entzucken,
entzücken
(Letzteres seltener),
V.
1.
›jm. jn. / etw. entziehen, wegnehmen‹; teils im Übergang zu: ›jm. jn. / etw. gewaltsam nehmen, rauben‹; vereinzelt refl.: ›sich losreißen‹ (von Pferden gesagt); häufig in Passivkonstruktionen; zu  2a.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.
Gegensätze:
 2.
Syntagmen:
die hengste sich e
.;
jm. jn. e
. (z. B.
aus der helle gründen
),
jm. etw
. (z. B.
die freude / hausere / narung / sele, das brot / liecht / reich
)
e., got
(Subj.)
jm. den verstand e., jm
. (z. B.
got, dem armen
)
etw. / jn
. (z. B.
die kinder
)
e., jm. etw. mit gewalt / recht e
.
Wortbildungen:
entzucker
›Räuber‹,
entzuckung
1 ›Wegnahme, Entzug e. S.‹ (dazu bdv.:  3).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Waz ist der Crist [...] | Der uz der helle grunden | [...] | uns
[der
helle
]
Lazarum entzucte.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
al ir henggiste | wurdin von der schûre | sô gar ungestûre, | daz sî sich intzuktin.
Luther, WA (
1525
):
die jhenigen, die da Christlich sterben, das der trost darynnen stehet, das man [...] das hertze auff thu und sehe, wo er [der leyb] hyn gehe, nemlich, das er eyne kleyne zeyt endzuͦcket wird aus unsern augen
(offen zu 2).
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
21, 8
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
do mein züchtige [...] hausere mir so snelle ist enzücket, sie tot, ich witwer und meine kinder weisen worden sint!
Matthaei, Minner. I, (Hs.
15. Jh.
):
min sin der waz verirret | in wuͦnderlicher norme, | in der sorgen forme | waz ich gar gedruͤcket, | min frewde waz mir enzuͤcket.
Schade, Sat. u. Pasqu. (
els.
1521
):
die selbigen [kinder] nimpt man in der jugent, [...] enzuckt si got dem herrn und schenkt si dem teufel.
Dann uns Gott allen verstandt enzukt hat.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen (
halem.
,
1532
):
im selbigen val wöllendt [...] unser gnedig herren [...] einem jheden landvogt vollkomnen gwalt gäber [...], dieselbigen ungehorsamen [...] mit abbruch oder entzuckung wyn und brots [...] zestraffen.
Bächtold, H. Salat (o. O.
1537
):
Meng unschuldiger in angst und not, | Dem armen entzuckt sin narung und brot.
Lemmer, Brant. Narrensch.
86, 50
(
Basel
1494
):
Dar vmb wart jm entzuckt syn lyecht.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Entfuͤrer (der) entzucker / raptor.
Vgl. ferner s. v.  1, .
2.
›jn. in eine andere Existenz, eine andere Zustandsweise überführen‹; stets in Verbindung mit einer übersinnlichen Erfahrung der wahren Wesenheit Gottes; mehrfach im Passiv mit Gott als Handlungsträger; teils subst.; zu  2a.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion‘, insbesondere der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
 512, ; vgl.  2.
Syntagmen:
den geist des erwälten e., got / Christus
(Subj.)
den menschen e., der mensch / mönch entzukt sein / werden, die liebe den menschen entzukt machen
;
der geist, die sele
(Subj.)
jm. entzukt werden, j. aus sich selbst, aus den sinnen, diesem leben, in der andacht, im gebet / geist entzükt sein, in got, in den himmel, in das paradies entzukt werden, j. zu lange entzukt sein
.; subst.:
das entzucken dem schlaf gleich sein
;
das entzucken des menschen
.
Wortbildungen
entzuckung
2 ›Zustand der geistigen Verklärung, Ekstase‹ (dazu bdv.:  5).

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
Apg. 10, 10
(
Wittenb.
1545
):
Da sie jm aber zu bereiteten / ward er [Petrus] entzückt
[
Mentel
1466:
die aufsteygung des gemúts viel auf in
, Var. 1475
2
-1518:
die entzuckung
]
/ Vnd sahe den Himel auffgethan.
Ebd.
Kor. 12, 2
:
Derselbige [Mensch] ward entzücket
[
Mentel
1466:
gezuckt
; nd. Bibel 1478:
gethagen
]
/ bis in den dritten Himel. [...] Er ward entzücket in das Paradis.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
ob man sant Paulum hæte gerüeret in der zît, dô er enzücket was, ob er sîn hæte enpfunden.
Jostes, Eckhart
38, 18
(
14. Jh.
):
wirt di sel gezogen uber sich selben in ein gotlich gesiht, daz ist ein enzucken oder ein begriffen, do wirt gesehen got mit got.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
160
(
Nürnb.
1517
):
nimet Christus [...] den geist des erwelten vilmals gewaltiglich in sich oder entzuckt in, domit er [...] die künftigen suese fuerschmeckt.
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
170, 14
(
Augsb.
1476
):
Waͤr aber das du von eyns leichten gedancks wegen zevil lang waͤrest entzuckt gewesen in deim gebett võ guͦter andacht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
etleich ômacht und des menschen enzucken sint dem slâf geleich.
wenn daz geschiht, sint denn hinzukig läut engegen, die werdent enzuckt auz in selber und sagent künftigeu dinch.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
107, 61
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wenn dew uͤbertraͤtig lieb macht den menschen ettwenn entzuckt, gleich sam er sey truncken.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
von dem münch, der enzuckt was, sein aygen seel aygentleich wol sach.
In der selben enzuckung wurden ir [chlosterfraw] so grosz und manigvaltig offenbarung geweiset von der selben aller höchsten und ewigen drivaltikait.
Reissenberger, Väterb. ;
Asmussen, Buch d. 7 Grade
113
;
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
19, 47
;
Vetter, Pred. Taulers ; ;
Hohmann, a. a. O.
113, 45
;
Drescher, a. a. O. ;
Vgl. ferner s. v.  2, ,  3,  2,  2.
3.
›jn. zu etw. (z. B.
zum betrachten
) veranlassen‹; zu  2a.
Bedeutungsverwandte:
 6.

Belegblock:

Luther, WA (
1521
):
da der geyst yemand sonderlich bewege odder entzucke ettwas wol tzu betrachten.