entnemen,
V., unr. abl.
1.
›jm. etw. wegnehmen, etw. entwenden, stehlen‹; ütr.: ›(js. Ehre) antasten‹;
zu  6,  3.
Phraseme:
auf leib und sele entnemen
›sich verausgaben, in seiner Konstitution verschlechtern‹.
Bedeutungsverwandte:
 1112,  13, ; vgl. ,  4,  1,  3,  1.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
die hofnung
)
e., jm. etw
. (z. B.
den raub, die ere, das herz / sacrament, das seinige
)
e., jm. sein schelten e
. ›jn. zum Schweigen bringen‹;
etw. heimlich e
.

Belegblock:

Froning, Alsf. Passionssp.
6400
(
ohess.
,
1501ff.
):
syn
[Jesu]
hercz wart eme entnommen
(Kontext: Kreuzigung Christi).
Sachs (
Nürnb.
1563
):
Darmit wirst auff sein
[des
feindes
]
haupt im sencken | Glüende koln, die sein gemüt | Werden anreitzen zu der güt, | Und entnemen sein neidig schelten.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1464
):
als [...] das heilig, wirdig sacrament [...] in der luͥtkilchen [...] in vnnser statt Bern heimlichen verstolen vnd entnomen worden ist.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1544
/
5
):
wölicher Conradus als ain kiener fürst [...] mit gantz willigem gemiet sich dohin begeben und [...] inen [Hunos] den raub entnomen.
Niewöhner, Teichner
21, 52
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
seinew chintt sein halt verdreuzzet | durich der willen er frue und spat | auf leib, auf sel entnomen hat.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
17. Jh.
):
welcher [...] einem ehrlichen man- oder weibspersohnen sein ehr [...] abschneidt und zu entnemben begehrt, der [...].
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
39, 27
(
mslow. inseldt.
,
1567
):
Das er [...] weder sinn noch gedancken gehabt. des Marchśteins halben hinunder Zuegehn, viel weniger śeinem Neheśten, das śeinig Zu entnemen, damals im Vorśatz gehabt habe.
Vgl. ferner s. v.  1,  4.
2.
›etw. (meist: Geld) entleihen; etw. pachten, zu Lehen nehmen‹ (auf Grundbesitz bezogen);
vgl.  3a, vgl.  24.
Obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte:
 13.
Gegensätze:
.

Belegblock:

Dinklage, Frk. Bauernweist.
99, 28
(
nobd.
,
15. Jh.
):
wer die fraw so arm, das sie der pfennige nit hett [...], so sollt der knecht mit dem pfande stille halten, biß die fraw geliff zu iren nachgeburen und die pfennige entneme.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Die lanndtlewt der zwayr lanndt [...] kunden kaynen anndern weg nit vinden, dann sy muesten etwo vil gelts entnemen, damit die chriegslewt und soldner entricht wurden.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
um 1430
, Hs.
um 1625
):
ob ain hauer auf pau entnomben
[›für den Weinanbau Geld entliehen‹]
im winder, demselben herrn ist er schuldig am ersten zue arbeiten.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
15.
/
16. Jh.
):
das chainer icht entnem von den juden geld auf gründ oder prief.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
198, 14
;
Uhlirz, Qu. Wien ;
Vgl. ferner s. v.  3.
3.
›jm. etw. verwehren, vorenthalten; jm. etw. verbieten‹;
zu  6, vgl.  3.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  10,  1.
Gegensätze:
 1.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1565
/
6
):
Also wart den unsern hinfürder der schiff und Elbstroms sich zu gebrauchen gentzlich entnohmen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1551
):
wirt im [schuͤlmaister] aber etwas weiters aus der eltern guͦtwilligkait zuͤ verehrung gegeben, soll (es) kainem entnomen sein.
Ebd. (
1536
):
sie [oberkait] mueßten sie [schuechwaren] anderstwa vertreiben und in andere land fieren, und hielten gentzlich darfür, ain rat wurd inen den handel nit entnemen.
Vgl. ferner s. v. .
4.
›jn. von etw. befreien‹; speziell in der Mystik: ›jn. entrücken‹; in rechtlichem Kontext (seltener): ›jn. von einem Schuldvorwurf entlasten, freisprechen‹; ›eine vorgestreckte Summe zurückzahlen‹;
zu  6, vgl.  3.
Oft omd.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  1,  236.
Syntagmen:
jm. etw
. (z. B.
eine sorge, die erhebung der gierden
)
e
.;
j
. (z. B.
ein werman
)
jn. e., der mensch sich selbst entnommen werden
;
j. jn. eines anspruchs, einer schuld, der notdurft / vernunft, der sinne, der gewalt des teufels e
.; refl.:
sich e. S
. (z. B.
der not
, z. B.
mit der flucht
)
e
.
Wortbildungen:
entnommenheit
›Verzückung, geistige Entrückung‹ (dazu bdv.: vgl.  8).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Sumelîche doch der nôt | sich mit der vlucht intnâmin | und ûf dî burg intquâmin.
Luther, WA (
1528
):
das wir von sund und allem ungluͤck, dazu der wellt und Teuffels gewallt los und entnomen [...] sollen werden.
Ebd. (
1546
):
wenn auch der Leib am gesundesten ist, so kan er doch nicht rein sein, er mus auswerffen [...], Und bleibt doch ein kretziger, grindiger, stinckender Leib, das kan man jm nicht entnemen.
Burkhardt, UB Arnstadt (
thür.
,
1411
):
Wir habin uns auch umb sulche schulde [...] also vertragen, daz wir grave Heinrich [...] sulcher schulde [...] bynnen eyme iare gutlichin entnemen sollin.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
206, 31
(
thür.
,
1474
):
Unde bytet [Ticzel Zcane], [...] also er eyn antwerter
[›Beklager‹]
ist, ap yn icht mogelich sin wermann entnympt.
Ebd.
241, 25
:
daz vor uns komen ist vor gerichte [...] Nigkel Wuchenschuch unde anclage getan zcu Herman von Ebirsperg [...], wy daz er yn vorsatczt habe vor ettlich summe geldes unde hat yn des nicht entnommen nach erlost.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Und alsus in der entnomenheit verget sich der geist ordenlich.
wenne der mensch im selben also wirt entnomen, daz er weder von sich noch umb nút niht waiz [...], so ist er wol verlorn im selber.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
das du dinen sinnen und diner natúrlicher vernunft entnomen wirst.
Küther, UB Frauensee
281, 9
;
Gille u. a., M. Beheim
21, 64
.