erweren,
V.
1.
›sich gegen jn. / etw. wehren; sich (gegen Angriffe u. dgl.) verteidigen; jn., js. Angriff abwehren‹; meist refl. und mit Gen.obj.;
vgl.  8.
Phraseme:
sich seines leibes und lebens erweren
›sein Leben verteidigen‹ (mit Bezugsgrößenverschiebung).
Bedeutungsverwandte:
 9, ; vgl.  26,  6,  16.
Syntagmen:
j. sich e., j. sich js
. (z. B.
der diebe / feinde / menschen / räuber / tyrannen / ungläubigen
)
e
.,
sich e. S
. (z. B.
eines flohes, der anfechtung / laus, der tiere
)
e., der hirsch sich der hunde e., j. sich js
. [wie] (z. B.
fürstlich / kaiserlich / wol, mit macht, mit händen und füssen
)
e., j. sich von den schossen und behändigkeiten e., die kinder Israel
(Subj.)
sich wieder den könig, wieder das kriegsvolk e., j. sich e., das [...]
.

Belegblock:

Luther, WA (
1531
):
das man nicht allein dasselbige, so wir haben, fest und wol verwaret habe und sich schuͤtzen, sondern auch erwehren kuͤnden, das uns nicht genomen werde.
Ebd. (
1532
):
Da must er
[ein Verurteilter]
mit jnen [grausame, wilde thier] kempffen und entweder sich jr erweren odder sich lassen fressen.
Ebd. (
1537
):
[der gleissend Teuffel] greiffet die Christenheit an [...] mit jrem eigen harnisch und waffen, das ist: mit der schrifft, damit sie sich aller leiblichen anfechtung wider jn erwehret.
Ders. Hl. Schrifft
Jdt. 5, 25
(
Wittenb.
1545
):
Wer ist dieser / der solches sagen thar / Das die kinder Jsrael sich solten erwehren
[
Mentel
1466 /
Eck
1537:
widersten
]
/ wider den König NebucadNezar vnd sein Kriegsuolck?
Peil, Rollenhagen. Froschm.
53, 300
(
Magdeb.
1608
):
So bald die Froͤsch wuͤrden gewar / | Die schoͤne rote farbe Beern / | Kont sich das Herrlein kaum erwehrn / | Das sie jhm nicht die Hand erschnapten.
Ebd.
61, 549
:
Jch wil mich deiner wol erwehren / | Den Sieg dauon bringen mit ehrn.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
126, 19
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Herre ich bin eyn lame weych mensch vnd enkunde mich ir nit erweren.
Anderson u. a., Flugschrr.
15, 11, 1
([
Worms
1521
]):
kaiser Lugwig hatt sich [...] mitt seynem grossen schaden dannoch Fürstlich vnnd Kayserlich yre [alle stedt vñ herschafft in Jtalien] erweret.
Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
So sich aber einer [...] misshandels [...] gegen einer vnverleymbten frawen [...] vnderstuͤnde, vnd sich die frawe [...] sein erwert oder [...].
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Also nu der hirtz sich der grossen hunde hat erwert, so kumment die kleinen húndelin.
nement an uwer hant daz swert des Gottes wortes [...] und erwerent úch von allen den schossen und behendikeiten uwer vigende.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
den mentschen und tyrannen mag man sich wol erweren mit gwalt.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
so einer mit dryen onuersprochen mannen [...] zuͦ recht gnuͦg fürbringen [...] mag / das er sich sins lybs vnd lebens erweren muͤssen [...] / der sol vom todschlag entschuldigt sin.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
es ist ze wißen, daß man Raw zwaimal gestürmet hat und hand sich alwegen erwört.
ders., WA Bibel ;
Peil, a. a. O.
553, 1472
;
Karnein, Salm. u. Morolf
193, 4
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Koller, Ref. Siegmunds ;
Morrall, Mandev. Reiseb.
117, 7
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
2.
›sich (selten: jn., etw.) vor etw. schützen, bewahren; sich e. S. entziehen‹; ›e. S. (z. B. einem negativen Einfluss) gegenüber standhaft bleiben‹; ›etw. (Unangenehmes, Gefürchtetes usw.) von sich abwenden‹;
vgl.  8.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 8910, (V.) 1, ,  2; vgl.  5,  12,  813,  3.
Syntagmen:
etw. e., jn. vor dem tod, vor falschem urteil e., j. sich e., sich e. S
. (z. B.
des unglaubens, der armut / krankheit / sünde / unkeuschheit / warheit / welt, bösen brunst, des bettelns / hungers, eines bösen gedankens
)
e., der jüngling sich der schamlichen handlung e., j. sich vor etw., wieder etw. e
.

Belegblock:

Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Wer mehr wil verzehren / als sein Pflug mag erehren / der kan sich der Armuth nicht erwehren.
Luther, WA (
1520
):
die weyl wyr uns sonst der warheyt nit erweren muͤgen, entschlahen wyr unß doch der selben durch ertichte ursach der peyssickeyt, der ungedultickeit und der unbescheydenheyt.
Ebd. (
1544
):
es leidet sich in diesem leben nicht anders, Fleisch und Blut kan sich des nicht erwehren, das es nicht solt solche bewegung fuͤlen zu zorn und ungedult.
Ebd. (
1537
):
thue du auch also, das du dich erwehrest wider die leidigen gedancken, so dich auffhalten oder abschrecken vom gebete.
Ebd. (
1537
):
helt sich einer keusch, das ehr sich der boͤsen Brunst erwerhet, so fellet ehr doch balde in hoffart oder in andere Sunde.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2132
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wer sinen licham zertlichen neret, | der unkuscheit her sich kume dirweret, | her macht en nummer so bendig, | her werde ym dannoch abe stendig.
Thiele, Chron. Stolle (
thür.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
[eyn fur] brante biss an sente lenharts kerchen, dy er werte man kume, also gross wint was do.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
231, 7
(
Nürnb.
1548
):
welcher kranckheit / kanst du dich erwehren / oder entschuͤtten / wenn sie dich anstosset?
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
113, 29
(
els.
,
1362
):
Do er [iungeling] nuͦ nút sich mit henden noch mit fuͤssen mohte erweren der schemelichen handelunge, do beis er ime selber sine zunge abe.
Menge, Laufenb. Reg.
2810
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
[Regeln für korrektes Trinken:]
Machtu denn vor turste dich | Nit erweren
[›beherrschen, zurückhalten‹]
so lere ich | Wäsche den mund vnd die glider.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bodenseegeb.
1517
):
Pilatus wolt mit fleiß den herrn | Vorm tod vnd falsch vrtail erwern.
Goldammer, Paracelsus
3, 289, 2
(
1523
/
30
):
Wir muessen nach unserm tod in ein fegen. deß mag sich keiner erwöhren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Sich der kelte mit beltzen erweeren. [...]. Sich hungers Erweeren / Sich vor hunger enthalten.
Bäumker, Geistl. Liederb. (
oobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Mein czeyt thet ich verczeren, | der sünd mich nit erberen, | das ich nun klag pys an mein end.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
215, 3
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Ob ein mensch, der da ist wewart mit tugenten [...] sich müg erweren vnd pehüetten vor der listigen anweig des pösen geist an wesundre hilff gots?
Reichmann, a. a. O.
141, 39
;
Strauch, Schürebrand ;
Wickram
4, 10, 25
.
3.
›sich mit Rechtsmitteln gegen etw. (Anschuldigungen, eine Klage u. Ä.) zur Wehr setzen, verteidigen, vor etw. schützen‹;
Spezialisierung zu 1; 2; vgl.  8.
Rechtstexte.
Bedeutungsverwandte:
 25,  2, ; vgl.
1
 9,  8,  7.

Belegblock:

Köbler, Ref. Wormbs
348, 2
(
Worms
1499
):
Wie sich pynlicher frag zuerretten oder zuerweren sy.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
nu vorschouwet in uwerem rechte, ab ich nehir sey zcu irwerene mynen hals, myne ere und gut, wenn mich dez ymand abegeczugen moge, adir was recht sey.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
162, 35
(
thür.
,
1474
):
erkennen wir schephin [...], daz sich Nigkel Herwig met sollichin synen insagen kegen [...] Jacuff Knochen schulde antwert nicht geschutczen nach erweren magk.
Wyss, Limb. Chron. U ;
Grosch u. a., a. a. O.
270, 10
;
Vgl. ferner s. v.  25.
4.
›etw. verhindern, abwehren, nicht zulassen‹; auch: ›etw. zurückweisen, ablehnen‹; häufig speziell: ›jm. etw. verweigern, versagen, verwehren; jn. an etw. hindern, von etw. abhalten‹;
vgl.  8.
Bedeutungsverwandte:
 3; vgl.  4,  22,  2,  3,  2,
6
 2,  4.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
das gebäu / schelten, js. fürnemen
)
e., jm. sein beger, den münch
[als Liebhaber]
e., dem zinsmeister den zins, die sorge
(Subj.)
jm. den schlaf e., das glük jm. e., das [...]
.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
ist gnug, das wir erweeren, das sie die heyligen schrifft nit mugen auff yhren dand reyssen.
Damit ist erweret, das die ehe nicht eyn sacrament heyst ynn der schrifft.
Ebd. (
1537
):
Dieser kampff bleibet biss an jungsten tag, dan wirdts dem Teuffel sampt allen seinen gliedern wohl erwehrett werden, das sie die Christen ungeergert lassen.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Vil geliche du eime hus bist, | Daz vorne wol gezieret ist | [...] | Und doch hinden ist so cranc | Daz diebe druz mugen tragen | Swaz in drinne wil behagen | Und in daz nieman mac irweren.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs. 
v. 1325
):
Wenne sin cinstac kumet, so nimit he [der erste cinsmeister] sinen cins oder pfendit davor [...]; des inmac im der ander cinsmeister nicht irwern.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
ee Ruolland sin volck gar geordnet hat, fuorend die heyden an vyl enden zuo land, das innen die Krysten nŭt erweren mochtend.
Maaler (
Zürich
1561
):
Einsi fürnemmen Erweeren / hinderstellig machen vnd stürtzen.
Klein, Oswald
7, 42
(
oobd.
,
1427
):
durch sorg mein houbt genzlich erschillt, | graussliche sorg mir dick den slauf erwert.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
wann sy ainen tag ir besamung
[›Versammlung‹]
hetten [...], so lyeffen die pawren an denselben endten zw als ain peynschwarm
[›Bienenschwarm‹]
[...] und es mocht in das nyemant erwern.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Die Ungern verdros hart, das die Bairn [...] ein pesetzung und stat über den hals pauten, kamen mit gewalt daher, wolten sölchs gepeu erwern.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
welichs weib ıͤrn man uͤberchoͤmen wil, | di hab di letwari
[›Latwerge‹]
pei ıͤr; | [...] | hat si schelten erwert, | ıͤr wıͤrt der ruͤkk wol zerpert.
Lappenberg, Fleming. Ged. ;
Asmussen, Buch d. 7 Grade
930
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 148
.