ertragen,
V., unr. abl.
1.
›(mittels Statik oder physischer Kraft) etw. (eine Last, ein Gewicht) halten, stützen, forttragen‹; speziell auch: ›(ein Kleidungsstück) tragen‹;
vgl.  58,
1
 12.
Phraseme:
sich ertragen
1 ›schweben‹;
sich wol ertragen
›sich (gesundheitlich) gut (aufrecht) halten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  1,  2.

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
es ist noch nicht grosse muͤhe, ein grawe Kappen ertragen.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
sich erTragen / schweben. Librare.
Behrend, Spangenb. Anbindbr. (
Straßb.
1611
):
Der [Mann] hett in seiner hand ein Baum / | So gross / dass jhn drei Männer kaum | Ertragen möchten.
Maaler (
Zürich
1561
):
Sich wol Ertragen / Wol vmb einen ston vnd gsund sein.
Klein, Oswald
19, 200
(
oobd.
,
1416
):
künig Sigmund follet mir | den strich
[ hier: ›Geldbeutel‹]
mit manchem plancken zier, | was ich [...] | selb dritt neur mocht ertragen.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1568
):
sonderlich mit auffüerung der rauchfänk über die tächer, wo es anderst die zimer ertragen mügen und die tächer darnach gemacht sein.
2.
›etw. (körperliche oder geistig-seelische Mühsal) hinnehmen, erleiden‹; auch: ›jn. / etw. aushalten, dulden‹; ütr. zu 1;
vgl.  8,
1
 1420.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 9, I, 6,  12,  6, (V., unr. abl.) 2,
1
(V., unr. abl.) 1234, ; vgl. (V.) 2,
1
 1c,
1
 1,  2.
Wortbildungen:
ertragende
(
der
) ›der Geduldige‹,
ertragenlich
›tolerierbar‹ (dazu bdv.: vgl.  1,  3).

Belegblock:

Luther, WA (
1544
):
jre oͤffentliche Gottes verachtung und alle bosheit wider Gott und die Leute [...] und so hoch uberhand nimpt, das es schier die erde nicht kan ertragen.
Ebd. (
1527
):
Denn wie man spricht und war ist, es muͤsten gar starcke beyne sein, die gute tage ertragen
[als mehrdeutige Anspielung auch zu 1 stellbar]
solten, Und ein mensch kan allerley leiden on gute tage.
Ebd. (
1537
):
Da werden auch helle, klare Augen zugehoͤren, welche soͤlche Sonne leiden und ertragen moͤgen.
die beduͤrffen seer wol eines Troͤsters, der sie stercke und erhalte, das sie solchs ertragen und ausstehen koͤnnen.
Gille u. a., M. Beheim
93, 19
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
[Und Osterlant] mich auch nit mer ertragen mag.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Wie man dem hochmuth wehren thu! | Wir können jn nicht lenger ertragn.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Da kam ein stimm vom Himml herab, | Daß er die Marter nur ertrag.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ertragende (der) Tolerans. Ertragenlich. Tolerabilis.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 138, 22
([
Augsb.
]
1548
):
Drey ding machen ain Land unruͦwig / und das vierdte mag es nicht ertragen.
Vgl. ferner s. v.  1.
3.
›etw. erwirtschaften, (einen Ertrag) hervorbringen; (jm., einem Gemeinwesen) etw. (Gewinn, Nutzen, Verlust) einbringen, eintragen‹; speziell auch: ›etw. betragen‹ (zur weiteren Ausdifferenzierung s. ff.; 509 f.); subst.: ›Gewinn, Nutzen‹;
zu  5,
1
 13.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
jn. / sich ertragen
2 ›jn. / sich ernähren, für jn. / sich aufkommen‹.
Bedeutungsverwandte:
 9, (V.) 2,  6,  17,  1,  6,  1,  17,  1; vgl.  15,  2,  6,  6,
1
,  1.
Syntagmen:
etw
. (Subj.)
etw
. (z. B.
die busse x florentiner, die herschaft x mark, die händel viel, die pension keine beschwerde / hilfe
)
e., die güter
(Subj.)
etw
. (z. B.
die gülte / hauptsumme, järliche zinsen
)
nicht e., etw
. (Subj.)
nichts e
.; subst.:
(k)ein e
. (Subj.)
von jm. / etw. befunden werden
.
Wortbildungen:
ertragung
1 ›Summe der Erträge‹; 2 ›Bezahlung, Begleichung‹ (a. 1473; dazu bdv.: vgl.  1, ,
das
, 2).

Belegblock:

Köbler, Ref. Franckenfort
82, 12
(
Mainz
1509
):
solch güttere die hauptsumme nie ertragen oder wert weren.
Küther, UB Frauensee
373, 35
(
thür.
,
1527
):
daruber kan die buß jars ertragen, 30 oder 35 fl.
Anderson u. a., Flugschrr.
21, 10, 15
([
Zwickau
]
1525
):
das die selbigen gutter die guld nicht ertragen kunden.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
einer macht 38 eimer [...] foders piers, das es doch [...] nit wol ertragen mag als die gerst heur ist.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 58, 15
(
halem.
,
1489
):
ietz in unser Eidtgnoschaft leyder manigerley geruͦren und händell understanden werden, die eben vil ertragen
(›zu vielem führen‹).
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
Darzü erbuͦt er sich [...] mit inen zemachen [...] ein ewige pension, wie er die vor mit den 4 orten hatt, die ouch kein hilf noch bschwerd ertraͤd.
im beschluss diser [...] uͤbel gehaltnen puͤntnuͤss, welche da nuͤt anders ertraͤgt, wen der obristen welt unbestaͤndikeit.
Bachmann, Haimonsk. (
halem.
,
1530
):
[die herschafft Valliera] ertruog jerlichen tussend marck silbers.
Maaler (
Zürich
1561
):
Die nutzung Ertregt die arbeit nit / oder mag der arbeit nit lonen. [...]. Ertrag dich / hilff dir selbs / zeüch dich außhin wie du magst. [...]. Nach Ertragung / oder nach der vile d’ früchten.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1576
):
Gleichermassen von den geimezkern und handwerchern wierdt kain ertragen befunden.
Küther, a. a. O.
286, 39
;
Rwb  f.;
4.
›etw. durchführen, behandeln‹; auch: ›etw. regeln, entscheiden‹; refl.: ›sich ergeben‹;
vgl.  3,
1
 616.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1; vgl.  15,  11,  5,  1,  11.

Belegblock:

Kohler u. a., Bamb. Halsger. (
Bamb.
1507
):
man sol dieselben auch ermessen, ob sie zauberey auff jn ertragen moͤgen
(›ihn verzaubern können‹).
Chron. baier. Städte. Regensb. (
noobd.
,
1517
):
im nägsten jar ist auffm reichstag zu Augspurg erlich sein sach ertragen worden.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
, Hs.
17. Jh.
):
solch der vier und obmans verhör [...] soll vor ausgang des jahrs [...] entlich beschechen und ertragen werden.
Qu. Brassó
5, 558, 8
(
siebenb.
,
1616
):
Welches dann sich auch alles ertragen.