entblössen,
V.
1.
›etw. aufdecken, enthüllen, freilegen‹; auch: ›etw. zeigen, sichtbar werden lassen‹; speziell: ›etw. von einer Bedeckung, Umhüllung freimachen‹ (von Bezugsgrößen unterschiedlichster Art gesagt); oft, insbesondere in religiösen Kontexten, ütr. gebraucht, dann offen zu 4;
zu  6, vgl.  25.
Phraseme:
das wasser entblössen
›das Wasser abschlagen, urinieren‹;
das schwert entblössen
›das Schwert zücken, aus der Scheide ziehen‹ (dazu bdv.: );
einen gang entblössen
im Bergbau: ›einen Stollen freilegen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  1,  1,  13,  23; vgl.  1,  1.
Gegensätze:
 15.
Wortbildungen:
entblössung
1 ›Entblößung, Aufdeckung‹.

Belegblock:

Helbig, Qu. Wirtsch.
4, 101, 16
(
md.
,
1492
):
das man nicht anders dann auf rechten haubtgengen vorleihen [...], es sey dann, das der ganng vorhin entplost und der berckmeister denselben besehn had.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Swenne der mensche entblœzet und entdecket daz götlîche bilde, daz got in im natiurlich geschaffen hât, sô wirt gotes bilde in im offenbære.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
do sy in nit mochten brengen zuͦ im [ihesus] vor der geselschafft sy entbloͤsten
[nd. Bibel 1478:
thobreken
;
Emser
1527 /
Eck
1537:
entdeckten
;
Luther
1545, Mk. 2, 4:
deckten [...] auf
]
das dach do er was.
Löffler, Columella/Österreicher (
schwäb.
,
1491
):
welchi [bierbom] dar umb das sy syen frech [...] soltu tieff en ploͤssen und solt by der wurtz den block oder stamen spalten.
ist zitt die soͤtzstoͤck zuͦ jetten und zegraben und ouch die bom zuͦ embloͤsen
[hier: ›das Erdreich aufgraben, auflockern‹]
und nit minder die winreben [...] zuͦ schniden.
Schade, Sat. u. Pasqu. (wohl ˹
schwäb.
um 1521
˺):
ich sich vor meinen augen, daß der engel gots das schwert emplößt.
Kohler, Ickelsamer. Gram. (wohl ˹
Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺):
Das, c, wens vorm, e, oder i, steht, vii, z, werde mit den oͤbern zenē vorn an die zungen geschlagen, mit entbloͤssung der zene.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz ander [slatenkraut] [...] hât ain knodot wurz, diu ist gar seiht in der erd und nâhen zemâl enplœzt von der erd.
Klein, Oswald
87, 2
(
oobd.
,
1417
):
Rot, weiss, ain frölich angesicht, | emplösst auss swarzer farbe klaid.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
10, 4
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Deu andern dreu element uͤmbslizzent daz ertreich, on als vil ertreich, daz von dem wazzer enploͤzt ist.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
95, 15
;
Löffler, a. a. O. ;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Öst. Wb.
3, 440
;
Veith, Bwb. .
Vgl. ferner s. v.  1, ,
2
 6,  1,  1,  5.
2.
›etw. / jn. / sich ausziehen, entkleiden‹; ›etw. entblößen, (öffentlich) zeigen‹ (häufig mit Hervorhebung der sittlichen Anstößigkeit); ütr.: ›sich / etw. (z. B. die eigene militärische Stellung) angreifbar machen‹; häufig als resultatives Partizip (z. B.
entblöstes haupt
); auch bildlich verwendet;
als Spezialisierung zu 1 auffassbar; zu  6,  1.
Verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
 1,  3,  13,  1; vgl.  14,  2,
1
 2.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
jn. / sich, etw
. (z. B.
den hals, die brust / scham, das bein / haupt, die füsse / schenkel, js. leib, die heimlichen glieder, die unteren gliedmassen
)
e., sich etw
. (z. B.
die infel
›Kopfbedeckung der Bischöfe‹)
e
.;
j
. (z. B.
der könig, ein trunkener, die losen leute
)
/ etw
. (z. B.
berge
)
sich e
.;
etw
. (Akk.obj.)
e. S
. (Gen.obj, z. B.
des kleides, einer decke
)
e
.;
jm
. (z. B.
den frauen
)
die scham e
.;
sich vor jm
. (z. B.
vor der jugend
)
e., einen vogel von den federn e
.;
j. unerlich entblöst sein
.
Wortbildungen
entblössung
2 ›Nacktheit‹ (dazu bdv.:  1,  1; vgl.  1).

Belegblock:

Stambaugh, Friederich. Saufft.
47, 7
(
Frankf./O.
1557
):
Wie sich denn mancher alter Mann inn der Kandel sterckt / das er daumelt [...] und vor der armen Jugendt sich entbloͤst.
Luther. Hl. Schrifft.
2. Sam. 6, 20
(
Wittenb.
1545
):
Wie herrlich ist heute der König von Jsrael gewesen / der sich fur den Megden seiner Knechte entblöset
[
Mentel
1466:
entdeckt
, Var. 1475
2
-1518:
entblösset
]
hat / wie sich die losen Leute entblössen.
Bobertag, Schwänke (
Frankf.
,
1563
):
Die dritt [...] ursach aber ihres [bauͦweren] ehrerbietens ist der nutz [...], daß sie also nur von inen selber den gleissenden schmeichler entblössen.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Das Menschlich gschlecht durch Adams fall, | Deinr gnad must sich entbloͤssen
(hier: ›sich ausliefern‹).
Ebd. (
Köln
1582
):
Darauff die berge gros vnd klein | [...] | Han sich entbloͤsset gar
(hier: sind aus dem Wasser hervorgetreten).
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
1525
):
das wir vorhin unser lewt aus under statt und uff dem land sampt unserm geschutz [...] zu Wurzburg im leger und uns damit emplost haben.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
208, 15
(
nürnb.
,
1446
):
das ist vns bezait in Noe vnd Lot, do der erste trunkenheit halben lag vnd sliff vnd was vnerlich enplöst.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst (
Straßb.
1522
):
Wan Cham entblotzet die heimlichen Glider eines Menschen, du entblotzest die heimlichen Glieder Jesu deins Herren.
Roloff, Brant. Tsp.
2153
(
Straßb.
1554
):
Dein scham hastu [Salomon] den frawen entbloͤßt.
Sappler, H. Kaufringer
9, 146
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
er dackt oben schon das weib | und enplösset iren leib.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Entbloͤssen / entdecken [...]. Jemand ehr erzeigen mit entbloͤßtem Haupt [...]. Das haupt entbloͤssen / entdecken / den hut abnemen [...].
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
er [strauz] hât ain sô dick haut, daz in niht freuset, wenn er von den federn enplœzt wirt.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
1926
(
oobd.
,
1607
/
11
):
Ein brustbildt, ist ein weiblein [...] mit einer endtblößten brust.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 8
(
tir.
,
1464
):
so vil trüebsal, kümernus, [...] megrung des fleisches, enplössung, vastung, armüt [...] hat er [gott] geliten.
Luther. a. a. O. Hes.
16, 36
;
Dienes, a. a. O.
89, 21
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
128, 21
;
Ruh, Bonaventura
335, 6
;
Klein, Oswald
42, 88
;
Vgl. ferner s. v.  1,  7,  1,  1,  13,  1, (V., unr. abl.) 8,
1
 1, .
3.
›sich e. S. (in der Mystik z. B. seines Selbst, des freien Willens) entledigen, eine Haltung ablegen; sich von etw. (z. B. von negativen Gedanken, Gefühlen) befreien‹; auch: ›freiwillig auf etw. verzichten‹; ütr. zu 2;
zu  6, vgl.  1.
Texte der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2,  1; vgl. .
Syntagmen:
das gemüt / verständnis e
.;
sich e. S
. (z. B.
der gnade, der sünden
)
e
.;
sich vom gefängnis seiner natur e
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
diu sêle muoz als gar enblœzet werden alles des, daz zuogevallen ist.
Jostes, Eckhart
22, 6
(
14. Jh.
):
Wer naturlich dink verstan schol [...], er muz enblozen sein verstantnu̇z von allen dingen.
Ebd.
80, 15
:
du [...] solt dich erziehen von der unveltikeit vergenklicher dink und solt dich entblozzen und enbrechen von dem gefenknuzz deines selben naturen.
Strauch, Par. anime int.
93, 35
(
thür.
,
14. Jh.
):
ein iclich sin di ich sal bekennen, di muiz inplozit sin alliz bekentnissis.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
da wider einem entploͤzten gemuͤte entwúrt got und frid alle zit gegenwúrteklich.
Schmidt, Rud. v. Biberach
104, 15
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Etlich gerechte luͥte [...] enploͤssent sich aller dingen, die si besessen hant.
Jostes, a. a. O.
45, 9
;
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Vgl. ferner s. v.  4.
4.
›etw. aufdecken, offenbaren, erklären, offen zeigen‹ (auf abstrakte Bezugsgrößen bezogen); von Personen: ›sich gegen jn. öffnen; jm. sein wahres Gesicht, seinen wahren Charakter zeigen‹; in 1 Beleg auch: ›sich gegen jn. stellen‹;
zu  6, vgl.  5.
Meist älteres Frnhd.; verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
 14,  6,  2,  710; vgl.  8.
Syntagmen:
den namen / neid, die geschrift e., sich jm. e., jm. sein herz e
.;
etw. bedeutlich e
.
Wortbildungen:
entblössung
3 ›Offenbarung‹.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Von der entblœzunge des bildes in dem menschen sô ist sich der mensche gote glîchende, wan mit dem bilde ist der mensche gotes bilde glîch.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Biz die Juden iren nit | Gar entplosten in der zit | Als sie Cristum mit nœten | Wolden greslich irtœten.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
ich [frv̄s›nt gottes] habe grose minne der zvͦ daz ich dir [einsidel] min herze ganz vnd gar vf tvͦn welle vnd dir enbloͤssen vnd sagen wil alles daz in mir ist.
Gagliardi, Dok. Waldmann
1, 185, 4
(
halem.
,
1477
):
Diewile wir üch [herren] aber nit bewegen mögen, so wend wir üns üch ganz emplötzen
(›die Gründe erklären‹).
Klein, Oswald
112, 206
(
oobd.
,
1438
):
es kompt als von den höptern
[des Klerus]
dar, | die sich emblössen offenbar
(hier: ›ihr wahres Gesicht zeigen‹).
Quint, a. a. O. ;
Thiele, Minner. II,
31, 162
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
176r, 15
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
79, 3
;
Niewöhner, Teichner
325, 214
.
Vgl. ferner s. v.  3.
5.
›jm. etw. wegnehmen, vorenthalten; jn. berauben; etw. (z. B. ein Kloster) plündern‹;
zu  6,  4.
Phraseme:
jm. jn. entblössen
›jm. jn. abspenstig machen, abwerben‹.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
1525
):
deßhalben wir an vorrat des getraids merklich emplößt und geschwecht sind.
Rieder, Gottesfr. (
els.
,
1380
):
ich hatte dir me zuͦ letze gesant, wenne daz mich dise vart gar vaste entbloͤsset het.
Bachmann, Morgant (
halem.
,
1530
):
die gemelt stat ist gar entblötzt der lŭtten von wegen des wurmms.
Klein, Oswald
51, 39
(
oobd.
,
1409
/
10
?):
tauren, lauren negt und pösst, | da mit ich der sinn wird gar emblösst.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1496
/
1615
, Hs.
1660
):
emplest er [leitgeb] aber ainem sein knecht, daß er seinem herrn entgieng, dem soll der leitgeb ainen andern knecht stellen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Es sein pabst, cardinal gefangen, kirchen clöster enthêrt
[›entweiht‹]
, entplöst [...] (worden).
Vgl. ferner s. v.
5
 6.