essig,
essich,
der
;
-s/–
.
›saure, durch Gärung alkoholhaltiger Substanzen (z. B. Wein) gewonnene Flüssigkeit, Essig‹; u. a. eingesetzt als Würz- und Konservierungsmittel sowie in der Medizin, meist als Bestandteil von Rezepten; mehrfach und in der Regel in Verbindung mit
1
galle
2 auf die Jesus bei der Kreuzigung als Getränk angebotene Flüssigkeit rekurrierend; selten ütr.: ›etw. Unangenehmes, Schweres‹; in Phras. auch: ›Würze‹ im Sinne von ›Verstand‹.
Häufig fachliche sowie hauswirtschaftliche Texte.
Phraseme:
jn. mit essig begiessen
›jm. Verstand eingeben‹;
essig im herzen haben
›Verstand haben‹;
etw. auf den essig stechen
›zu Essig werden, sauer werden‹ (bildlich).
Bedeutungsverwandte:
1
 2,  2, ; vgl. .
Syntagmen:
den e. ansetzen / einschenken / herholen / machen / mischen / nemen, jm. (zu trinken) geben, stark / räs machen, auf etw. giessen / legen, für etw
. (z. B.
wein
)
nemen, mit etw. mischen, in etw. giessen, der wein e. geben
;
der e
. (Subj.)
abstehen / verderben, aus etw. werden, den zänen etw. tun
;
die bitterkeit ein e. sein
;
der wein dem e. gleichen
;
in e. bdellium / opoponax
(jeweils ein pflanzliches Gummiharz)
legen, eier schneiden, einen bissen tunken, das bienlein werfen, koriander sieden, mit e. etw. bereiten / einmachen, durch ein tuch zwingen, blätter zerreiben, bleiweis mischen, blumen beissen, goldglätte sieden, koriandersamen zerknütschen, mirre begiessen, nesselsamen mischen, ein pflaster anmachen, jn. tränken, etw
. (Subj.)
nach e. schmecken, j. von dem e. essen, eine salbe machen, das ungeld geben, der wein zu e. werden
;
ein gesottener / guter / natürlicher / saurer / scharfer / starker / verdorbener e., x fässer / fuder / tonnen / viertel e
.;
ein trank von e. (und honig)
.
Wortbildungen:
˹
essächtig
,
esselächtig
˺ ›sauer (wie Essig)‹,
esselen
›sauer, wie Essig sein‹ (dazu bdv.: ),
essigfas
,
essigkrug
,
essigsauer
,
essigschüssel
,
essigtrank
,
essigwaschen
(
das
),
essigwein
wohl ›Weinessig, vergorener Wein‹.

Belegblock:

Ziesemer, Gr. Ämterb.
332, 23
(
preuß.
,
1438
):
Kochennotdorft: [...] 11 scheffel erweis, 1 firtil honig, 2 vasse essig.
Luther, WA (
1532
):
ob es [tod Christi] wol anders scheinet fuͤr unsern augen, menget doch der heilige geist diesen sawren essig mit honig und zucker, das sich unser glaub erschwinge jnn Gott und lerne den todten ansehen nicht im grabe und sarck, sondern jnn Christo.
Ebd. (
1537
):
Kuͤnden sie [Der Bapst und seine Schutzherrn] uns mit Essig und Gallen trencken, So theten sie es gern.
Ebd. (
1544
):
Da er trincken begert, geben sie jm Essig und Mirrhen.
Ders. Hl. Schrifft.
Rut 2, 14
(
Wittenb.
1545
):
iss des Brots / vnd tuncke deinen bissen in den Essig.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
103, 1879
(
Magdeb.
1608
):
Knecht lauff auff die stub an ein orth / | Holl essig / vnd krafftwasser her.
Ebd.
526, 613
:
[Der verwund] wie an der Pestilentz stirbt / | Legt er nicht mit Essig die Stundt / | Senff oder Knobloch auff die wund.
Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
227v, 4
(
md.
/
oobd.
,
1446
/
8
):
salbe das gelit [...] mit einer salbenn gemacht / von ⅓ j roßenol, von ⅓ ij esßig vnd vor ⅓ ß bolu armenici.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1572
):
Ob nit halb zins uff essichwein zu setzen.
J. W. von Cube. Hortus
98, 11
(
Mainz
1485
):
Disse blomen sal man beyssen mit essig vnd saltz vnd sye hyn legen die synt zwey iare guͦt.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
116, 5
(
Frankf.
1535
):
[Bleiweiß] gemischet mit weinsteyn oͤl vnd essig / vnnd darnach darauff [wartzen an der haut] gestrichen / es heylt sie.
Lichtenstein, Lindener. Katzip. (o. O.
1558
):
und vertrinckt das gelt in bayrischen weyn, der guͦt ist und schier dem essig gleycht.
Feudel, Evangelistar
52, 2
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Alczuhant lyf eyner unde holte eynen swamp unde goz dor ezzik in unde stiz den uf eyn ror unde gap ym
[Jesus]
trynken.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
26, 12
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Coriandersahmen mit essig zerknürschet, das fleisch damit gerieben [...] lesset keine maden darinnen waxen.
Ebd.
74, 28
:
Drei lebendige krebse, stoß sie klein und zwing es mit eßig durch ein tüchlein und giebs der kue ein.
Eis u. a., Asanger Aderl.
2, 73
(
sböhm.
,
1531
):
Fur die wurbm jm pauch. [...] nym coriander, jn wein oder essich gesotten vnd dar ab trünckn.
Keil, Peter v. Ulm
82
(
nobd.
,
1453
/
4
):
Daz bedellij
[›Bdelliumharz‹]
vnd oppoponaci
[›Opopanax‹]
leg über nacht in guten essich wol bedecket.
Gille u. a., M. Beheim
175, 28
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Die selbig piterkait ein gnist, | ein griss und auch ein essich ist, | da das wild feuer von erlist. | also lischet auch neide.
Weitz, Albich v. Prag
164, 22
(Hs. ˹
nobd.
,
2. H. 16. Jh.
˺):
eßt harte gepraten eyir, gesnyten in essig vnd von dem essig eßt ader geproten
[›gebratenen‹]
keze.
Hampe, Ged. v. Hausrat
3, 3, 18
(o. O.
um 1480
):
salßfaß ein essig krug | Hafen gabeln vnd ofenkrucken.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
luͦg du, wie ich stuͦnd turstige in sterbender not mit enklein ezzichs und gallen, und waren doch alle kuͤlen brunnen des ertrichs min eigen!
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
bereit essig vaß
.
vnd fialn
.
weyrauch fesßlin vnd koͤpffe
[
Luther
1545, 2. Mose 25, 29:
Schüsseln / Becher / Kannen Schalen
]
von dem lauttersten gold.
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
6, 91, 18
(
Straßb.
1520
):
[Martin Luther hat]
seine lere an filen orten wol vnd christlich gethon / an filen auch dar gegen vnwarlich / vnnd mit dem gifft vermischet / auch vff den essich stechend.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
211r, 6
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Si aber die vissel
[›Fistel‹]
alt, das si bain / hab versert, so nim essich fúr win.
Ebd.
213v, 1
:
Wer welli machen guͦten essich, der nem slehen / vnd gewinne die in dem ersten herbst manot.
Ebd.
216v, 1
:
Das das wib die milch múg geben, mische essiches heffen mit wachss vnd legg es dar / an.
Menge, Laufenb. Reg.
132
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
Honig essich wine músche zestunt | Rätich leg ouch dar zuͦ | Vnd ysse des alle morgen fruͦ.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
swenne ez
[
binlin
, allegorisch für den
mentschen
]
sterben wil, der ez denn in essich wurfe, so kaͤme ez wider und gnaͤsi.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Mit gallen, essich man begos, | Da bi was mirre vor gesin, | Das bitter wære der sure win.
Lemmer, Brant. Narrensch.
97, 6
(
Basel
1494
):
Wie rouch den ougen ist nit guͦt | Was essich ouch den zenen duͦt.
Sudhoff, Paracelsus (
1536
):
nim goltglet und seud sie mit essig, bis es ein salz werd.
Maaler (
Zürich
1561
):
Den Essig noch stercker vnnd raͤsser machen. [...]. Esselaͤchtig werden / Zuͦ essig werde͂. [...]. Esselen / Vast saur oder essaͤchtig seyn.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 52, 34
(
schwäb.
,
1639
):
So gibt ein jeder würt von wein, meet und bier, auch eßig und brantenwein [...] daß gewohnliche umbgelt.
Voc. rerum (
Augsb.
v. 1474
):
Lechitus oͤlhaffen vel essigkruͦg est vas olei vl´vngẽti.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Der Wein wirdt zu essig [...]. Ein Wein der nach essig schmeckt.
Etwas mit essig einmachen / als ein Lendbraten [...]. Mit essig begiessen / aceto perfundere. Witzig machen [...]. Er hat essig in seim Hertzen [...]. Er ist witzig / hat ein verstandt [...]. Suͤsser wein gibt scharpffen essig.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ist daz du den scorpen in öl ertrenkst und geuzst ezzeich dar auf under der sunnen schein, sô wirt er zehant lebentig.
man läutert den balsem mit ezzeichwaschen, wenn man in dar inn welzet.
Schmitt, Ordo rerum
467, 9
(
oobd.
,
1436
):
Acidus [...] essigsawr.
Deinhardt, Ross Artzney
98
(
oobd.
,
1598
):
Nimb salz vnd essig, plaß ims [pferdt] in die augen. Es hilfft
(gegen Appetitlosigkeit).
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1490
):
Siben tzinschüsselen [...] vnd ein clain essigschüssl.
Ziesemer, a. a. O.
763, 11
;
ders., Marienb. Ämterb.
15, 24
;
Belkin u. a., a. a. O.
192, 22
;
Ermisch u. a., a. a. O.
39, 13
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Keil, a. a. O.
221
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2155
;
Stopp, Kochbuch S. Welserin
28, 1
;
Pfeiffer, a. a. O. ;
Deinhardt, a. a. O.
338
;
Zingerle, a. a. O. ;
Henisch ff.;
Vgl. ferner s. v.  19,  2,  5, (V.) 3.