2
entweren,
V.;
zu
mhd.
1
entwern
›jm. einen Besitz wegnehmen‹
(
Mwb
1, 1751
);
vgl. auch
2
.
1.
›jn. enteignen, jm. einen Besitz, ein Besitz-, Nutzungsrecht an etw. entziehen‹ (meist auf den obrigkeitlich verfügten, seltener auf widerrechtlichen Entzug von Gütern bezogen); in letzteren Fällen offen zu 3; zu  1b.
Häufig Rechts- und Wirtschaftstexte, auch Chroniken.
Gegensätze:
2
, (V.) 2.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den bürger, die erben
)
e., j
. (z. B.
der herzog, die amptleute
)
jn. e., jn. e. S
. (Gen.obj., z. B.
der gerechtigkeit
›des Rechtsanspruches auf etw.‹
/ gülte / lehenschaft / nutzung, des eigens / lehens / schlosses, der güter / rechte, der gebrauchung der güter
)
e., jm
. (z. B.
dem fürsten / herren
)
etw. e., jn. von dem seinen e., jn. (e. S.; Gen.obj.)
[wie] (z. B.
ane gericht / recht, mit gewalt, mit gewapenter hand, wieder recht
)
e., jn
. [wie] (z. B.
billich / frevenlich / gewaltiglich
)
e
.
Wortbildungen:
entwerung
1 ›Entzug eines Besitzrechts‹.

Belegblock:

Toeppen, Ständetage Preußen
4, 134, 23
(
preuß.
,
1453
):
ob die herrn des ordens [...] die zeit des bunts ir gerechtikait icht durch die buntgenossen entwert wern.
Köbler, Ref. Wormbs
182, 23
(
Worms
1499
):
dem vbergeben ist dieselb vbergeben habe oder guͦt von ymant andern entwert oder angewonnen wurde, der [...].
Mitzschke, UB Bürgel (
thür.
,
1373
):
Were aber, das die vilgenanten gute in keine wise yn angesprochen
[›als Eigentum beansprucht‹]
wurden, die solde wir [...] dem obgenanten herrn entwerren in guten truwen.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
hat er [Heinrich Hochlandt] on gerichte gebrauchung der guter, die sie [wittib] in irer gewer gehabt hat, entwert.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1449
/
50
):
mit dem het er die von Nürmberg aller der güter auf dem lant entwert.
Merz, Urk. Wildegg
52, 36
(
halem.
,
1456
):
dasselb slosß im [Joͤrge von Liechtnow] aber Albrecht von Rinach durch sin person vnd gewalt mitt gewapeter handen vnervolget aller rechten enttwert habe.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
Wo si aber das nit thuͦn, das dann sin gnad nit also mit gwalt und onrecht sin und des gotzhus inhabens, gewer und besitzung beroubt und entwert werden söllte.
Jörg, Salat. Reformationschr.
332, 16
(
halem.
,
1534
/
5
):
Fielend sy [...] ward jnen [...] gottes eer [...] underd fuͤs geschoben / sy rechtlos von den jren [...] gsetzt / und glassen / und von dem jren entweert.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
der jung hertzog Hainrich [...] ervodert an den künig das fürstentumb zu Bayren, des sein vatter und er so mit gewalt entwert wär.
Leidinger, V. Arnpeck (
moobd.
,
v. 1495
):
lignde güter, die in [fürsten] entweret und eingenomen sind.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1624
):
Wer sich beklagt entwerung, der soll von erst im grund weisen [...], daz er mit gewalt oder mit unrechtlicher handlung entwërt sei.
Köbler, a. a. O.
327, 2
;
Mitzschke, a. a. O. ;
Leisi, Thurg. UB
7, 667, 6
;
Boos, UB Aarau ;
Rennefahrt, Recht Laupen ;
Schib, Urk. Laufenb.
105, 13
;
Boner, Urk. Aarau
470, 7
;
ders., Urk. Brugg
186, 8
;
Barack, Zim. Chron. ;
Auer, Stadtr. München ;
Rwb  f.;
Vgl. ferner s. v.  13,  1.
2.
›freiwillig auf ein Besitzrecht, auf Ansprüche verzichten; etw. veräußern, verkaufen‹; teils refl.; meist formelhaft; zu  1b.
Rechtstexte.
Bedeutungsverwandte:
 4,  2; vgl. (V., unr. abl.) 1.
Gegensätze:
2
,
2
.

Belegblock:

Mitzschke, UB Bürgel (
thür.
,
1360
):
vorzeihe wir uns [...], daz vorgnante gut zcu entwerne, an alle ansprache nach dem rechte.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
327, 17
(
thür.
,
1474
):
zo sich Heynrich Newkam [...] derselbien wyeße zobalt noch derselbigen gabe jar und tag nicht entwerit hette.
Leisi, Thurg. UB
8, 105, 6
(
halem.
,
1393
):
haben wir allú drú uns [...] entzigen und entwert an dem hof aller aigenschaft.
Rennefahrt, Statut. Saanen (
halem.
,
1397
):
so entwerren wir [...] verkoͧffer, uns, unser erben und nachkomen [...] aller der verkoͧften erbschaft.
Boos, UB Aarau (
halem.
,
1404
):
entweren mich und min erben der vorgenanten verkouften guͤtern [...] und beweren dero aber die egenanten froͮwen und den convent.
Mitzschke, a. a. O. ;
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
48, 25
;
Leisi, a. a. O.
7, 65, 17
;
3.
›jm. etw. stehlen, rauben, etw. veruntreuen, jn. betrügen‹; von konkreten Gegenständen, auch von Befugnissen und Rechten gesagt, dann nicht klar von 1 trennbar; seltener auch: ›(einen Ort, eine Stadt) plündern‹; von Personen: ›jn. von wo vertreiben; jn. entführen‹; teils ütr. auf abstrakte Bezugsgrößen, dann auch (möglicherweise durch Zusammenfall mit dem lautlich ähnlichen
entberen
1) ein Mangeln, Fehlen der entsprechenden Bezugsgröße ausdrückend; refl.: ›sich selbst e. S. berauben, sich etw. verderben‹; zu  1b.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte sowie Chroniken.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den pfleger
)
/ etw
. (z. B.
einen leichnam / orden / ort
)
e., jm. etw
. (z. B.
die habe / kraft, das begräbnis / buch / holz / messer, vieh, kleider / rosse, geld
)
e., jm. das weib e., jn. des himmelsreichs, aller freuden, des seinen, der bundgenossen, den orden der lande / stätte e., jm
. (z. B.
dem babst / gesellen
)
etw. e., jn. ane recht e. S. e., etw. aus einem schlos, wieder js. willen e., jn. / etw
. [wie] (z. B.
dieblich / gewaltiglich / heimlich / unrechtlich
)
e
.;
die entwerte habe
.
Wortbildungen:
entwerer
›Räuber, Dieb‹,
entwerung
2 ›Diebstahl‹; 3 ›Gefangennahme, Entführung e. P.‹.

Belegblock:

Toeppen, Ständetage Preußen
5, 648, 14
(
preuß.
,
1520
):
der lobliche Deutsche orden mochte der lande und stete entwert und gar vorderbt werden.
Köbler, Ref. Wormbs
187, 16
(
Worms
1499
):
WAn auch einer der von einem andern syner hab [...] beraubet [...] were. dem entwerer gebe oder setzte damit er die entwerte habe [...] wider zu synen handen brecht soll [...].
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
9, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Traurig und jamerig muß ich biß auf mein ende harren, entweret aller freuden!
Rieder, Gottesfr. (
els.
, Hs.
15. Jh.
):
Wer es oͮch [...], daz [...] ir die vorgenanten pfleger oder ire nochkomene enwert wurdent.
Jörg, Salat. Reformationschr.
597, 17
(
halem.
,
1534
/
5
):
was [...] beherschung [...] beruͦrt, des entwertend die allt gloubigen ortt gwallticklich.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
diewile die Eidgnossen mit solicher gewaltsami und on recht des iren entwert und die iren gevangen [...] werent, so [...].
Müller, Grafsch. Hohenb.
2, 311, 17
(
schwäb.
,
1451
):
ob in derselben slosse oder stette eyns oder me wider iren willen entwert wurde.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
In diesem jar [...] kam ein landtfarer geen Rordorf und het zwai ross, die er aim mair [...] entwert, [...].
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 636, 30
(
schwäb.
,
um 1570
):
es soll niemand dem andern weder opß, rieben, kraut [...] noch anders dergleichen nit abbrechen, nemen noch entwehren.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu. (
schwäb.
,
1614
):
Von beschedigung und entwehrung der früchten.
Fischer, Eunuchus d. Terenz (
Ulm
1486
):
Dann was ist recht geton. [...] In entwerung der junckfrawen.
Niewöhner, Teichner
332, 30
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
wer dw alten strazzen vert, | der ist dez himel reichs entwert.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
Nach ettlichen tagen kam der appt wider zu im, der plintt [...] verjach das er aller solichen gnaden mangelt und entwert war.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
Du [Procus] pist tump, das du mein [Maria] gerst, | da du dich selber mit entwerst.
Toeppen, Ständetage Preußen
4, 172, 10
;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Roder, Stadtr. Villingen ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
UB Zug
758, 43
;
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 362, 17
;
Jörg, a. a. O.
609, 24
;
Gehring, a. a. O.
29, 43
;
Gereke, Seifrits Alex.
6359
;
Rwb  f.;
Vgl. ferner s. v. .