erbarmen,
V.
1.
›Mitleid mit jm. haben, jn. bemitleiden‹; ›sich mitleidig zeigen‹; speziell im Kontext von Gebeten: ›sich über jn. erbarmen, sich aus Mitleid js. annehmen‹;
vgl. .
Bedeutungsverwandte:
 12,  1; vgl.
2
,  1,
1
(V., unr. abl.) 4,  2.
Gegensätze:
1
 3.
Syntagmen:
sich e., sich js
. (z. B.
des dürftigen / elenden / kranken / menschen / mitgesellen, der sünder
)
e
.,
sich e. S
. (z. B.
der tat / torheit, des elendes / jamers / volkes
)
e
.,
sich (herziglich) über jn. e
.;
etw. zu e. sein
.
Wortbildungen:
erbarmer
›j., der Mitleid zeigt‹,
erbarmkeit
›Mitleid‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
Er
[Gott]
sicht das wir stecken im todt, des erbarmet er sich, und gibt unns das leben.
Ebd. (
1524
):
kompt yhr armen, | last mich uber euch erbarmen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
111, 2100
(
Magdeb.
1608
):
Da ist niemand der sich erbarm.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Die stat erbarmede sich deser dait.
Rosenthal. Bedencken
10, 17
(
Köln
1653
):
Herr erbarme dich vnser.
Froning, Alsf. Passionssp.
1953
(
ohess.
,
1501ff.
):
got wel sich erbarmen | uber sie und wel en geben | das hymmelrich.
Logau. Gott
156, 5
(
Breslau
1644
):
Gott / der du bist [...] ein Erbarmer der zuschlagnen Suͤnder.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Der erbarmer
[bezogen auf die Vulgata-Lesart
miserator
(Sir. 18, 14)]
enpfecht die lere der erbarmd.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
dessen man sich so lang annimmet vnd erbarmet, als lang man von ihr kan genieß vnd Vortheil haben.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 510, 18
(
Hagenau
1534
):
Wer in seinem eygen hause beschneyet oder beregnet / des will sich Gott auch nit erbarmen.
Anderson u. a., Flugschrr.
6, 4, 11
([
Augsb.
]
1523
):
Got erbarme sich diser menschen / sy seind nit zuͦ schelten / sunnder zuͦ erbarmen.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
so mocht er [Thasylo] nimmer mer gereiten noch geen, davon man in allen landen gross erpärmkait über in het.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Die frummen weissagen und prediger [...] warden [...] jemerlich mit aller grausamkait on alle erparmus
[sic!]
ermördt.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
43, 33
(
tir.
,
1464
):
Jesu, [...], erparm dich v̈ber mich.
Vgl. ferner s. v.  1,  2,  2,
1
 2.
2.
›jn. rühren, betrüben, erweichen, js. Mitleid erregen; jm. leidtun‹.
Phraseme:
˹
erbarm es got; das got es möchte erbarmen
(u. Ä.)˺ ›auf erbärmliche, mitleiderregende Weise; leider‹; auch als formelhafter Ausdruck des Bedauerns (ähnlich einer Interjektion);
etw. möchte einen stein erbarmen
.
Bedeutungsverwandte:
 2,  3; vgl.  2,  2,  7.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der knabe, der gute man, die kinder
)
jn
. (auch:
jm
.)
e
.,
etw
. (Subj., z. B.
der jamer, der tod des vaters, die not
)
jn. e
.,
j. / etw. jn
. [wie] (z. B.
hoch / ser / übel, zu fast
)
e
.

Belegblock:

Luther, WA (
1527
):
So hoch solt uns yhr jamer erbarmen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
132, 6
(
rhfrk.
,
um 1435
):
jr erbarmet mich sere.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
7, 14
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
were icht gutes an euch, es solte euch selber erbarmen.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
Also habe ich mine zit, das es got erbarmen mvͦse, sv̇benzehen iar vertriben.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
do er in
[einen Brief, in dem verfügt wird, dass der Junge, der ihn überbringt, zu töten sei]
gelas, do erbarmete in der knabe.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
Also erbarmen mich die armen kind, | Die in den kloͤstern beschlossen sind.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Man truͦg in ieczent zuͦ dem grab. | Ihesum wart erbarmen das.
Lauater. Gespaͤnste
13r, 7
(
Zürich
1578
):
Welcher vmb solche lüt ist / muͦß jren / wie übel sy jn erbarmend / offt vnd vil lachen.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
14, 3
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
Do [...] | [...] der mensch verloren was, | das erparmet got so ser.
Klein, Oswald
11, 31
(
oobd.
,
um 1423
):
mir erbarmt manger güter man.
Munz, Füetrer. Persibein
157, 2
(
moobd.
,
1478
/
84
):
Ir kúenen ritter werden, | latt euch ir not erparmen!
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Das arm weib erparmet zu vast irs vaters tod.
der kaiser [...] zaigt an die püeberei seiner feint [...], das (es) ein herten stain erbarmen möcht.
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 10.
3.
›etw. bedauern‹; semantisch verblassend: ›etw. nicht gutheißen, kritisieren‹.
Phraseme:
es ist zu erbarmen, das [...]
›es ist eine Schande, höchst bedauerlich, dass [...]‹.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  4, , .

Belegblock:

Anderson u. a., Flugschrr.
21, 7, 4
([
Zwickau
]
1525
):
das man vns fur yhr eygenleut gehalten habe welchs zu erbarmen ist.
Schorer, Sprach-Verd.
1, 17
(
1643
):
eine Schand ist es / vnd zu erbarmen / daß diese vnsere teutsche Haupt- vnd Mutter⸗Sprach [...] verunreiniget wird.
Ebd.
42, 20
:
es ist zu erbarmen vnd hoch zu betawren / daß die Teutschen noch so blind seyn.
Goedeke, P. Gengenb. (o. O.
1516
):
Worlich es zuͦ erbarmen ist | Das du so gantz beflecket bist, | Mit der vnkuscheit.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Und ist zu erparmen, das so vil guetter lewt in dem posen krieg umb sein komen.
Meisen u. a., J. Eck
50, 3
(
Ingolstadt
1526
):
es sey zuͦ erbarmen, das man also spoͤtlich handlen sol.