
›Gedenken, Andenken, Erinnerung‹, mit Gen. d. P./S.; metonymisch ›schriftlich fixiertes Gedenken, Gedenkschrift‹;
vgl. (V.) 4.
Phraseme:
Personenbezeichnung mit nachgestellter genitivischer Wendung des Typs
der kaiser hochlöblicher gedächtnis
›der Kaiser ruhmvollen Andenkens‹.
Bedeutungsverwandte:
.
Syntagmen:
die g. ausrotten / halten / machen / vergessen; etw. zu einer g. hinterlassen / tun / verzeichnen; die g. der gerechten / herren / märtyrer / toten; eine böse / ewige / frische / fruchtbare / künftige / löbliche
.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. 76, Prosa (
1635
):
sang ich die [...] Ode, welche mir noch in frischer Gedächtnüß hienge.
Pfeiffer, Nic. Jerosch. Chron.
154
(
preuß.
,
um 1330
/
40
):
des gedëchtnisse ist in dem segne alle vrist.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
210, 5116
(
Magdeb.
1608
):
Die Fraw schleunig wider hinging / | Vnd laß zusamen etlich ring / | Die jhr vertrawete freunde gaben / | Jhr gedechtnus dabey zu haben.
Anderson u. a., Flugschrr.
3, 7, 32
(
Wittenb.
1525
):
das er sollt lauter brot vnd weyn zu seynem gedechtnis eynsetzen.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
historia die is ein gezuige der zit, ein liecht der wairheit, ein leven der memorien of der gedechtnisse.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
Das thuͤt zu meyner Gedechtniß.
Wyss, Limb. Chron. (
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
darnach ober hondert jar geborn solde werden, ein memoriale, daz ist ein gedechtnisse, daz vor dem huise geschach.
Harms u. a., Alberus. Fabeln
30, 24
(
Frankf./M.
1550
):
das man mit groben Leuten seuberlich faren muß / wie Keiser Sigismundus hochloͤblicher gedechtnus gesagt hat.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
riefft jhr in die gedächtnuß, mit was fleiß vnd innbrunst er von jhr vrlaub begert hett.
Feudel, Evangelistar
46, 18
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
swo wirt gepredigt diz ewangelium in der werlde, so sprichet man daz sy dis hat getan in syme gedechtnisse.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
23, 17
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Solte ich dann die gedechtnüß meiner allerliebsten aus dem sinne treiben, böse gedechtnüß würden mir in den sinn komen.
Küther, UB Frauensee
259, 6
(
thür.
,
1489
):
dorch den irluchtenn hochgebornen fürsten unde herren hertzogin Wilhelms seliges gedechtnisses.
Ebd.
387, 11
(
thür.
,
1528
):
wiewol wir etliche copienn alter verschreibung, etwa lanntgraff Fridrichenn hochloblicher gedechtnus, durch eynenn probst zcum Sehe zugeschickt.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
wir wollen eynen torm machen, der do gereicht yn den hymmel, das wir eyn gedechtenisse machen unssers namen eer wenn wir die lant under uns teilen.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
Diz ist mîn lîcham der vor ûch gigebin wirt, und diz tuͦt in mîme gedêchtnisse.
Anderson u. a., Flugschrr.
11, 5, 12
([
Leipzig
1521
]):
vnd ist bey meniglich noch in frischer gedechtnis.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
Avijv, 27
(
Leipzig
1625
):
ein Sohn des Hertzogen Venturoso, Hochloͤblichster Gedaͤchtnüß.
Logau. Abdank.
170, 24
(
Liegnitz
1651
):
Die Gottlosen haben unter andren diese Straffe / daß jhr Gedaͤchtnüß außgerottet werde auf Erden.
Gille u. a., M. Beheim
109, 174
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Und ir gedechtnis würt für war | vergessen mit ainander gar.
Langen, Myst. Leben
154, 19
(
nobd.
,
1463
):
Ir gedechtnuß zerget als der / glocken don.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1468
):
also lieben kinder und enencklein wollet bruderlichen und freuntlichen leben, diese gedechtnusse und schrieft zu hertzen nemen.
Reichert, Gesamtausl. Messe
32, 20
(
Nürnb.
um 1480
):
der priester der tregt gewoenlich an der casel oder meßgewandt zwey kreutz [...] zu eyner gedechtnuß des leydens Cristi Ihesu.
v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
zur gedaͤchtniß dieser Eroberung / führten sie die Glocke [...] mit sich nach Zuͤrich.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
296, 17
(
els.
,
1362
):
do wart er von dem folke gebetten daz er zuͦ einre gedehtnicz beschribe daz ewangelium daz inen sant Peter brediget.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
die gedechtniß der súnd was in in durch alle iar.
Wickram
4, 36, 17
(
Straßb.
1556
):
Dann [...] noch in frischer gedechtnus ist / das ein guͦter Edelmann seiner toͤchteren eine versorgen [...] geben wolt.
Morrall, Mandev. Reiseb.
21, 19
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
in der statt zuͦ ainer gedechtnúß ist ain schoͤn kirch.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
iedem schiltfessl ließ er auß ieder hand zwen finger abschlahen zu ainer gedechtnus irer boshait, die sie getriben.
Memminger Chron. Vorr. (
Ulm
1660
):
Solte man dieses nicht in die Chronick zum ewigen Gedaͤchtnuß verzeichnen.
Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1547
):
zuͦ der gemeind und unser nachkomen handen ewiger gedechtniß ein urkuͥnd legen soͤlty.
Ukena, Luz. Sp.
335
(
halem.
,
1575
):
Man wirdt kümmerlich von den lütten | Die gedächtnuß Jesu Christ vßrütten.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 163, 105
(
Luzern
1585
):
Diße Argumenta sind allso zur gedächtnuß hinderlaßen, ob mans villicht in künfftiger zytt ouch in Rymen verfaßen vnd spilen wöllte.
Gereke, Seifrits Alex.
1607
(
oobd.
, Hs.
1466
):
da saczt wir dem hern | die sewl zu lob und zu ern | und zu gedechtnuss dem chnaben.
Buijssen, Dur. Rat.
31, 30
(
moobd.
,
1384
):
darumb zu ainer gedechtnuͤzz der tauf wirt daz wazzer alle suntag gesegent.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Als Claudius gestorben was, hiengen im die Römer zu gueter gedächtnüss auf ainen guldin schilt.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Kaiser Maximilianus, hochlöblicher gedächtnus, hat ie auch von disem künig und helden sein geschlächt herfüeren [...] lassen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
da bracht uns auch der bemelt abbt dafur ain hantvest, von iren stiftern und unsern vorfordern, enn und uren seliger gedechtnuß, ausgegangen.
Bauer, Imitatio Haller
96, 20
(
tir.
,
1466
):
Wenn der mensch pegraben würt in das ertreich, so würt sein gedechthus gar pald vergessen.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1495
):
des zu gueter gedechtnüss sind diser register drew gemacht.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
10, 1
(
mslow. inseldt.
,
1612
):
śolches Zue ewiger gedechtnuß in diß Stad protocoll ein Zueśchreiben, mier alleß ernstes anbeuohlen.
Morrall, a. a. O.
13, 1
;
49, 13
;
73, 24
;
173, 25
;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
11, 2
;
101, 8
;
104, 34
;
111, 25
;
124, 12
;
Alberus
ii iijr
.
3.
›Vermögen, Fähigkeit zur Erinnerung; Gedächtniskraft‹; metonymisch ›Sitz der Erinnerungsfähigkeit, Speicher der Erinnerungen, Gedächtnis‹;
vgl. (V.) 4.
Bedeutungsverwandte:
 8, .
Syntagmen:
etw. in der g. (be)halten / haben; eine gute / kleine / scharfe / wunderbarliche g
.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. 84, Prosa (
1635
):
sie [Poesis] ist mir meistens aus dem Gedächtnüß entgangen.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Ein ding ins hertz fassen oder schliessen. Behalten [...] Vnvergessen in gedechtniß haben.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2475
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
ouch bedutin sy dry kreffte der sele, | nach deme also ich hy vortzele, | des gedechnis, vornunnft unnd willen.
Sermon Thauleri
40b, 7
(
Leipzig
1498
):
So sie gedenckt, dz thut sie mit dem gedechtniß, Sal ßy liebe͂ das thut sie mit dem willen.
Opitz. Poeterey
15, 7
(
Breslau
1624
):
faßeten sie doch alles was sie im gedaͤchtniß behalten wolten in gewisse reimen vnd getichte.
Franck, Decl.
344, 34
(
Nürnb.
1531
):
Durch das besprengen des hitzigen weins wirdt die gesundtheit des gemuͤts außgestuͤrmet / vnd wirdt aller ding ein vergessenheit / vnd der todt der gedechtnus eingefürt.
Franck, Klagbr.
234, 31
(˹wohl
Nürnb.
˺
1529
):
Das almusen ist jn gar auß der gedechtnuß gefallen.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
Alle dise puncten vñ artickel sol der wund artzet in siner gedechtniß habe͂.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
561
(
pfälz.
,
1436
):
memoria, das ist alsouil gesprochen als ein vernonfftlich gedechtnisse oder behaltnis.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Der hett ain wunderbarliche gedechtnus, was er ihe gesehen und erfaren, das kont er sagen und het das wissen, als ob es den nechsten tag darvor beschehen wer.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Ein lugner muß bedaͤchtig sein / oder ein gut gedechtnuß haben.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
Damit aber solches herrlich vnd Goͤttliche Miracul desto kraͤfftiger in Gedaͤchtnuß der Menschen eingepflantzet verbleibe.
Heidegger. Mythoscopia
70, 14
(
Zürich
1698
):
was endlich das Vers-machen belanget / hat man sich zuberichten / daß dises Hirn und Gedaͤchtnuß schaͤrfet.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz dritt kämerlein ist ze hinderst in dem haupt und in dem ist der sêl kraft, die dâ haizt memorialis, daz ist gedæchtnüss.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
83, 194
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
daz dew gedaͤchtnuͤss vol hat mit der menig der gesicht vnd der gestalt sulcher dinge.
4.
›alter Brauch, Überlieferung, Tradition‹;
vgl. (V.) 4.

Belegblock:

Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Darnach fragt thobias, warumb doch das geschicht mit dem kindt war geschehen. Do antwuerten sy im und sagten, wie es ein gedachtnus war und herkomen.