erfordern,
teils
erfodern,
V.
– Eng vernetztes Bedeutungsspektrum mit teils fließenden Übergängen.
1.
›etw. (auf das man ein Recht hat oder zu haben beansprucht) verlangen, (ein)fordern‹; auch: ›einen (Rechts)anspruch auf etw. erheben‹; speziell: ›js. Auslieferung verlangen‹; ›jn. rechtlich belangen‹; ›etw. (z. B. Schulden) eintreiben, einziehen‹;
vgl.  8.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
jn. (von jm.) e., jn. zur strafe, zu töten e., etw
. (z. B.
fleis, den lon / eid / zehenten / zins / zol, arbeit / busse, die huldung / rechnung / schuld / steuer, geld / ungebürliches, das gut / opfer / schwert, js. erbe / gutachten, geschlösser / stätte / werke, x pfund
)
e., das gesez
(Subj.)
etw. e., j. / etw
. (Subj.)
etw
. [wie] (z. B.
drungenlich / strenglich, aus dem herzen / mund, durch jn., durch js. fürnemen, in js. namen, mit geschrei / gericht / gerichtsklage / recht / teiding / wucher, sunder scham / vernunft, von erbrechts wegen
)
e., etw. an / bei jm., für js. schuld, gegen jn., unter / von / zu jm., zu dem reich e
.;
die erforderte schuld, die erforderten güter / klagen
.
Wortbildungen:
erfordern
(
das
) 1 ›Verlangen, Wunsch‹ (dazu bdv.: ,
das
, 4).

Belegblock:

Luther, WA (
1524
):
wir sollen unns Gott gantz unnd gar übergeben, das ist das opffer, das gott von uns erfordert.
Gott die guten werck an viel orten der schrifft erfordert.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
148, 29
(
thür.
,
1474
):
so magk Hannß Doringk [...] nicht erffurdern nach erlangen nach syne zcuspruche an yn erwunnen habin.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
das man den zehenden pfenning der erforderten guter nicht geben darf.
Ebd. 7:
das man aller erforderten clagen von X ß. I ß. zu helfgeld gibt.
Opitz. Poeterey
55, 2
(
Breslau
1624
):
Plinius der Juͤngere / welcher vber alle seine sachen gelehrter freunde guet achten erfodert / saget [...].
Köbler, Ref. Nürnberg
123, 2
(
Nürnb.
1484
):
so sol den Clagern soͤlliche Sum̄ auf ir eruordern zuͦgesprochen werden.
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
was zü dem reich gehort oder gehort hat; daz man daz zü dem reich erforder und zihe, das ist man verbunden im rechten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1551
):
wa aber kranckhait oder ander erbar ursachen wären, soll der schuͤlmaister nichts ungebürlichs erfordern.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
ervodert sy [Semiramis] sölichs an in [sun] und begerte seins unzimlichen beiligens.
den lon wolten sy von Got ervodern.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
die churfürsten [...] wolten ie den gefangen fürsten ledig habn, begerten an kaiser Friderich, er solt in erfordern von herzog Heinrichen.
ders. Hl. Schrifft.
Lk. 19, 23
;
Leman, Kulm. Recht ;
Mitzschke, UB Bürgel ;
Grosch u. a., a. a. O.
235, 33
;
329, 34
;
Buchda, Schöffenspr. Pössneck
4, 102
;
Kisch, a. a. O. ; ; ;
Anderson u. a., Flugschrr.
24, 11, 8
;
Merk, Stadtr. Neuenb. ; ;
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 233, 26
;
Rapp, UB Stuttg. ;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Rot
310
;
Rwb  f.;
Vgl. ferner s. v. ,  5, ,  3, (Präp.),  2.
2.
›jn. (auch: Gruppen u. Ä.) aus je besonderen Gründen und zu unterschiedlichen Zwecken, meist aus einer asymmetrischen Position heraus, an einen Ort bestellen‹; im Einzelnen: ›(einen Gast) einladen‹; ›jn. an einen Ort befehlen, zitieren‹; ›jn. (gerichtlich) vorladen‹; ›jn. (zum Militärdienst u. Ä.) einberufen‹; ›jn. herausfordern‹; ›jn. von einem Ort (zurück)holen‹;
vgl.  15.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 7, (V.) 6, ,  2, (V.) 4, ; vgl.  1, (V.) 10,  10,  6,
1
 6,
2
 4.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den scharfrichter, die christen / gerichtschöffen / kurfürsten / predicanten / reichsstände /
˹
vierer / zehener
˺ Mitglieder eines Vierer- bzw. Zehnerausschusses)
e., jn
. [woher, wohin] (z. B.
auf das rathaus, aus dem haus / elend, gegen
[+ Städtename],
vor jn., zu verhör, zum gericht
), [wann] (z. B.
am pfingsttag, auf den heutigen tag
), [wie] (z. B.
wieder, mit gericht, zu recht
)
e., jn. e
. [+ erweiterter Inf.];
j. von dem gericht / keiser erfordert werden
.
Wortbildungen:
erfordern
(
das
) 2 ›Einladung, Vorladung; Einberufung‹ (dazu bdv.:  2,  1, subst.).

Belegblock:

Luther, WA (
1527
):
ich las euch wissen, das ich an Pfingstag vergangen zu vorhor erfoddert bin.
Ebd. (
1545
):
Wie solt es denn nicht erschrecken, wenn es hoͤret, das Gott die letzte Welt mit Blitz, Donner und Fewer zum Juͤngsten Gericht erfordern werde.
Köbler, Ref. Franckenfort
90, 4
(
Mainz
1509
):
Wo sie [Schoͤffen] aber vßwendig der anleide brieff vnd andere gerechtigkeit zu besichtigen erfordert werden [...] so sol man [...].
v. Keller, Amadis (
Frankf.
1571
):
Eu. Kö. W. haben mich auff heutigen tag citiren vnd erfordern lassen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
66
(
Nürnb.
1517
):
Darumb bistu komen zu erfordern die sünder, nit die gerechten. o here Jesu Christe.
Wickram
4, 28, 4
(
Straßb.
1556
):
Des andren tags [...] hatt er alle die erforderen lassen / so mit im in Portugal hand faren oder schiffen woͤllen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
der kayser schickt auch nach herrn Andreen Greyseckher. Der [...] cham auch gein Gratz auf des kaysers ervordern.
der kunig ervorder die pessten burger ab gen Offen; da muesten sy mit im taydigen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Die erlangten [...], das man [...] die christen wider aus dem elend ervodert und in ein aigner pischof wider erlaubt wurd.
Rintelen, B. Walther
136, 6
(
moobd.
,
1552
/
8
):
es sey dan, das er sich [...] unterwerfen thet, der Gestalt, so oft er von dem Gericht ervordert wierdt, das er daselbst ungewaigert erscheinen welle.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
17. Jh.
):
so etwan ein würt von einen andern us seinen haus erfordert wurde und empfieng an seinen leib ein schaden [...], der [...].
Köbler, Ref. Wormbs
28, 9
;
110, 11
;
Kisch, Leipz. Schöffenspr. ; ;
Gille u. a., M. Beheim
453, 401
;
Dinklage, Frk. Bauernweist.
93, 44
;
Grossmann, a. a. O. ; ;
Roth, E. v. Wildenberg ;
Winter, Nöst. Weist. ; ;
Siegel u. a., Salzb. Taid. ; ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Moscouia
C 1r, 25
;
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
95
;
Rwb  f.;  f.;
Vgl. ferner s. v. , .
3.
›jn. aufgrund entsprechender Befugnis ernennen, erwählen; jn. (auf eine Position, an eine Institution, zu einer Aufgabe) berufen, (in ein Amt) einsetzen‹; als Ütr. mit hinzukommender Spezialisierung anschließbar an 2.
Gehäuft oobd.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 4,  3, ; vgl.  4,  10,  22.
Syntagmen:
jn. e., jn. zu einem hauptman, zu dem bistum / babsttum / reich e., jn. e., das [...]
.

Belegblock:

Luther, WA (
1523
):
Samson war von Gott dartzu erfoddert, das er die Philistiner plagen sollt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Einen zuͦ einem hauptmañ Erfotderen vñ begaͤren.
Leidinger, V. Arnpeck (
moobd.
,
v. 1495
):
starb Lampertus, der [...] von den Longobarden zu dem reich erfodert ward.
kung Hainrich [...] sprach, er wär von ainer gemainen samnung gevodert und erbelt zu küng, [...], und ob er also erfo dert
[sic!]
wär worden, so bolt der [...].
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
damit die, so zu dem pistumb oder pabstum und künigreich ervodert, von got gesalbt würden.
Proculus [...] ward von dem kaiser ervordert, blieb bis an sein end an des kaisers hof.
4.
›jn. zu einer Handlung auffordern, anweisen, mit etw. beauftragen‹ (vereinzelt mit Subj. d. S.); auch: ›jm. befehlen (etw. zu tun)‹; als Spezialisierung anschließbar an 1;
vgl.  3.
Bedeutungsverwandte:
 2,  3,  26, (V.) 1,  1, ,  3, , , ; vgl. (V.) 2,  17.
Wortbildungen:
erfordern
(
das
) 3 ›Befehl‹,
erforderung
3 ›Aufforderung, Anweisung‹ (dazu bdv.:  1).

Belegblock:

was du mit dem leybe thuͦst, das sol alles dahin gericht seinn, das es geschehe Got zuͦ lobe, nach erforderung dises gebotes, das da saget ,[...]‘.
Ebd. (
1529
):
,Gebot‘ heyst eygentlich das gebotten unnd erfodert wirdt.
Ebd. (
1537
/
40
):
Gott erforddert, man sol vater und mutter ehren.
Chron. Mainz (
rhfrk.
,
15. Jh.
):
da meinte der alt rat, ime geburt nit dar inne zu reden, er worde dann erfordert, als recht were.
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
3, 95, 19
(
hess.
,
1548
):
In summa, dass man nichts druf antwort, kem aber hernacher ein weiter erforderung vom bischow, dass man sich dan auch lasse ferrer vernemen.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1563
):
wie [...] harpffen, lauten, geigen [...] die vorhin begierlichkeit im menschen zuͦ solchem [freudigkeit und tantzen] erforderen und herfür locken.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 231, 18
(
halem.
,
1508
/
16
):
Uͤber des erfordert der selb kúng Ludwig die von Bern, das si im ouch hulden.
Enders, Eberlin (
Basel
1521
):
ICh erster bundtsgnoß wird erfordert von minen .xiiij. mit gesellen gnuͦg ze thuͦn vnser verbündtnüß.
Klein, Oswald
6, 13
(
oobd.
,
1425
?):
Ich bin erfordert an den tanz.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1568
):
[das er] in allen dingen [...] hülflich, beistendig und ratsamb [...], auch auf sein erfordern gehorsam und gewärtig sein welle.
Vgl. ferner s. v.  2.
5.
›etw. nötig, notwendig machen, bedingen‹ (von sachlichen Subjekten gesagt); auch: ›etw. / jn. (zu etw.) benötigen, nötig haben‹.
Bedeutungsverwandte:
 2, ,  3, , , ; vgl. (V.) 7, (V.) 8.
Syntagmen:
jn. / etw
. (z. B.
die speise, eine correction, eine scharfe rache
)
e., etw
. (Subj., z. B.
der geist, die frage / kunst / liebe / natur / not[durft] / ordnung / sache / zeit, das ampt, gebot / gesez / recht, gutes wirken
)
etw. e., das geisten
(Subj.)
gnade e., etw
. (Subj.)
e., das [...]
(jeweils mit Subj. d. S.);
j. um etw
. (z. B.
um den frieden, leibfälle
)
erfordert sein / werden, j. / etw
. (Subj.)
zu etw
. (z. B.
die bauernschaft zu dem fürschlag, die leren zu der poesie
)
erfordert sein / werden
;
es
(unpersönliches Subj.)
e. S
. (Gen.obj., z. B.
der gelegenheit
)
e
.;
der erforderte teil, die erforderte correction
.
Wortbildungen:
erforderung
4 ›Erfordernis, Grundlage‹ (dazu bdv.: vgl.  1, ).

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Es sol sich aber niemandts understeen die [gewalt] zuͦ uͤben, wenn es nit von noͤten ist oder nit erforderet, dann die junger haben sy auch nit alwegen geuͤbet.
Ders., WA Br. (
1524
):
Das ich mit warheyt schreiben mag, kan es auch Jn erforderung der notturfft nachbringen, das ich von solchem papir noch bey vierzehenhundert gulden schuldig bin.
Gropper. Gegenw. (
Köln
1556
):
Soliches wirckt vnd erfordert die natur der Disparaten dynge / so nit eyner natur seindt.
das wan der Vmbstandt der wort / den Methaphorischen siñ nit notwendig thut erfordern.
Opitz. Poeterey
17, 2
(
Breslau
1624
):
die lehren / welche sonsten zue der Poesie erfodert werden.
Ebd.
24, 22
:
Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich sein.
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
ist gnug / daß der Leser [...] in einem vorgegebenen recht wincklichten dreyeck / den erforderten oder unbekandten theil suchen koͤnne.
Weil allein erfodert wird / eigentlich zuverstehen / wz Tempus æqvale [...] und Tempus apparens [...] worin sie unterschieden.
die andern [...] erfodern fast uͤberall eine correction.
dabey ist der erfoderten correction nicht zuvergessen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
150
(
Nürnb.
1517
):
das der geist die speis erfordert, ereugent sich aus dem, das alle creatur den geist nit ersetigen mögen.
Ebd.
230
:
Wöllen ist ein gab der natur, geisten und guts wurken erfordern die gnad.
Turmair (
Nürnb.
1541
):
so ichs solte nach erforderung der sach [...] reichlich erzelen.
v. Keller, Ayrer. Dramen (
Nürnb.
1610
/
8
):
Fürwar, das ist ein schwere sach | Vnd erfordert ein scharpffe rach.
Köbler, Ref. Wormbs
44, 9
;
345, 18
;
Küther, UB Frauensee
397, 42
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ; ;
Anderson u. a., Flugschrr.
8, 11, 18
;
Dietrich. Summaria
20v, 22
;
Schorer, Sprachposaun
51, 11
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Vgl. ferner s. v. ,
1
 3.