evangelisch,
evangeliglich,
Adj.;
aus
lat.
evangelicus
(
Georges, Neub.
1, 1908
).
– Hohe Belegverdichtung seit der Reformation.
1.
›christlich, authentisch aus dem Neuen Testament, (speziell: aus den Evangelien:) von Gott stammend, die wahre christliche Botschaft enthaltend‹; teils bezogen auf das zur Verkündigung dieser Botschaft eingerichtete Amt sowie auf die Schriften M. Luthers; auch: ›im Glauben bestehend‹ (von
predigern
gesagt); offen zu 2.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Nu sagt got: Foͤrcht dir nit, das ist ain Euangelisch wort, damit die schwachen gwissen getroͤst werden.
Ebd. (
1522
):
Was sie glewben. Antwort. Die zwoͤlff stuͤck des Christlichen glawbens, die Biblischen buͤcher und Evangelischen schrifften.
Ders., WA Bibel (
1546
):
Darnach preysset er das Euangelisch ampt, wilchs das hohist vnd trostlichst werck ist, zu nutz vnd heyl der gewissen, vnd zeygt wie das selb edler sey, denn des gesetzs ampt.
Mathesius, Passionale (
Leipzig
1587
):
in jhren Euangelischen Historien diesen Propheten / fuͤrnemlich aber dieses guͤldene Capitel fleysig vnd trewlich allegiren.
Sachs (
Nürnb.
1545
):
So schickt doch Got sein engel her, | Gut evangelisch prediger, | Verkünden uns [...] | Christus vom todt sey aufferstanden.
Ebd. (
1523
):
Wann es war ie all sein
[Luthers]
geschryfft | Evangelisch, apostolisch.
Höver, Bonaventura. Itin. B
185
(
moobd.
,
1450
/
60
):
[vnser] lerer Jhesus Cristus, do er den juͤngling, der das gesaczt behalten het, auff heben vnd pringen wolt zuͦ ewangeligkleicher volkomenhait.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
Dritte puoes, im vierundsibentzigisten Capitel angezogen, ist ewangelisch vnd not zuo hayl sündiger menschen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
31, 19
(
tir.
,
1464
):
Was ist das alt gepot vnd das ewangëlisch gepot anders prëdigen oder sagen?
2.
›christlich, dem Evangelium gemäß, der im Evangelium verkündeten Lehre Christi in der Haltung und in den Handlungen folgend‹; aus protestantischer Perspektive sich verengend zu 3.
Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
,  7810.

Belegblock:

da sorget er und fürchtet sich, das im das gelt nicht gestollen werde, Aber des Euangelions künde er ein gantz jar über gerathen, und solliche gesellen woͤllen doch für Euangelisch gehalten sein.
Dieweil nu wenig sind, die dem Euangelio gehorchen, sonder schier das meist teil boͤße buͦben und schelck bleyben, ja des Euangelions zuͦ fleischlicher freyheit [...] gebrauchen, so ist von noͤtten, das wir Oberkeit haben, wellicher wir nicht bedoͤrfften, wenn sie alle Euangelisch und Christen weren.
Ebd. (
1523
):
Aber sihe zuͦ unnd gib die welt zuvor voll rechter Christen, ehe du sie Christlich und Euangelisch regirst.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Vorr. Lk. (
osächs.
,
1343
):
Disme was des di meiste nôtturft der erbeit uzwendic den dingen di da heischen di ordenunge êwangêlischer schickunge.
Wan her di beginnunge des êwangêlischen beginnes ist lêrinde in einer stimme einer prophêtischen ûzrûfunge.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Vorr. (
Straßb.
1466
):
[der prophet ieremias] ist zuͦ gefúgt worden zu der kirchen cristi dorumb daz er mit seinem iungfraulichen leben hat zuͦ gefúgt ein ewangelischer man mit der kirchen cristi.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
Waeren sy gerecht vnd Ewangelisch [...] alszdenn solten sy sich kains fraeuels noch glayts behelffen.
3.
›der Wahrheit der in den Evangelien verkündeten Heilslehre Christi im Sinne der Interpretation Luthers folgend, protestantisch‹; im semantischen Kampf der Reformationszeit als Schlagwort für den jeweils als ,wahr‘ verstandenen Glauben eingesetzt; als pragmatische Spezialisierung zu 1 und 2 auffassbar.
Vorwiegend Texte der Sinnwelt ,Religion‘ bzw. der konfessionellen Auseinandersetzung.
Bedeutungsverwandte:
 1, ; vgl.  1.
Syntagmen:
etw. e. sein
;
j. e. heissen
;
j. evangelische brüder sein wollen
;
sich e. gegeneinander halten
;
der evangelische geist / nachfolger,
˹
die evangelische freiheit / lere
(mehrfach) /
warheit
˺ (jeweils mehrfach),
das evangelische bemühen, die evangelischen gebote
; subst.:
das evangelische
›evangelische Lehre‹,
die evangelischen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1520
/
1
):
das sie [der Pabst und die Bepstischen vorfurer] [...] blind hynn mit vorstopfften oren und augen die Evangelische lere vordamnen und vorprennen, yhr Endchristische, teufflische lere zu bestetigen.
Wo aber ist eyn ßonderung und außtzihen der speyß, [...], da seyn gewißlich menschengesetz, und ist die Euangelisch Christliche lere und freyheyt nit.
Ebd. (
1522
):
als wollt man die Evangelische warheyt verhynderen odder unterdruͦcken.
Got aber verleyhe eüch rechtschaffene und Evangelische lere.
Ebd. (
1525
/
7
):
Sonst fellet der tolle Poͤfel hinein und wollen alle Euangelisch und Christliche Bruͤder sein, richten darnach Rotten und alles ungluͤck an.
Ebd. (
1535
/
6
):
denn ob wir schon Euangelisch heissen, fuͤrchte ich dennoch, der meiste teil unter uns seien Heiden unter dem Christlichen namen.
Ders., WA Br. (
1529
):
daß mir gleich einige haben fürgehalten, wie evangelisch wir uns gegen einander hielten.
Rosenthal. Bedencken
10, 4
(
Köln
1653
):
Es seind so viel [...] vber welche alle der Herr seinen Segen gibt nach eines jeden staffel vnd maß / in dem sie die Evangelische gebott halten.
Ebd.
19, 19
:
[Martyrer] deren Hertz wir zu solchem Leiden fuͤr die Evangelische Warheit außzustehen fuͤr bereit halten.
Ebd.
39, 10
:
Viel Herrn / welche man vnderm schoͤnen nahmen Evangelischer Freyheit vberredt hatte / es sey ein schoͤnes Ding vmb die Abwerffung des Paͤbstischen vnnd Bischofflichen Jochs.
Rupprich, Dürer (
nobd.
,
1521
):
so wir diesen man
[Luther]
verliehren, [...], den du ein solchen evangelischen geist geben hast, bitten wir dich, o himlischer vatter, das [...].
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1548ff.
):
[So sind wir willens] by erkanten und einmal angenomner euangelischer waarheyt gestracks zebelyben.
Anderson u. a., Flugschrr.
2, 2, 8
([
Augsb.
]
1523
):
daß so vil dapffer [...] Bruͤder sich so treülich in d’ euãgelischñ handlu͂g bemuͤen / mit predigñ leeren vnd schreybe͂.
Ebd.
4, 9, 14
([
Straßb.
]
1524
):
Dieweyl aber diß jr selb getroͤst erstyffte freyheit zuͦ vnwiderbringlichem verderblichem schaden der seelen vnd nachteyl Christenlicher Euangelischer leer reyche͂ [...].
Ebd.
13, 5, 3
(
Leipzig
1522
):
Das ist ewangelisch / Das alleyn eyn koniglich pristerthu͂b / in der heilygen christenlichen kirchen.
Ebd.
29, 10, 19
([
Augsb.
]
1524
):
fliehen auch fürbaß die Euangelisch leer vnd pleyben in jrem alten irrthumb.
Schottenloher, Flugschrr.
70, 20
(
Landshut
um 1523
):
Seien wir ewangelisch nachfolger Christi, so sollen wir nichts mit dem teufl zeschickn haben.
Anderson u. a., a. a. O.
14, 10, 26
.
Vgl. ferner s. v.  1,  19.
4.
›nach Art der protestantischen Konfession; der Lehre Luthers (auch: der Schweizer Reformatoren) anhängend, mit dieser in Verbindung gebracht, der protestantischen Konfession zugehörig‹; auf dem Weg zur abgrenzenden Konfessionsbezeichnung; in dieser Bedeutung häufig subst.:
die evangelischen
.
Vorwiegend Texte der konfessionellen Auseinandersetzung.
Bedeutungsverwandte:
 1,  2; vgl. .
Gegensätze:
 2, ; vgl.  2, ,  3; zur Subst.:  2.
Syntagmen:
e. sein / werden
;
etw
. (Akk.obj.)
e. heissen, sich e. nennen
;
der evangelische glaube / herre / prediger / theologus, die evangelische kirche / veränderung
; subst.:
jn. wieder die evangelischen bestellen
;
das verbrennen der evangelischen, der feind aller evangelischen
.

Belegblock:

Luther, WA (
1524
):
So haben wir yhe so eynen schmehlichen und schendlichen namen fur der wellt, [...]. Wilchen man kan Lutherisch oder Euangelisch heyssen, da meynen sie, sie haben yhn mehr denn zehen mal teufflisch geheyssen.
Ebd. (
1529
/
30
):
das man sein Sacrament so veracht, [...], und wollen dennoch nicht Papistissch, sondern Euangelisch sein?
Rosenthal. Bedencken
12, 9
(
Köln
1653
):
dann also seind die Glaubensbekantnussen beyder theil / das ist / der jetzigen die sich Evangelisch vnd Reformirt nennen / vnd der noch aͤltern / Waldenser / Albigenser / einander in sehr vielen entgegen.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1602
):
daß diß volck wider die evangelischen bestellet, nichts desto weniger ihre beschirmer sein müßen.
V. Anshelm. Berner Chron.
5, 237, 7
(
halem.
,
n. 1529
):
dass in der wit beruͤempt viend aller Evangelischen, doctor Eck, uf das schmaͤchlichest mit einem lasterbuͤechle angerent.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1659
):
denen, welche von solchen orten her hinder uns und zuͦ unserem evangelischen glauben getretten.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
Man hat vor wenig jarn, ehe [...] das closter zu sant Jörgen zerstört und in die evangelische verenderung gerathen, [...].
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1532
):
und was der vater bapstisch und die muͦter euangelisch.
Anderson u. a., Flugschrr.
25, 7, 22
([
Augsb.
1522
]):
laß dich nit mercken / dz du euangelisch seyest / wañ d’pfarrer ist gantz darwider.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Thu das werck eines Euangelischen Predigers [...]. Euangelisch [...] Euangelicus. Pr. Euangelisch / ja eigenwillisch.
Wopfner, Bauernkr. Tirol
88, 2
(
tir.
,
1525
):
das man unns die ewanngelischen prediger hat vertriben, des wir unns hoch beswǎren.
Göz. Leichabd. ;
Rennefahrt, a. a. O. ;
Lauater. Gespaͤnste
32v, 17
;
Schottenloher, Flugschrr.
57, 10
;
62, 12
;
Eckel, Fremdw. Murners.
1978, 78
.
Vgl. ferner s. v.  10,  2.