entziehen,
V., unr. abl.
1.
›sich zurückhalten; sich von jm. / e. S. zurückziehen, jn. / etw. meiden‹; auch: ›sich vor etw. drücken, etw. zu umgehen suchen‹; meist refl.; speziell: ›ein Heer abziehen‹; zu 2a.Syntagmen:
j. sich e
.; sich e. P
. (z. B. einer frau
) / S
. (z. B. der wal
›Wahl‹, viel des seufzens
) e., sich e. S. durch verreisen e., sich von der oberkeit / verrichtung e., sich
[wie] (z. B. frevenlich / heimlich
) (von etw.) e
.Belegblock:
Eyn Christlich gemeine ist schuldig [...] zu meyden tzu fliehe͂ abtzusetzen sich zu entzihen von der vberkeyt.
Errette die, so man toͤdten wil, Und entzeuch dich nicht von denen, die man wuͤrgen wil!
Meine Nehesten haben sich entzogen
[
liessen michMentel
1466: ]
/ Vnd meine Freunde haben mein vergessen. herre, waz meinest dû dâ mite, daz dû dich dirre vrouwen sô lange mohtest entziehen.
Ich han so vil liden von ir, daz ich mich nüt enzuchen kundi, ich thett ir villich ein zuch.
empfieng der dorecht mentsch darab ain solchs wolgefallen, das er im selbs nit entziegen konte, sonder damiten in der kirchen [...] schrie so laut er konte: [...].
si moht sich auch nit enziehen vil mangs grozzes suffzens.
Gehäuft halem.; Rechtstexte.
Syntagmen
, jeweils refl.: j. sich e
.; sich e. S
. (z. B. der ansprache
›des Anspruches‹ / eigenschaft / freiheit / lehenschaft, des rechtes / zehends, der güter
) e
.Wortbildungen:
entziehung
Belegblock:
Daz [...] vollefuͦrt die [...] frow Margareta [...] und enzoh sich und gab da uf in gericht, fúr sich und ir erben.
solte die obgenante grefin von Thierstein sich enzichen der obgenanten guͦtern und suͥ uffgeben.
Claus Strúbli [...] enzech sich [...] alles rechten und aller anspraͮch.
sich daran [...] entzige aller aygenschaft, aller lehenschaft, aller vorderung und ansprach, aller priviley, genad, hilff und allez rechtes.
gereden ouch [...], soͤlichen abkouff [...] staͤt und vest zuͦ halten [...], mit wuͥssentlicher entzichung alles des, so yemans hiewider erdencken moͤcht.
3.
›sich von jm. abwenden‹ (mit Gott als Handelndem); ›sich von etw. (meist von negativ, seltener auch von positiv bewerteten Bezugsgrößen) abwenden, fernhalten, e. S. entsagen, um sich durch sein Handeln Gott anzunähern‹; auch: ›sich in sich selbst zurückziehen‹ (von der Seele gesagt); auch subst.; zu 2a.Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
christus / got
(Subj.) sich e., mönche / nonnen sich der welt, die sele sich in sich selbst e., sich (des) trinkens, des sacraments e., sich e. P
. (wohl Dat.obj., z. B. der mutter
) / e. S
. (z. B. der teuschheit
›Täuschung‹ / geselschaft, der falschen ere, den äusseren dingen
) e., sich von got, von etw
. (z. B. von dingen / gedanken
) e
.Wortbildungen
entziehung
Belegblock:
denn Christus entzeuhet sich dir und laßt dich stecken inn der gewaltt der sünde, des todes unnd der hell.
ich [...] enziehe mich alles leiblichen wesens, essens und trinckens, wircken und leidens und aller eusserlicher gesellschafft.
das sol man dennoch wissen, das solche leut fur keine Christen zuhalten sind, die sich so lange zeit des Sacraments eussern und entziehen.
sô der mensche mê und mê sich der muoter enziuhet und er ir schôz verrer und verrer ist.
Monche vnd Núnnen entzcihen sich der werlt.
bi wilin inzuhit he [got] sich durch nicht wan daz he si reize und wit mache an der begerunge.
hastu erwelt di kuscheid, | so enzuch dich wertlicher duscheit.
Aber dz man sich entzihe vnd ledigk mache vonn allenn gedancken. wortten vnd wercken.
daz sich dú sele sol enzúhen in sich selben, daz si vergesse aller uswendiger ding.
so ist daz zeglouben, daz von dem kinde [Christus] überflüzze gentziclichen in die muoter die enziehung von der neigunge.
daz si [...] | [...] sich doch von got enzugen | mit den worten und mit dem muͦt?
4.
›(jm.) etw. (gewaltsam) nehmen, rauben‹; in rechtlichen Kontexten auch: ›jm. etw. (obrigkeitlich) wegnehmen, vorenthalten; jn. enteignen‹; vereinzelt: ›jn. eines Nutzungsrechts berauben‹; in Texten mit religiösem oder poetischem Inhalt in verschiedene Richtungen ütr.; zu 2a.Gehäuft Rechtstexte.
Phraseme:
das wochengeld entziehen
›die Zahlung des Wochengelds umgehen‹; dem recht entziehen
›das Recht einschränken‹.Gegensätze:
.Syntagmen:
jm. etw
. (z. B. den gehorsam / grund / trost, die ere / gnade / zuversicht, das brot / recht, die sacramente
) e, das leben der gefärlichkeit e., die ehe
(Subj.) jm. den geist, got den menschen seine macht e., jm
. (z. B. dem herren, den kindern
) etw., got das dankopfer, dem baum sulphur, dem reich ein stift, dem könig den gewalt, den lämmern die milch e., der götlichen volkommenheit etw. e., (jm.) etw
. [wie] (z. B. listiglich, mit gewalt, wieder recht
) e
.Wortbildungen:
entziehung
Belegblock:
[da uns der Teuffel] unfride machet im hertzen und gewissen, [...] und eben den trost wil entzihen, das wir im ungluͤck sollen verzagen und umbkomen.
er lies eine Thewrunge ins Land komen / Vnd entzoch
[
zerknischtMentel
1466 / Eck
1537: ; nd. Bibel 1478:
towreef;
hatt geschweyneretFroschauer
1530: ]
allen vorrat des Brots. Ab deme / das ich
[Christus]
hinvft faren werden ghen hymel / vnnd enziehe͂ euch meine sichtbarliche gestalt. soll niemant [...] etwas des einer besitze. gebruch. od’ niessung were. entziehen. ne͂men. abstellen. entsetzen. noch vnbillichen gewalt thuͦn.
daß [...] er darüber nach vielen entpfangenen wunden kaum das leben dieser gefärlichkeit entzohn.
so auch einer dem andern sein lehen uf schein ubergeben, [...] aber eczliche wochen nach der rechnunge [...] wieder aufnehmen wuͤrde, damit er das wochengeldt vermeinet zu entziehen, soll solcher das wochengeldt gedoppelt geben.
Wenn du jhn [mensch] entzeust deine macht, | So werden sie zu nicht gemacht.
dann got [...] seiner unentlichen volkummenheit nichts zugesetzt noch entzogen werden mag.
wird nun dem baum sein sulphur entzogen oder krank, so [...].
der leiblich arbeiter ist der ehe undterworfen, wann sie entzeucht ihm sein geist nit.
man entzúhet ir [arme nature] die sacramente von Gottes ordenunge wegen.
Mein
[des Königs]
gwalt mag mir nit werden entzogen. WJewol die geschribnen recht [...] eeliche kind [...] dergestalt versehen haben / dz vater vnd muͦtter inen nit alles ir guͦt entziehen moͤge͂.
[Graf Wilhelm Wernher zu Speir] Het gleichwol dem reich die drei stift Metz, Tul und Verdun enzogen.
ist czu merkchen wie grosse sünde daz pringet der gote sein ere enczewcht.
Die benanten erbern leut hab ich
[Richter]
an die schrann gesetzt durch besser sicherhait und erleutrung der rechtsecz, dasz dem rechten nicht entzogen wurdt. ain jeder besitzer oder inhaber der gotzhaus guter [...] soll dieselben [...] innehaben, ime auch davon nichts entziehen noch sich entweren lassen.
Rosenthal. Bedencken
36, 10
; Neumann, Rothe. Keuschh.
4164
; Thiele, Minner. II,
4, 47
; Piirainen, Stadtr. Sillein
138a, 9
; 5.
›jm. etw. (in guter Absicht) abnehmen, jn. / etw. entlasten, von etw. (negativ Bewertetem) befreien‹; auch: ›jn. von etw. fernhalten‹; in Texten der Mystik speziell: ›die Seele, den Geist von Leib und Welt entrücken‹ (in semantischer Konvergenz mit entzücken
3); Spezialisierung zu 4; zu 2a.Syntagmen:
jm. eine beschwerung e., die sele aus der natürlichen kraft, in eine natürliche kraft e., jn. von e. S
. (z. B. von eitelkeit / hoffart / irrekeit, von einem bösen herzen, von den sünden, von vergänglichen dingen
) e
.Wortbildungen:
entziehenis
entziehung
entzogenheit
Belegblock:
Alz di sel (got) ansiht, so wirt si enzogen auzer ir naturlichen craft in ein ubernaturlich craft.
von bösem herzen was entzogn | der milde wirt.
sal si [sele] inzogin sin fon forgenclichin und manicvaldigin dingin.
habe ich in [probst] davor gebeten, mir sulche beswerung zcu abbruch myner gerechtikeitt zcu enzcyhen.
das hercz hat sein ausdreibung unter den üchsen, und sein entzyhung mit dem lassen ist an der median oder pasilic
(›Armvene‹).
Do er [Seuse] also sass in einer entzogenheit siner sinnen.
daz ist swenne er [mensche] die andern niht enzühet von den sünden.
Wenn etwann sint etleich entzogen von der hoffart vnd von der eytelchait der welt.
Ebd.
113, 48
: da nicht wirt funden dew lieb des allainigen leben [...] vnd vorchomenhait der enziehenuͤss weltleicher ding, den ist nicht leicht ze glauben.
diss pschach vmb das peym turnay dortt | der helld Persibein ward durch mynn entzogen.