ersehen,
1.
›jn. / etw. (unvermutet) erblicken, (plötzlich) sehen‹; häufig auch: ›jn. / etw. wahrnehmen‹; ›jn. / etw. entdecken, finden‹;
Phraseme:
seine zeit ersehen
›eine günstige Gelegenheit wahrnehmen‹;
sich ersehen lassen
›sich (öffentlich) zeigen‹.
Bedeutungsverwandte:
7,
3,
2
1,
(V.)
5,
.
Syntagmen:
j. e
. (absolut);
jn. e., etw
. (z. B.
den rauch / stein, einen baum / hügel, das blut / feuer, ein kanu, kreuter
)
e., jn. / etw. von weitem e., sich alleine e., j. e
. [+ AcI];
e., das [...]
.
Belegblock:
Die geilen Satyren, die springen aus den Wäldern | und lassen sich ersehn auf allen grünen Feldern.
das [...] die Welt [...] vermeinet, nicht allein Gottes wesen, willen und werck durch sich selbs zu ersehen und treffen, sondern auch jm rat zu geben.
das sie wasser jm fegfeur und schnee jnn der helle auch on brill und latern ersehen koͤnnen.
und kuckt mit grossem vleis der Saw unter dem pirtzel jnn den Thalmud hinein, als wolt er etwas scharffes und sonderlichs lesen und ersehen.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth
(
Frankf.
1563
):
[er] fand dieselbig [...] schlaffend, drumb wie er sich allein ersahe, schwängeret er sie also.
wie wir noch dahinauff fuhren / ersahen wir von weitem eine kleine Canoa mit 3. Indianern.
Bell, G. Hager
358, 3, 1
(
nobd.
,
1611
):
wenn er er sicht seine zeit, | So wirt er dich be reit | be drüegen früe vnd spate.
Baumann, Bauernkr. Oberschw.
(
schwäb.
,
v. 1542
):
ain langer man, desgleichen in dusen landen nit ersechen ist worden, ist geboren im burg etwas umb Saltzburg.
hat er den könig mit seinem adel gegen die statt Rom auff der strassen [...] eilen und rennen ersehen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
(
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
da die Turckhen ersahen, das das kloster pran, da wurden sy das zw der anndern seyten sturmen.
Weber, Füetrer. Poyt.
291, 4
(
moobd.
,
1478
/
84
):
do sicht er, das zer vesste | ain vngehewrer ris in do ersach.
Gille u. a., M. Beheim
453, 1915
;
‒
Vgl. ferner s. v.
1,
7.
2.
›sich (in einem Spiegel) sehen, betrachten‹; überwiegend tropisch: ›sich in etw. verlieren‹; Spezialisierung zu
1.
Gehäuft Texte religiösen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
4;
5; vgl.
.
Belegblock:
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
34, 71
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Günne ir, [...], in deiner [...] gotheit spiegel sich ewiglichen ersehen, beschauen und erfreuen.
Rieder, St. Georg. Pred.
(Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
[din sele] ersiht sich denne in dem goͤtlichen spiegel iemer me ân ende.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin
(
schwäb.
,
1471
):
Ir augen [...] | Recht als ain spiegel gefar. | Wer sich darynn tuͦt ersehen, | Der muͦsz ir grosses lob veriehen.
Bauer, Geiler. Pred.
471, 11
(
Augsb.
1508
):
[Diser wadel] hat syben federen und spiegel. in denen du dich ersehen magst.
3.
›etw. (gezielt) betrachten, ergründen‹; häufig resultativ: ›etw. herausfinden, feststellen, erkennen; eine Schlussfolgerung ziehen‹;
Phraseme:
das ende ersehen
›abwarten‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.)
9,
2,
(V.)
2,
11;
12,
2,
(V.)
4;
5,
2,
2,
4,
2;
3,
2,
,
I,
11,
1
8,
6,
,
,
,
,
.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die gotheit
)
e., etw
. (z. B.
den spot, die klage / kraft, das ende, die dinge
)
e., j
. (z. B. [
k
]
ein grieche, die heiden
)
etw. e., j. etw. an jm. e
.,
etw
. [wie] (z. B.
dik / zuvor, aus der vernunft, mit keinem sorgen, nach begier
)
e.
;
j. e., das [...] / wie [...]
.
Belegblock:
Solche kunst hat nie keyn Krieche ersehen, die doch ynn der sprache geporn sind von Christus zeyt her.
Das wirstu an mir noch ich an dir nicht ersehen. Denn es kan keiner dem andern ins hertz sehen.
Ders. Hl. Schrifft.
Röm. 1, 20
(
Wittenb.
1545
):
[Gottes] ewige Krafft vnd Gottheit / wird ersehen
angesehen
vermerckt vñ gesehen
gesehen oder erkennet
gesehen vnd verstanden
]
/ so man des warnimpt / an den Wercken.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
519, 410
(
Magdeb.
1608
):
Jch ersahe aber in der noth / | Das sein Hertz zwar sehr war verwundt.
Wiessner, Wittenw. Ring
6849
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
In gantzer diemuot wellen wir | Daz end ersehen nach begir | Und senden unser boten hin.
Klein, Oswald
125, 9
(
oobd.
,
vor 1408
?):
dein güt die klag an mir ersach, | da ward verkart unhart mein ungemach.
ders. Hl. Schrifft.
Sir. 20, 7
;
Bauer, Geiler. Pred.
321, 14
;
4.
›etw. (gezielt) prüfen, durchsehen‹ (meist bezogen auf Schriftstücke); Spezialisierung zu
3.
Wobd. / oobd.
Bedeutungsverwandte:
13,
1,
,
6; vgl.
2
1.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
den landfrieden, die briefe / eiche / pasporte / quittungen
)
e
.;
sich in etw
. (z. B.
in registern
)
e
.
Wortbildungen
›Einsichtnahme, Vergleichung‹ (dazu bdv.:
2
1).
Belegblock:
Jörg, Salat. Reformationschr.
735, 23
(
halem.
,
1534
/
5
):
alls ouch der landsfriden / so man den von anfang bis zuͦ end ersicht / uff kein recht veranlastt.
so wolten sie sich darin [copei des itz verlesnen brieffs] ersechen und für augen nemen.
so wel sich sein kai. mt. darin [libell und artickel] ersechen und nachmalen ain gnedige andtwurt darauff geben.
Mell u. a., Steir. Taid.
(
m/soobd.
,
1568
):
ob er und mit was paßporten versehen befragt, dieselb paßporten zu ersehen begern.
Wiewol dise [...] ordnung [...] nach ersehung der zuvor aufgerichten alten marktordnung, auch erwegung und vleissiger beratschlagung [...] aufgericht [...] worden.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen
;
‒
Vgl. ferner s. v.
4,
13.
5.
›jn. / etw. für jn. / etw. halten‹; Spezialisierung zu
3.
Bedeutungsverwandte:
1
5,
(V.)
6,
(V.)
3,
20,
29;
30.
Belegblock:
wurdestu nit lang das fastnacht spil treiben, sondern fuer iderman ein schendlicher, boszer neidhard ersehenn werden.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Mose 7, 1
(
Wittenb.
1545
):
dich hab ich Gerecht ersehen
gesehen
]
fur mir zu dieser zeit.
Wiessner, Wittenw. Ring
1193
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
Scholt mans für ein ernst ersehen.
6.
›jn. / etw. ausersehen, auserwählen‹;
Bedeutungsverwandte:
; vgl.
1
11,
2,
4,
1.
Belegblock:
Schade, Sat. u. Pasqu.
(o. O.
1524
):
wolt uns Christus nach der menscheit das paradeis übergeben, [...], würdens uns dann etwas zuͦ gewinn weiter ersehen.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 22, 8
(
Wittenb.
1545
):
Gott wird jm ersehen
fúrsicht im
]
ein schaf zum Brandopffer.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
49, 13
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
Wan vor manigen er dich ersach, | dein rauch suesser zu im brach.
7.
›etw. voraussehen, vorhersehen‹;
Bedeutungsverwandte:
vgl.
2
3.
Belegblock:
Ryol ersahe den streych / vnd entsprang jme hinder sich.
Kehrein, Kath. Gesangb.
(
Bautzen
1567
):
[Esaias] Der dein Leiden klaget, | Welchs er im Geist ersehn.