erholen,
V.
1.
›etw. aus etw. herausholen, sich etw. holen‹; im Einzelnen: ›sich etw. aneignen, erschließen, erfassen‹ (von Wissensbeständen verschiedener Art); ›etw. erlangen, gewinnen, für sich beanspruchen‹ (von positiv bewerteten abstrakten Bezugsgrößen; vgl. die Syntagmen); auch: ›(bei jm.) Rat einholen‹; selten von negativ bewerteten Bezugsgrößen (z. B. Neid): ›etw. auf sich ziehen‹;
zu  6.
Phraseme:
atem erholen
›einatmen‹;
einen streit erholen
›Krieg beginnen, anzetteln‹;
einen schlag / streich erholen
›zu einem Schlag ausholen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  3; vgl.  23,  4, (V.) 12, , ,  12,  4.
Gegensätze:
(V.) 9.
Syntagmen:
(sich) etw
. (z. B.
dank / rum / sieg, arbeit / wirdigkeit, recht, ere und lob, neid und has, den klang der seiten, die abenteuer
)
e
.,
(sich) etw. aus der postille / tabelle, aus den rechtsregeln, bei jm., bei den rechtsgelerten e
.;
j. (sich) e. S
. (z. B.
des berichts / bescheides / rates, der sache
)
e
.,
das königreich
(Subj.)
grosser macht
(Gen.obj.)
e
.
Wortbildungen:
erholung
1 ›Einholen eines Rates, einer Rechtsauskunft‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Doch muz man der seiten klanc | Nemelich an der harfen | Irholn mit negelen scharfen | Und mit der vingere ballen.
Luther, WA (
1522
/
3
):
So mogen auch die nawen fursteher, so offt es ynen nodt sein wirdt, bey den alden erholunge haben.
Ebd. (
1525
):
was Christlich leben betrifft, mag sich des yederman aus den vorigen Postillen erholen und erynnern.
Ebd. (
1535
/
6
):
so ist befolhen etlichen in Ecclesia, das sie [...] sich an in
[den Bischof]
halten und, was sie nicht kunnen, bey im sich erholen.
Altmann, Wind. Denkw. (
wmd.
,
um 1440
):
prüfent, was do grosser macht daz konigrich habe erholet ze Behem.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
147, 3
(
omd.
,
1554
/
1663
):
auf das [...] sich die abgelegten
[›Entlassenen‹]
desto beßer andere arbeit erholen und erhalten können.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
322, 1
(
thür.
,
1474
):
Sint auch beyde teyl vormant worden, dy orteyl [...] zcu senden an die stete da man recht phliget zcu erholen.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
ist in solchem fall mit einem diurno (der aus eines ieden Tabel leicht erholet wird) einzuhelffen.
die aber curios sind [...] moͤgen sich oben in deß Lateinischen Textes [...] berichts erhohlen.
Sachs (
Nürnb.
1552
):
Du wirst erholen wenig danck.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
Damit der Ritter me Eer und Lob erholt, dan das er ir auch vil boͤse Wort het geben.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 435, 11
(
halem.
,
E. 15. Jh.
):
hand dieselben gros unwerd, nid und has erhollet und des engolten.
Brandstetter, Wigoleis
191, 42
(
Augsb.
1493
):
Herr Gabon [...] erholet einen streyche mit beyden armen.
Ebd.
202, 2
:
laßt vns morgen. spere vnd schwert darumben entscheyden. welicher vnder vns zweyenn dye abenteür erholen soelle.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
[dez künigs volk gemain] wolten da ain | Streyt erhalt haben.
Eichler, Ruusbr. steen
739
;
Spanier, Murner. Narrenb.
2, 98
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
107, 68
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
146, 1
;
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›sich für einen erlittenen materiellen Schaden, Verlust, eine zugefügte Kränkung u. Ä. schadlos halten (z. B. durch Zugriff auf Sachgüter des Verursachers oder durch persönliche Rache), sich für etw. entschädigen‹; auch: ›sich Genugtuung, Satisfaktion verschaffen‹;
zu  7.
Überwiegend berichtende und rechtsbezügliche Texte.
Bedeutungsverwandte:
1
 12; vgl.
1
 3,  4,  1,  2,  23.
Syntagmen:
sich e
.,
sich an dem könig, an dem weingarten, an den heiden, durch die klage e
.;
sich e. S
. (Gen.obj., z. B.
des abganges / geldes / hochmutes / schadens / zinses, des gutes
)
e
.

Belegblock:

Luther, WA (
1524
):
verdirbt odder feylet der yngber, so erholen sie [kaufleute] sichs am saffran.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
So ist synes
[des Schuldners]
gutes nicht also vyl. das sich dy dry
[Gläubiger]
yres geldis gantz vnd gar dirholen mogen.
Köbler, Ref. Wormbs
107, 28
(
Worms
1499
):
Auch hat dise clag stat so kein ander clag ist durch die sich der betrogen erholen mag.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
unde mir von ym keyne antwort werden mochte, wy ich mich nu meynis gutis irholen moge.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
wurde nun dem rathe was darvon entstehen oder schaden nemen, so wolde sich der rath [...] des erholen an inen beyden [den pfennern] am leybe und an ihrem gutte.
Chron. Nürnb. Anm. 1 (
nobd.
,
1449
/
50
):
wellen wir uff Lichtenaw zu czichen und furder uff die stete Rotemburg, Nordlingen [...] uns zu understeen, ob wir uns ir hochmuts ein wenig erholen mugen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
das ist von ains alten neid und haß wegen, den der Truchseß zu dem techant gehapt hab, der wolt sich also gerochen und erholt han.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Daz ich werden müg erhöld | An dem künig Bebrico, | Der mit gewalt so | Mir genomen hat mein weip.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Als die fürsten erfueren den schaden [...], giengen sy mit den Römern zu rat, sich widerumb an den haiden zu erholen.
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
2, 295, 13
;
Thiele, Chron. Stolle ;
Weizsäcker, Graupn. Bergb.
215, 3
;
Spiller, a. a. O. ;
Vgl. ferner s. v.  10.
3.
›etw. wiedergewinnen, -erlangen‹; ›e. S. (erneut) teilhaftig werden‹; häufig durch Adverbien wie
wiederum, wieder
verstärkt; speziell: ›einen vorigen, für besser befundenen Zustand wiederherstellen‹; in religiösen Zusammenhängen auf die Freiheit von Sünden bezogen;
zu  7.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
den mut, die ere / gesundheit, das benommene / verlorene, die alte gerechtigkeit, die keiserliche krone, die kräfte, die alienierten güter
)
e
.;
sich e. S
. (Gen.obj., z. B.
der keuschheit, des vaterlandes
)
e
.
Wortbildungen:
erholung
2 ›Absolution; Erlösung‹ (dazu bdv.: vgl.  12).

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
/
9
):
ach weine nicht zu sehr, daß dir diß widerfahren, | [...] | [...] Erhole deinen Mut!
Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Swaz ir biz her hat getan, | wellet ir des zu buze stan, | ir muget is alles uch irholn.
Luther, WA (
1518
/
9
):
ich hab keyn ergetzlickeyt und erholung, wann ich hab dir ursach tzw tzorn geben und ubel vor dir gethan.
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
dieweil er den Agraios in solcher gefahr vermercket, erholet er seine krefften zum aller besten widerumb.
Neumann, Rothe. Keuschh.
5083
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
verloses du di kuscheid eins vor vol, | du kanst dich ir nummer me dirhol.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 518, 15
(
halem.
,
1508
/
16
):
begertend witer, das die Eignossen [...] die keiserlich cron woͤltind helfen erholen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1552
):
das unbillich benumen und verloren mit hilf und gnade des allmechtigen allerding widerumb zuͤ recuperieren, erholen und in den alten, wolhergebrachten stand zuͤ stellen.
Ebd. (zu
1563
):
daß der oder dieselben, so ir gesundthait widerumb erholt haben wurden, [...] in iren heusern bleiben.
Ebd. (
1544
/
5
):
wie offt hat ain erber rat aus not sein regiment verendren, [...] und ir alte gerechtigkait von den bischöflichen vor des königs räten widerumb erhollen und erlangen miessen!
Spanier, Murner. Narrenb.
77, 13
;
4.
›sich körperlich erholen, genesen, nach einer physischen Anstrengung wieder zu Kräften kommen‹; ›einen Zustand psychisch (z. B. durch Angst, Depression) bedingter Schwäche, Unruhe überwinden‹; auch: ›die Fassung wiedererlangen‹; von Kollektiven auch: ›zur Ruhe kommen‹; Spezialisierung zu 3.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  6,  3,  4,  1, ,  4.
Syntagmen:
j. sich e., die stat, die tiere sich e
.;
sich e. S
. (Gen.obj., z. B.
streites, des schreckens / unfals
)
e
.;
sich von dem falle e
.;
sich lange / wieder / wol, vor dem x. tage e
.
Wortbildungen:
erholung
3 ›Erholung, Genesung‹.

Belegblock:

Rueff, Rhein. Ostersp.
761
(
rhfrk.
,
M. 15. Jh.
):
des schreckes han ich mich eyn-deils erholt.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Vnd [die Sonne] stach auff jn mit scharpffen strahlin, | Das er sich dleng
[›lange‹]
nicht kundt erholen.
Gille u. a., M. Beheim
109, 70
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
auch kumpt in grossen schaden | [...] | [...] etliche teutsche lant, | die von der unglăbigen hant | sich streites nit erholen.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
Jch [...] hörete dem Alten so fleissig zu, daß ich meiner selbsten darob vergaß [...], vnnd in dem ich mich wider erholet, sprach: [...].
Maaler (
Zürich
1561
):
Erholen / Wider zuͦ jm selbs kommen. Respirare. Die statt Erholt sich / kumpt wider zuͦ ruͦwen.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
da er sich [...] seines unfalls wider erhollet, do [...].
Rot
347
(
Augsb.
1571
):
Reparirn, Vbermachen / widermachẽ / ernewren / wider zuͦruͤsten / in sein vorigs wesen bringen / wider zu recht bringen. Reparation, Ernewerung / widerbringung / erfrischung / erholung.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
etliche andere aber wurden dauon
[von verdorbenem Essen]
so schwach / daß sie sich vorm sibenden tag nicht wol mochten erholen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
548, 1317
;
Päpke, Marienl. Wernher ; ;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
418, 4
;
5.
›etw. (finanzielle Ausstände, Schulden, Schäden) ausgleichen, begleichen, einlösen‹; ütr. auf negativ bewertete Handlungs- und Verhaltensweisen: ›etw. überwinden‹; Spezialisierung zu 3.
Bedeutungsverwandte:
 2; vgl.  4, ˹ 4,  5,  9˺ (zur Ütr.),  1,  9,  1.
Wortbildungen:
erholung
4 ›Begleichung (einer Schuld)‹ (a. 1562; dazu bdv.: vgl.  1,  2).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
An dem rise er [Crist] irholde | schulde von unsen schulden.
Luther, WA (
1530
):
der faule unglaube lest sich nicht erholen.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1582
):
G. sölte uff dem ertuschten wyn sin ußstendigen schaden erholen.
Köbler, Stattr. Fryburg (
Basel
1520
):
so mag sich der appellant alles deß dariñ er sich vor gericht gesumpt hett [...] wideru͂b vor vns erhole͂ vnd das erstatte͂.
Rwb  f.
6.
›etw. / sich erneut äußern, vorbringen, ins Gedächtnis rufen; etw. mehrfach erwähnen‹; häufig in Verbindung mit Adverbien wie
wieder, wiederum
; im Part. Prät. mit der Tendenz zur Lexikalisierung: ›andauernd, fortwährend‹; speziell juristisch: ›eine Rechtshandlung (z. B. einen Eid) wiederholen‹;
zu  7.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  1, .
Syntagmen:
etw
. (z. B.
die erkundigung / klage
)
e
.,
sich e
.,
sich in anderer instanz e
.;
die erholte erkundigung, das erholte seufzen / vermelden
.

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
gnugsam geschrieben ynn ihenem buͤchlin vom Tuͤrcken kriege, das nicht not widderuͤmb hie zu erholen.
Ebd. (
1530
):
Ob er villeicht vermainen wollte, die selbigen alle darumb, das er die yetzund nicht wider erholet, solten vergessen sein.
Behrend, Magd. Fragen (
omd.
,
um 1400
):
Wy dicke sich eyn man irholen mag, ab her gehindert worde an eyden
(Kapitelüberschrift).
Skála, Egerer Urgichtenb.
134, 8
(
nwböhm.
,
1574
):
vff erholte Erkundigung bej den Gerichten.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Daz horte der ellend diener mit mengem bitern schreken und mit erholten súfzen.
Andreae. Ber. Nachtmal
360, 11
([
Augsb.
]
1557
):
Hieher soll man wider erhole͂ / das droben gesagt ist.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
, Hs.
E. 16. Jh.
):
so ist der cläger schuldig sein clag [...] vor dem hofrichter widerumb zu erhollen.
Ermisch, Freib. Stadtr. ; ; ;
Rwb  f.
7.
›etw. ausführen, abhandeln‹;
vgl.  5.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.
Wortbildungen:
erholung
5 ›Abhandlung‹ (dazu bdv.: vgl.  4, ,  1).

Belegblock:

Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
Wiewol ich [...] großen lust hette, dis mein fürgenomen werck [...] etwas weiters und diefers im anfang zu erhollen [...].
und solche diese erhollung sich mer auf ain gmaine [...] beschreibung schicket.
8.
phras.:
einen erbstollen erholen
›einen Erbstollen weitertreiben‹.
Wortbildungen:
erholung
6.

Belegblock:

Weizsäcker, Graupn. Bergb.
34, 15
(
osächs.
,
1541
):
ein erbstollen sampt einer fundgruben [...] zu erhollen, so uff es von netten ist.
Ebd.
87, 1
:
eine erholung des erbstollens.
Ebd.
194, 24
;