erkiesen,
V., unr. abl.;
im Prät. mit gramm. Wechsel; teils schwach flektiert.
1.
›jn. / etw. (aus einer größeren Menge, für einen bestimmten Zweck) auswählen, aussuchen; jn. zu etw. bestimmen‹; speziell auf die Gotteskindschaft der Christen bezogen: ›jn. an Kindes statt annehmen, adoptieren‹; ›sich für jn. / etw. entscheiden‹; teils mit Tendenz zu: ›etw. befolgen, sich nach etw. richten‹; vereinzelt: ›jm. (auch: einem Tier) etw. zuweisen, (vor)bestimmen‹;
vgl.  68, zu  1.
Bedeutungsverwandte:
 9,  1, (V.) 1,  1,  2,  3,  3, ; vgl. (V.) 1.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die schönste jungfrau, die jungen, etliche kämpfer
)
e., jn. von angänge, zum pfleger, zu mutter e., jn. sonderlich e., der mensch got e., etw
. (z. B.
den tod, die gnade, eine zeit, das beste teil
)
e
.;
jm., dem hirs den tod e
.
Wortbildungen
erkiesung
1 ›Auswahl, Festlegung‹; dazu phras.:
erkiesung der speisen
›(alttestamentarische) Speisegebote‹.

Belegblock:

v. Ingen, Zesen. Rosenw.
48, 20
(
Hamb.
1642
):
Wie keine Frucht nicht wird erkiesen / | die nicht ein wenig schmaghafft ist / | So wird auch keiner je gepriesen / | Bey dem mann weise⸗seyn vermisst.
Luther, WA (
1534
):
Wir aber sagen [...], das Christus heisst und ist Gottes son, nicht allein aus seinem willen oder gnaden, wie wir allein angenomene und erkorne kinder heissen, Sondern ist ein warhafftiger, natuͤrlicher Son.
Froning, Alsf. Passionssp.
7049
(
ohess.
,
1501ff.
):
darumb wart mer der doit erkorn, | das ich solde sonen myns vatter zorn.
Feudel, Evangelistar
139, 8
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Maria hat daz beste teil irkorn daz ir nicht mak benumen werden.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
Nach erkiesung des [...] zieles / ist das nechste / die Mittel zuergreiffen / durch welche man dasselbe Ziel erlangen moͤge.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Seytu nun machst erkisen | Sein gnad oder verlisen, | Wie tarst dan du | Den schöpfer dein beschulden.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
16, 37
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
durch die lieb erkysent die menschen got [...] und lauffent czu im.
Sachs (
Nürnb.
1555
):
[
Solon
und
Thales
]
nichts endlichs schliessen, | Sunder ein andern tag erkiesen, | Von der materi [ehstand] mehr zu reden.
Ebd. (
1554
):
Als ich [Lucretia] nicht wolt, zog er [Sextus] sein schwert, | Mich zu ermörden mit gefert | Oder sein willen
[mit ihm zu schlafen]
zu verbringen: | Den todt erkiest ich in den dingen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Bapst Cajus [...] | Hielt viel auff S. Sebastian, | Drumb thet er jhn erkiesen, | Daß er der Kirchen allgemein, | Mit GOttes Huͤlff solt Schutzherr seyn.
Anderson u. a., Flugschrr.
7, 6, 30
(
Straßb.
1524
):
Auß dem teu͂fel kom͂pt die lere võ erkiesung der speisen.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ain sun der wirt von ir geborn, | Zepfleger Gottes volk erkorn.
Maaler (
Zürich
1561
):
Jm selbs ein ordnung zelaͤben Erkiesen vñ fürsetzen.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
[Balbon und Tristrant] baten dem hirrßen das leben zelassen, biß sy ym den tod erküren.
Gereke, Seifrits Alex.
1274
(
oobd.
, Hs.
1466
):
ercheus die jungen, die mit dir mugen | chreftiklich gereitten | und me͂ndlich pey dir streytten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
noch hat got über in [Cyrus] verhengt, wiewol er in sunderlich erkorn het, das er so jämerlich [...] von einem weib erschlagen ist worden.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
die sichselbs zuo keyschait verpinden [...] vnd erkiesen was ich wil [...], denselben wil ich [...] geben ain guoete stat.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
154, 3418
;
Neumann, Rothe. Keuschh.
3981
;
v. Keller, Ayrer. Dramen ;
Päpke, a. a. O. ;
Primisser, Suchenwirt ;
Klein, Oswald
35, 22
;
Vgl. ferner s. v. (
das
1,  3.
2.
›jn. in eine Position, ein Amt, eine herausgehobene Stellung wählen‹; meist in institutionellem bzw. rechtlichem Kontext; auch: ›etw. als etw. betrachten, ansehen, werten‹;
Spezialisierung zu 1; vgl.  68, vgl.  1.
Bedeutungsverwandte:
 10,  4,  3, , ; vgl.  2.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
einen gerichtsman / obman / pfarrer / schultheissen, amptleute/ consules / ratsherren
)
e., jn. durch die wal, mit wal e., jn. für das haupt der christenheit e., seinen bauch für einen got e., jn. zu jm
. (z. B.
zu richter, zu einem bischof / herren / könig / procurator / son, zu einer verpflegerin, zu bürgermeistern / päpsten / zeugen
)
e
.;
jn. kaiser e
.;
j
. (Subj.)
sich zum heiland / schöpfer e
.;
erkieste männer
.
Wortbildungen:
erkiesung
2 ›Wahl‹ (dazu bdv.: vgl. ).

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
An diesem ort aber redet er von denen die man erkieset und erwelet, das sie sollen [...] Regenten sein.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (
Köln
um 1490
):
So vriss, suyff und bis eyn sluych. | Vur eynen got erkuyss dynen buych.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
23, 6
(
Frankf./M.
1626
):
Wie er ist fuͤr der Zeit vnd in der Zeit geborn / | Wie er zum Schoͤpffer sich vnd Heyland selbst erkohrn.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1488
):
vor [Julii Cesaris regiment] was die welt in eines rats hant, die jerlich consules erkiesten.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
46, 12
(
nürnb.
,
1446
):
V̈ber die witwen wart dann eyne alte bestandne witwe erkorn zu eyner verpflegeren ir aller.
Bernoulli, Basler Chron. (
alem.
,
um 1534
):
von ieglicher zünfft 1 rotzherren, wart vom rot erkosen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
312, 16
(
els.
,
1362
):
[die legaten] kúndent Vespasiano daz er were keyser erkoren.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
do viel des keysers volg zuͦ Philippo und erkuren in zuͦ eime herren [...] über sich.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1430
):
die erbren lút [...] moͤgend amptlút erkiessen, als si bedunket zuͦ semlichen emptren gemaͤß sin.
Jörg, Salat. Reformationschr.
302, 18
(
halem.
,
1534
/
5
):
sunst waͤrend die zuͦsaͤtzer / lut des pundtz jn erkiesung der oblüten / nit me fry.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 238, 9
(
schwäb.
,
1511
):
so soll [...] derselbig gerichtzher [...] ainen gerichtzaman und zu yme zwölf erber man [...] zu richter setzen, erwellen und erkiesen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
kaiser Maximianus Herculeus erkieset im zu ainem sun obg’nanten Constantium.
Reithmeier, B. v. Chiemsee (
München
1528
):
aus gotlicher schickung seinn die paepst durch pischof vnd ander regierer der kirch, in concilien für jr aller vnd gantzer cristenhait hawp vnd priester mit wal erkiest.
Mollay, Ofner Stadtr.
23, 4
(
ung. inseldt.
,
1. H. 15. Jh.
):
Der Statrichterr vnd derr Rat haben volle macht [...] zu erwellen Vnd zu erkiesen einen pfarrerr.
Boos, UB Aarau ;
Welti, Stadtr. Bern ;
Jörg, a. a. O.
301, 19
;
Koller, Reichsreg. Albr. II.
158, 21
;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Piirainen, Stadtr. Sillein
55b, 32
;
Vgl. ferner s. v. ,  4, (V.) 9.
3.
›etw. / jn. (sinnlich) wahrnehmen, bemerken; e. P. / e. S. gewahr werden‹; ›etw. feststellen, erkennen‹;
vgl.  4, zu  5.
Bedeutungsverwandte:
 2, I, 79; vgl.  1, (V.) 1,  1.

Belegblock:

Neumann, Rothe. Keuschh.
3841
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
also man pruffet an dem ein horn, | der gar snelle das had erkorn | ab ein magit kusch adir reine si.
Böhme, Morg.R.
144, 28
(Hs. ˹
schles.
,
1612
˺):
Darumb wird zuvorhin auffgehen eine Morgenroͤte / dabey man den Tagk erkiesen oder mercken kan.
Pyritz, Minneburg
2447
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Von saphir cleine geeder, | [...] | Sich in dez schildes ecken | Let ein wenig erblecken, | Daz man ez kaum erkuset.
Bührer, Kl. Renner
351
(
nobd.
, Hs.
um 1480
):
Do bei
[Verhalten der
Iunckfrawen
]
man dicke erkeuset, | Das manige meidt were verleuͤsßet.
Vgl. ferner s. v.  1.