entsagen,
V.
1.
›jn. / sich von jm. / etw. freimachen, lösen, sich von jm. (z. B. von einem Herrn) / etw. lossagen; jm. eine Absage erteilen‹; in religiösem Kontext: ›freiwillig auf etw. (z. B. auf die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse) verzichten, e. S. entsagen, sich kasteien‹;
zu  5.
Phraseme:
sich gütlich entsagen lassen
›sich einer gerichtlichen Entscheidung unterwerfen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  3,  3,  3.
Gegensätze:
(V.) 510.
Syntagmen:
jn. von seiner christenheit e
.;
sich des feindes / vaters, der diet / herschaft, der dinge e
.;
der herre dem man e
. ›das Lehensverhältnis aufkündigen‹,
j. dem teufel, den weltlichen lüsten e., sich einem herren, allen dingen e
.;
sich gegen jn., von jm. / etw. e
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
ob in de clage get vber lip vnde ere, daz man in von siner Cristenheit entsagen
[hier: ›ausschließen‹]
wil.
Swer sich eime heren vntsait vnde sich deme anderen irgebit, [...] So [...].
Luther, WA (
1517
):
Abekeren gottis, das ist ynnewendig entsagen, vorlaßen, davon das grewlich erschrecken, unnd gleych eyn anhebend vordamnis empfunden wirt.
entsagen dem ungottlichen weßen und weltlichen lusten.
Ebd. (
1545
):
Denn ein mensch, so getaufft wird, mus zuvor [...] geloben, das es entsagt dem Teufel und allen seinen wercken.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
1037
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
Zem virden mole er sich ensaget, | piß der leip wider mag.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Ich [Seuse] [...] vinde nút nehers, denne daz sich ein mensche wislich und ordenlich allen dingen [...] entsage.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
über dasselbe alles habent uns und unserr stat ettliche des obgenanten von Nenningen wegen entsagt und den unsern ir guͦte und kauffmanschaft [...] genomen.
Munz, Füetrer. Persibein
377, 2
(
moobd.
,
1478
/
84
):
ich [Persibein] múeß verholen | mich diser diet / entsagen.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
17. Jh.
):
Wann zwen irrig sein in ainer handlung und lossen such güetlich entsogen und bitten baide umb die worheit ze sogen.
Niewöhner, Teichner
719, 93
;
Gereke, Seifrits Alex.
7479
;
2.
›jm. etw. versagen, verweigern, verbieten‹; ›sich jm. / e. S. entziehen‹; in 1 Beleg: ›jm. etw. absprechen, etw. in Abrede stellen‹;
zu  5.
Bedeutungsverwandte:
 3; vgl.  4,  22,  2.
Syntagmen:
jm. etw
. (z. B.
eine fart, gottes gnade / hilfe
)
e., dem teufel Christi gotheit e
.;
sich des kampfes, der bank
›Gericht‹
/ bürgerschaft, den geltern
›Gläubigern‹
e
.

Belegblock:

Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Eyn iclich man mag sich camphes entsagin dem manne der vn edelir ist denne her.
Luther, WA (
1545
):
must er [geitzhals] aus der kirchen und kirchhoff geschlossen sein, wolt ihm entsagen alle gottes gnad und hulff.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
,Tu uf, tu uf, unde la mich [bischof] in!‘ | Die knehte entsageten im daz.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Umb das sin
[Christi]
werdú gothait | Dem túvel wurde also entsait.
Mollwo, Rotes Buch Ulm (
schwäb.
,
1376
):
Ist ouch der usman in den dingen, daz er [...] sich [...] den geltern mainet entsagen [...], dem sol [...].
Jaksche, Gundacker (
oobd.
, Hs.
1. H. 14. Jh.
):
si [juden] gedahten in vil maniger liste | wie siz entsagten Christe, | daz ez von nichte wære chomen
(dass er den eingekerkerten Joseph von Arimathia auf wundersame Weise befreit hat).
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
66, 4
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Sy dacht manige zeite, | wie sy dy fart im [sun] darhin [zue Troya] möcht entsagen.
Holtzmann, Gr. Wolfdietrich ;
Vgl. ferner s. v.  16.
3.
›jm. die Freundschaft aufkündigen; (jm.) eine Fehde, den Krieg erklären‹;
Spezialisierung zu 1; zu  5.
Gehäuft Rechtstexte und Chroniken.
Phraseme:
land und leuten entsagen
.
Bedeutungsverwandte:
 2; vgl.  1.
Syntagmen:
j
. (
ein bischof
)
e
.;
eine stat jm., ein nachbar dem anderen e., j. jm
. (z. B.
einem herzog / könig, dem bruder / teufel
)
, einer stat, einem kloster e
.;
jm. um eines frevels willen, wieder recht e
.;
der entsagte feind
›der erklärte Feind‹.
Wortbildungen:
˹
entsagde
(a. 1474),
entsagen
(
das
),
entsagnis
,
entsagung
1˺ ›Ankündigung einer Fehde, Kriegserklärung‹,
entsagebrief
›Fehdebrief‹.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Er saminte ein her vil starc | und zouch uf dî Kuyow | ân allir entsagunge drow.
Luther, WA (
1544
):
dazu sind wir auch von Gott beruffen [...], da wir Christen werden, das wir sollen dem Teufel entsagen und wider jn streiten.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
Wie buschof Conrait der stat intsaide ind van der stat Duitsch Coellen mit 14 heirschiffen kriegen woulde.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
umbe des frevils willen sso entsagete her [lantgrav Frederich] on unde tedt on grossen schaden mit nome unde mit brande.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Ratmeister beweisen und volkomen mit Heinrichen Helffenstein einen entsagebrief, darinnen (er) euer feint geworden sei.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1388
):
muͤgen wir niht versten, [...] ob sie darnach unser veind woͤlten sein und ob wir daz fuͤr ein entsagen haben suͤllen oder niht.
Ebd. (
1450
/
80
):
Jn des richten sich die stet wider auff und zugen die von Nüremberg am montag nach irer entsagnus auß mit 1000 pferden.
Roder, Stadtr. Villingen (
önalem.
,
1516
):
Ob aber die von Villingen sollich ir offen und endtsagt veindt in der herrn von Fürstenberg herrlickhait und gebieten betretten.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1414
, Hs.
16. Jh.
):
daz uns und unserer stat ettlich edel und unedel entsagt habent und vintschaft tragent.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1443
):
Das chain nachtpaur den anderen aus der herschaft entsagen sol gegen niemant.
Seuffert u. a., Steir. Landtagsakten
2, 33, 18
(
m/soobd.
,
1461
):
daz [...] yetz uns unser bruder, herczog Albrecht [...] auch allen unsern landen und leuten entsagt hat.
Moscouia
B 4r, 4
(
Wien
1557
):
WOLODIMER ist mit hilff der Warēger wider khomen / seines brueder Stathalter veriagt / vnd seinem Brueder entsagt.
Mone, Adt. Schausp. ;
Thiele, Chron. Stolle ;
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
137, 30
;
Winter, Nöst. Weist. ;
Rwb  f.;
Vgl. ferner s. v.
1
 1, .
4.
›jn. (vor Gericht) anklagen, e. S. beschuldigen‹;
zu  5.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1, .

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1498
):
ob ain man gen dem lantgericht entsagt wurd umb unerlich sach des er nicht schuldig wër, [...] den sol ein herschaft [...] beschirmen.
5.
›sich (z. B. mit einem Reinigungseid) von einem Schuldvorwurf befreien, gegen eine Anklage verteidigen‹;
konvers zu 4; zu  5.
Bedeutungsverwandte:
 3; vgl.  6.
Syntagmen:
jn. e
.;
sich der schuld e., sich
[wie] (z. B.
mit worten, mit einem eid, mit zwei fingern, mit rechten urteilen
)
e
.
Wortbildungen:
entsagung
2 ›Befreiung, Lossprechung‹ (dazu bdv.: vgl.  1).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
[Pilatus] sande dar [...] | [...] | an Tiberium uber mere, | daz er in [Pilatus] da entsagete
[hier: ›von der Schuld freispreche‹]
| ob ieman uf in clagete
(Kontext: Pilatus befürchtet seine Absetzung und sichert sich den Rückhalt des Kaisers).
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
vnde louͦgent her des, des muͦtz her sich vntsagen mit sinen zwen vingeren.
Argovia (
halem.
, o. J.):
der ist dem vogt drye schilling verfallen ze buosz, er moeg sich denne mit sinem eid entsagen, daz er es nit wüste.
UB Zug
766, 30
(
halem.
,
1432
):
Do hetti er sich mit denen worten, als ÿetz hie gelúttert ist, entseit.
Chron. Augsb. Anm. 1 (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
wie das söllichiw entslagunge des bannes mit seinem haissen und willen zuͦgegangen und beschehen sye.
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 1.