erziehen,
V. unr. abl.
1.
›(das Schwert aus der Scheide) herausziehen; (ein Schwert) gegen jn. ziehen, jn. angreifen‹; vgl. er- 1.
Wobd. / oobd.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  2.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
hette man ietze blossú swert ob ir kelen erzogen [...].
Leidinger, A. v. Regensb. (
oobd.
,
um 1430
):
herczog Ernst mit seinem geboren frewnt, graf Weczelo [...] mit erczogen swerten erslugen sy snellichlich graf Heinrich.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
308, 3
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Ee die held schwert ertzugen, | do ward gefanngen Troillus der vil rain.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
so überreit in hertzog Hainrich mit ainem erzognen swert und wolt das durch in gestochen haben.
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 238
.
2.
›jn. (in der Regel: Kinder) zu tugendhaften, lebenstüchtigen bzw. religiösen Menschen heranbilden, jn. mit den Normen und Regeln von Kirche und Gesellschaft vertraut machen und ihn damit in Übereinstimmung bringen, jn. sozialisieren; jm. in einem sehr allgemeinen Sinne Bildung und Wissen vermitteln, jn. lehren, unterrichten, jn. ausbilden‹; davon zumeist nicht trennbar: ›jn. nähren, jn. aufziehen, großziehen, bis er für sich selbst verantwortlich existieren kann‹; ›jn. ernähren, unterhalten, für js. Lebensunterhalt sorgen‹; in der Regel mit Bezug auf Kinder gesagt, wird jedoch auch verallgemeinert auf verschiedene abhängige Personen bezogen, dann: ›jn. besolden, finanziell aushalten‹; in einigen Belegen zudem ütr. auf Kollektive, dann: ›ein Volk begründen, groß und mächtig werden lassen‹;
vgl.  2.
Bedeutungsverwandte:
 12,  6,  4,  5,  3,  18,
2
 3,  13.
Syntagmen:
j
. (z. B.
die mutter
)
jn
. (z. B.
ein kind
)
e., j. jn
. (z. B.
sein weib, pfründekinder, alte leute
),
einen hund e
.;
j. jn. als einen betler, für einen hirten e
.;
jn
. (z. B.
grafen und herzöge
) [wo] (z. B.
auf dem hofe / in des königs hof, auf dem feld / land, in England, in einem dorf / wald, in der hohen schule, in Plutos gruft
)
e., jn
. [wie, wozu] (z. B.
durch das blut der väter, durch das weinen der mutter, in gottesfurcht / faulheit / müssiggang, in grossem pracht, in siben freien künsten, nach got, nach / um gottes willen, im frieden / krieg, unter den tieren / ungläubigen leuten, von jugend auf, zu einem manne, zur arbeit / schule, zu handwerken, zu christlicher tugend
)
e., j
. (z. B.
Mahomet
)
von jm
. (z. B.
von den Armeniern
)
erzogen sein
;
jn. edellich / fein / heimlich / lieblich / meisterlos / schön / verstolen / wol / zart e
.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1632
):
Du mörderischer Schelm, in Plutos Gruft erzogen, | du hast beim Phlegeton Erynnis Brust gesogen, | die blaue Neidesmilch.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Gewonheit ist ein Recht / das im Land gebohren / erzogen vnd erwachsen ist.
Luther, WA (
1529
/
30
):
Aber eine loͤbliche jugend und poͤbel solt uns der Teuffel durch solche blinde leiter erziehen, das die jungen den alten auff den hals tretten.
Ebd.
33, 49b
, 3 (
1530
/
2
):
Gleich wie ich ein Kind gebe unter einen Schulmeister in die Schule, nicht der meinunge, das er [...] sol jn leren und wol erziehen, Und wenn der Knabe wol erzogen ist, so wil Jch als der Vater jme [...] Gut, Haus und Hoff geben.
Rosenthal. Bedencken
36, 24
(
Köln
1653
):
ob man Catholisch / Calvinisch / oder Lutherisch sey / ein jeder solle nur bey seinem Glauben pleiben / darin er erzogen ist.
Karnein, Salm. u. Morolf
42, 3
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
ich han uff minem hoff ertzogen | mit harte großen eren | beide graffen und hertzogen.
Froning, Alsf. Passionssp.
1989
(
ohess.
,
1501ff.
):
die brust sal man seligk sagen, | die du, herre, host gesogen | und dich lypplich hand erzogen!
Knape, Messerschmidt. Bris.
1, 3
(
Frankf./M.
1559
):
Wie [...] Brissonetus [...] in Sieben Freien Kuͤnsten erzogen wurde.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
70, 24
(
omd.
,
1487
):
so das kinth vnder vngloübigen lewthen irczogen worde.
Ebd.
77, 7
:
nicht dÿe narung da mitt sye
[Mutter]
dich irzcogen hatt.
Thür. Chron.
25v, 8
(
Mühlh.
1599
):
daß sie [Toͤchter] [...] zu Christlicher Tugent vnd ehrlicher Arbeit erzogen wuͤrden.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
Nu hastu ein wip, die gewinnet dir lichte ein kint von einem andern man [...]. Darumbe wirke me danne hie vor, das du din wip erzihest.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
Theyras, ein bruder Iovis, hat in India ein groß volk erzogen und erpauet.
erzogen si ein groß mechtig volk, welches von iren eltern die Alauner, Roxolaner [...] genent wurden.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
147, 27
(
Nürnb.
1548
):
auff das [...] wir [...] Unsere kindlin nach deynem willen erzihen.
Goldammer, Paracelsus
7, 69, 16
(
1530
):
daß unser kind mussen also, erzogen durch das blut ir vetter und weinen ir mutter, [...], den teufel ausjagen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
456, 16
(
els.
,
1362
):
Du bist vnder den tieren erzogen, do von sint alle dine rede so vihelich.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
In disen bildelosen lúten do schinet die goͤtteliche sunne in und werdent so edellich erzogen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Altleüt hauß darinn man die alten erzeühet.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 501, 21
(
Hagenau
1534
):
Wenn kinder nicht so lieb weren / so wurden sie langsam erzogen.
Qu. Schweiz. Gesch. (
halem.
,
1470
):
der rych, mechtig adel [...], der ouch die gemeinen handwerkslüt [...] erzog.
Maaler (
Zürich
1561
):
Erzogner / Der von eim erzogen wirt / oder erzogen ist.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
243
(
schwäb.
,
1455
):
Ich main, din muͦter hieß frow Schant, | Die dich erzoch zuͦ ainem man.
Rot
336
(
Augsb.
1571
):
Patria, Vatterlandt / heymat / das ort da etwer geborn vnd erzogen ist worden.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die stad ist des kaysers haymad gewesen, do ist er geporn und ertzogen worden.
Reissenberger, Väterb. ;
Müller, Faustb.
971, 8
;
Österley, Kirchhof. Wendunmuth ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Bell, G. Hager
632, 13, 3
;
Reichmann, a. a. O.
115, 23
;
Williams u. a., a. a. O.
701, 4
;
Welti, Stadtr. Bern ; ;
Köbler, Stattr. Fryburg ;
Dreckmann, H. Mair. Troja
44, 29
;
Schlosser, a. a. O.
330
;
Wunderlich, Fierrabr.
125, 16
;
Morrall, Mandev. Reiseb.
3, 12
;
Rauwolf. Raiß ;
Klein, Oswald
114, 11
;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Rot
307
;
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 4, , ,  7,  4,  1.
3.
›jn. züchtigen, strafend zu etw. erziehen, maßregeln; jn. foltern, quälen, misshandeln‹; als Straferziehung auch anschließbar an 1;
vgl.  8.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  9, ,  1.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
das die hingeet Und wirt zuͦ ainer huͦr, Er ain buͦbe, Dye man doch wol eerlich moͤcht erziehen.
Bäumker, Geistl. Liederb. (
oobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Siech an den herren, christen sel, | wie er erczogen vor dir ste!
Niewöhner, Teichner
101, 16
(Hs.
moobd.
1360
/
70
):
sew [das uͤbel weib] wirt sein gein mir erzogen | daz si nymmer izzt prot.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
wi ist erzogen mein chindelein | mit gerten und mit geisln sere.
Wackernell, Adt. Passionssp. H. II,
1096, 9
(
tir.
,
1514
):
Das ist gottes angesicht [...]: | Secht an, wie gar jamerleych | Ist er erczogn und verspurczlt gar.
Wackernell, a. a. O. Vsp.
1361
.
4.
›(Tiere, Pflanzen) züchten, zu etw. heranziehen; (Früchte) wachsen lassen‹; zumeist nicht davon trennbar: ›ein Tier abrichten, dressieren‹; in 1 Beleg (s. u.
Welti
): ›jn. als jn. (z. B.
als betler
) heranziehen‹;
vgl.  3.
Phraseme:
etw. auf seinem mist erziehen
›etw. auf seinem Hof anbauen‹.
Bedeutungsverwandte:
,  5,  1, .
Syntagmen:
bienen / esel / ochsen / rosenstöcke / schweine / tauben / treide / vieh / wein e
.;
einen hund, eine eselin, bienen auf / zu etw
. (z. B.
zu arbeit und krieg, zu notdurft
)
e
.,
ein tier in gesalzenem wasser e
.
Wortbildungen:
erziehung
2 ›Aufzucht, Dressur von Tieren‹ (a. 1514; dazu bdv.: vgl.  4,  2).

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Es war nit eyne beßondere esellynne, die drauff ertzogen were, wie nach gewonheyt des lands die reyttesell ertzogen werden.
Ders. Hl. Schrifft.
Sir. 24, 18
(
Wittenb.
1545
):
Jch bin auffgewachsen / wie ein Palmbaum am wasser / vnd wie die Rosenstöcke / so man zu Hiericho erzeucht
[
Mentel
1466:
als die pflantzung der rosen
;
Eck
1537:
wie ain pflantzte roß
].
Peil, Rollenhagen. Froschm.
424, 5091
(
Magdeb.
1608
):
Das sie
[
Maͤdlein
›Maden‹]
Darauß erziehn mehr junge Bienen / | So zur Erbeit vnd Kriege dienen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
135, 10
(
rhfrk.
,
um 1435
):
das Abrye diesen hunt von erst an erzogen hatt / vnd das der hunt [...] allezijt mit yme lieff.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Pflantzen. Hegen. Ziehen. Erziehen. Auffgewehnen.
UB Zug
2347, 6
(
halem.
,
1527
):
von rindervee da ist der stock min, und, was er daran erziecht am uffwachßen, das ist halb sin und min.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1. H. 16. Jh.
):
damit durch anrichtung des mußhaffen vnnd almuͦsens nitt vyll froͤmd pettler vnnd muͤssiggenger erzogenn [...] waͤrdenn.
Morrall, Mandev. Reiseb.
49, 3
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
die von Palestin [...] essent weder schwin noch [...] ochssen. Aber sie erziehent sie daz sie da mit múgent buwen daz ertterrich.
Ebd.
76, 13
:
die tuben sind erzogen daz sie mit den briefen hin fliegent.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
Abides ist ain merwunder, [...] daz tier ist ain mertier und ist des êrsten ain wazzertier, alsô daz ez erzogen wirt in gesalzem wazzer.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1489
, Hs.
16.
/
17. Jh.
):
daß si weder maut noch zol nicht sollen geben zu Tulln in der stadt von allem dem daß ainer auf seinem mist erziehen mag.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1603
):
waß aber die pauerschaft ehrbauen, es sei wein, traid oder vich ehrzichen zu notturft ierer heüser [...], daß megen sie dahaimb zu irem nuz brauchen.
Tiemann, a. a. O.
127, 21
;
Winter, a. a. O. ; ;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ; ;
Rwb (s. v.
hund
).
5.
›eine Bewegung weg von etw. machen‹ (allgemein); im Einzelnen: ›sich von etw. fernhalten, sich zurückziehen, von etw. Abstand nehmen, auf etw. verzichten‹; ›jn. von etw. abhalten, jm. etw. entziehen, wegnehmen, verwehren‹; ›sich entziehen, befreien, sich davon machen‹;
vgl.  16.
Wortbildungen:
erziehung
3 ›Verzicht‹ (a. 1327; dazu bdv.: vgl.  2, ).

Belegblock:

Jostes, Eckhart
80, 14
(
14. Jh.
):
Wilt du geistlich dink bekennen, so [...] solt dich erziehen von der unveltikeit vergenklicher dink.
Thiele, Minner. II,
3, 142
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
do bot sie im erst den finger dar, | der im was erczoget lanng.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
1446
):
do erdochtent die heren und brochent zuͦ siten loͤcher in die mur, und mit taresbúchsen under sy, und verwuͤsteten ir so vil, das sy erzugtent.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 3, 12
(
halem.
,
1508
/
16
):
e das selb Gallierland in der Römer gewalt gebracht und nachmals sich frei gewaltes wider erzogen hand.
6.
›jn. (z. B. einen Dieb) erwischen, ergreifen, gefangen nehmen‹;
vgl.  5.

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1641
):
Ob ain dieb erzogen wierdt in unserm aigen, das der gemeldet [...] wierdt [...], so soll ine der ambtman selber fahen.
7.
›etw. erreichen, vollziehen‹ (allgemein); im Einzelnen: ›etw. raffen, mit Anstrengung an sich ziehen, etw. heranschaffen‹; ›(einen Schlag) durchführen‹; ›(eine Unterschrift) leisten, ausfertigen‹;
vgl.  45.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Bächtold, N. Manuel.
363, 2461
(
Zürich
1548
):
Was ich erzablen und erzien, | Das ist alls mit dem win vertan.
Weber, Füetrer. Poyt.
178, 1
(
moobd.
,
1478
/
84
):
DEr Turkanoys erziehen | tet ainen schlag vil grossen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1586
):
[zu worer urkunt] sint diesser gemeinbeschlus drei gleich lautent schrieftlich aufgericht und durch den hoffcastner und mich mit unsern furgetruckten bettschaft und erzogenen hantschrift [verfertigt worten].
8.
›sich in Zeit oder Raum erstrecken‹ (allgemein); speziell: ›sich zeitlich hinziehen, wie entwickeln‹; ›den Raum mit etw. überziehen‹;
vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  28,  1,  5.

Belegblock:

Knape, Messerschmidt. Bris.
147, 36
(
Frankf./M.
1559
):
der Sal was mit cypressen gelegt / vnd mit Chrisoliden [...] erzogen.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 344, 18
(
halem.
,
1508
/
16
):
damit, wie sich der handel erzug, das er sich entschuldigen koͤnd.