evangelium,
auch
evangelion,
das
;
-s
/
evangelien
, über kirchenlat.
euangelium
aus griech.
euaggélion
(
Kluge/S.
2011, 264
); noch im Frnhd. häufig mit lat./griech. Flexion;
im Pl. nur Bezug auf die vier Christuserzählungen der Evangelisten:
evangelien
.
1.
›frohe, heilswirkende Botschaft vom Leben und Sterben Christi‹; mit Tendenz zu: ›zu den Menschen sprechendes Wort des christlichen Gottes‹; speziell: ›Neues Testament als überlieferte Erzählung, Heilsgeschichte und Lehre Christi‹; partikulär für: ›einzelne Christuserzählung der vier Evangelisten (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes)‹; mehrfach ütr. und spezialisiert: ›durch Christi Heilstat ermöglichtes Heilsangebot‹; ›von Gott gegebene Anleitung zu einem christlichen Leben; christliche Lehre‹; ›biblische Lehreinheit‹; ›schriftlicher Evangeliumstext‹; ›Lesung des Evangeliums in der Liturgie‹; ›die materielle Textvorlage, Bibel (auch als sakrale Grundlage bei der Schwur- und Eidesleistung)‹; in einigen Belegen: personifizierte Sprache Gottes. Während der Reformation wird
evangelium
zum Schlag- und Programmwort (und tritt in Gegensatz zu  6), dann auch: ›protestantische Übersetzung und Auslegung des Evangeliums bzw. der Bibel durch Luther‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Zur Sache:
LThK
3, 1255
ff.
Phraseme:
das evangelium nach seiner küche glosieren
›das Evangelium nach eigenem Gutdünken auslegen‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld):  1,  10,
1
 14,  1, , ,  1,  23, , , (götliche) ,
wort (Christi / Gottes)
; vgl.  7.
Gegensätze:
 6.
Syntagmen:
das e. anfechten / annemen / erklären / fälschen / glauben / hören / kennen / leren / lernen / predigen / schreiben / singen / teilen / treiben / unterdrücken / verfolgen / verkeren / verkündigen / verstehen / verteidigen / wissen, jm. schenken, kund tun
;
das e
. (Subj.)
eine gabe / gnade / predigt, ein (gutes) gerücht / geschrei, eine rede von Christus, gottes angesicht, ursache für etw., ein werkzeug des heiligen geistes sein, das e. falsch / gefälscht / gefällig / gerecht / lieblich / verdekt / verständig / war sein, das e. fallen / kommen / untergehen, etw. ausweisen / leren / sprechen, jn. erschrecken / strafen / wären bis an das ende der welt, von etw. melden, etw. wieder jn. vermögen, scharfe augen haben, in des herzen grund sehen können
;
j. des evangeliums begriffig sein, sich des evangeliums rümen
;
dem e. feind sein, dem e. gemäs leben
;
auf das e. schweren, etw. aus dem e. lesen / nemen, sich bei dem e. wärmen, got durch das e. hofnung wirken, jn. durch das e. erlösen / stärken, frölich machen, die propheten durch das e. auslegen, der her in dem e. sprechen, den glauben im e. beweren, etw. in dem e. finden / lesen, j. in das e. kriechen, den geist mit dem e. ausgiessen, nach dem e. leben, über das e. dichten / schreiben, von des evangeliums wegen disputieren, jn. fangen / vertreiben, sich vom e. nären, etw
. (Subj.)
wieder das e. sein, zu dem e. gehören
(z. B.
der glaube
),
j. zu dem e. geweihet sein
;
das deutsche / friedliche / heilige / helle / klare / lautere / lutherische / neue / offenbarte / tröstliche e
.;
das e. Christi / Luthers, sankt Matheus / Johannes
;
der diener / gehorsam / glanz / glaube / laut / schaz / widembrief, die aufbauung / aufnung / ausbreitung / aussprengung / erleuchtung / handhabung / lere / letze / merung / predigt / sage / summa / unterdrückung / warheit, das anbegin / gehör / glük / liecht / unglük / volk / wort, die früchte / verächter des evangeliums
;
die allegation aus dem e
.
Wortbildungen:
evangeliumbuch
.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
E. 16. Jh.
):
Nach dem leith der Churf. zu Meintz der Key. May. das Evangelium buch aufgethan auf die schos.
Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
79, 4
(
preuß.
,
1437
/
8
):
item 1 buch mit ewangelien und mit heiligthum.
Ebd.
94, 28
:
ewangelia deuwtsch, item vitas patrum deuwtsch.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
MAn ne sal niemanne vorvesten noch orteil vf in sprechen, [...]. daz beweret man vf deme hilligen ewangelio vnde vf deme buͦche scolastica historica.
Luther, WA (
1522
):
Gott, der da hoffnung wirckt durchs Euangelion, der gebe euch gnade, das yhr das Euangelium wol treybet und glewbt.
das gott tzweyerley wortt oder predigt ynn die wellt hatt [...] gesandt: Gesetz und Euangelion.
Euangelion ist kriechisch und heysst auff deutsch: eyn frolich botschafft, [...]; drumb horet zum Euangelio nit werck, denn es ist nicht gesetze, ßondern alleyn glawbe.
das Euangelion wirt weren biß an das ende der wellt.
Es hat mir auch nicht übel gefallen, die Summen Johann Buggenhagen [...], auff ein yegklichs Euangelion verdeütschet zuͦ drucken.
da kreüchtt man denn gantz ins Euangelion und wirt newe und lest die alten haut draussen.
Derhalben so ist kain griff dartzuͦ, mit gewaldt das Euangelion under zuͦdrucken. [...] Solcher ardt ist auch das Euangelion, yhe mer man im widerstehet, ye groͤsser es einreyßt.
wenn das Euangelion nicht angefochten wirt, so verrost es gar.
Jch aber setze widder aller veter spruch, widder aller [...] teuffel kunst und wort die schrifft und das Euangelion.
Euangelion leren macht Apostel und bisschoffe.
Denn das Euangelion hat scharffe augen und sihet tieff ynß hertzen grund.
Das Euangelion aber ist eyn rede und vorkundigung des zugesagten heyls und selikeyt, des ewigen lebens durch vorgebung der sunde, die uns Christus erworben hat.
Das man zu allererst musse das Euangelion hoͤren, darnach gleuben und lieben [...]. Das Euangelion aber ist eyn gut gerucht, rede, geschrey von Christo.
Ebd. (
1530
):
das itzt viel des heiligen Euangelien so misbrauchen, das es sunde und schande ist, als weren sie aller ding durchs Euangelien so gefreiet, das sie nichts mehr thun, geben und leiden solten.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Wir lesen in dem heiligen êwangeliô, daz unser herre gienc in den tempel.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
das jnen nit scheyne die erleuchtung des Euangelions vonn der klarheit Christi.
Froning, Alsf. Passionssp. (
ohess.
,
1501ff.
):
als sprichet des ewangelies wort: „[...]“.
Laufs, Reichskammergo.
159, 28
(
Mainz
1555
):
Die secretarien, ingrossisten und copisten [...] sollen [...] auf das heylig evangelium schweren.
Kehrein, Kath. Gesangb. 1, S.  (
Mainz
1605
):
Das Euangelium soll auch gesungen werden.
Ebd. (
Nürnb.
1631
):
daß sie
[Lieder]
aͤlter seyn als Luther vnd sein newes Evangelium.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
außsprengung oder außbreitung des Euangelij / durch den gantzen Erdenkreiß.
Anderson u. a., Flugschrr.
21, 3, 17
([
Zwickau
]
1525
):
ist das Euãgelium nicht eyn vrsach der entporung odder auffrhuren / die weyl es eyn rede ist von Christo.
Ebd.
25, 3, 5
([
Augsb.
1522
]):
wie sy [...] das euangeliu͂ nah jrer kuchin glosiert habñ / vñ vns dz reych der himel verspert haben.
Ebd.
29, 8, 12
([
Augsb.
]
1524
):
wie man die Christen von des Euangeli wegen stürmet / faͤcht / verbrennet / verdreybt / die Land verbeüt.
Wendehorst, UB Marienkap. Würzb.
271, 1
(
nobd.
,
1499
):
einer gesungen tagmesse mit zweyen ministranten, der ein die episteln und der ander das ewangelium singen sollen.
Ebd.
404, 27
(
nobd.
,
A. 16. Jh.
):
der prister sol sich nach dem ewangelio umb gegen dem volk wenden und biten fur Anna Kolerin.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
nobd.
1524
):
Von den
[Feinden]
er euch hat [...] | Erlöst von irer tirannei | Durchs heilig evangelion, | Das er uß gnad euch kunt hat thon | Durch sein getrüwen knecht Martin.
Ebd. (o. O. o. J.):
Wie thuͦst du seinen willen, so du das ewangeli und ander der zwölfpoten geschrift nit kanst?
Fellmann, Denck. Schrr.
2, 22, 30
(
Nürnb.
1525
):
Alsobald das gesetz sein ampt verbracht hatt, komet das evangelium an die statt, durch das gehör des evangelis komet glaub.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
199, 13
(
Nürnb.
1548
):
die das Euangelion annemen / vnnd an Christum glauben.
Dietrich. Summaria
27r, 11
(
Nürnb.
1578
):
was fuͤr ein vnterscheid sey / zwischen dem volck des Gesetzs / vnd dem volck des Euangelij.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
[der zü einem konig erwelt] sol auch [...] geweyheyt zü dem mynsten zü dem ewangelio
(werden).
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
daz die entwúrt genomen sind eintweder von der Ewigen Wisheit munde, die si selber sprach an dem evangelio.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel , 9 Vorr. (
Straßb.
1466
):
[Matheus ist] der erst der des ersten geschriben hat das ewangelium in iudea
.
vnd hat das geschriben in hebreyscher zungen.
Sudhoff, Paracelsus (
1529
/
32
):
der propheten auslegung, die ding durch sie zu verstehn, wird durch das euangeli ausgelegt.
Rennefahrt, Stadtr. Bern (
halem.
,
1384
):
procuratores hant verheissen und gelopt bi iro geswornen eiden, di si uff den heiligen ewangelium hant getan.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
das si söllten predigen das heilig evangelium und die heilgen geschrift, wie das von alterhar komen.
das söllicher clein zechend [...] wider Gott und wider sin heilig wort und evangelium.
Jörg, Salat. Reformationschr.
569, 20
(
halem.
,
1534
/
5
):
wil es je zuͦ undertruckung des evangely / und gmeyner grechtikeytt / so baͤrlich langen.
Maaler (
Zürich
1561
):
Als warhafft seyn / als das heilig Euangelium.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Sovil vermacht das vermaint evangelium wider den lehenherren.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Euangelium / die gute vnd froͤliche Botschafft / verheissung / der gnaden [...]: werden also genannt [...] die vier Historien von dem H. Christo.
Das Gesetz ist schwachheit / das Euangelium vollkommenheit. Das Euangelium ist die beste newe Zeitung. [...] ist nicht der Welt Müntz. [...] ist ein kraft Gottes selig zu machen [...]. Mancher hoffiert dem andern / ob er kondt einen Riemen auß dem Euangelio schneiden. [...]. Wer sich bey de͂ Euangelio werme͂ will / der muß auch de͂ rauch in sich gehn / [lassen].
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
spricht auch daz êwangeli, daz der hailig gaist die werlt strâf umb ir sünd.
Meisen u. a., J. Eck
24, 12
(
Ingolst.
1526
):
der außgeloffen, maineidig münch [...] prediget wider das klar hell evangelium.
Ebd.
28, 8
:
Da bringet ir ain lumpen des neüen evangeli herfir; dann das kann ditz lutterisch evangeli schentzelen, schmaͤhen, verspotten.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
Des newen Testaments satzung vnd Christenlichs glaubs lere seinn amm maisten begriffen in Ewangelien.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1468
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
Ettleich tragen ainen tail des ewangely geschriben an dem hals.
Quint, a. a. O. ;
Fischer, Brun v. Schoneb. ;
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch ;
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
3, 3
;
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
5, 16
;
Feudel, Evangelistar
3, 22
;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
6, 22
;
Anderson u. a., Flugschrr.
12, 2, 20
;
17, 3, 13
;
18, 5, 24
;
21, 3, 24
;
25, 4, 17
;
Gille u. a., M. Beheim
29, 26
;
78, 179
;
111, 63
;
Schade, a. a. O. ;
Fellmann, a. a. O.
2, 54, 31
;
Franck, Klagbr.
232, 15
;
233, 7
;
Dietrich. a. a. O.
19r, 16
;
Strauch, Schürebrand ;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Müller, a. a. O. ; ;
Diehl, Dreytw. Essl. Chron. ;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ; ;
Roth, E. v. Wildenberg ;
2.
›Wahrheit, Aussage, Behauptung mit besonderem Wahrheitsanspruch, die man dann vornimmt, wenn man seinen Gegner der Unwahrhaftigkeit bezichtigen will‹; als Säkularisierung sowie Pejorisierung zu 1 auffassbar.

Belegblock:

Oorschot, Spee/Seifert. Proc.
474, 8
(
Bremen
1647
):
muß daß ein Euangelium sein: waß eine gar verstockte Hexe saget.
Jahr, H. v. Mügeln
1889
(
omd.
, Hs.
1463
):
[Warnung vor der Lüge]
das wort ein evangelium | lat sin, das von üch wirt gehort.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 307, 11
(
Hagenau
1534
):
so etwas geredt wirt dem man nit aller dingen glauben gibt / so sagen wir / Es ist keyn Evangelion / was der und der redet / es kan wol gelogen sein.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Euangelium, ein gewiß ding / res certa. ¶ Was man in der Statt außbraittet / ist kein Euangelium.