entblössen,
V.
1.
›etw. aufdecken, enthüllen, freilegen‹; auch: ›etw. zeigen, sichtbar werden lassen‹; speziell: ›etw. von einer Bedeckung, Umhüllung freimachen‹ (von Bezugsgrößen unterschiedlichster Art gesagt); oft, insbesondere in religiösen Kontexten, ütr. gebraucht, dann offen zu 4; Phraseme:
das wasser entblössen
›das Wasser abschlagen, urinieren‹; das schwert entblössen
›das Schwert zücken, aus der Scheide ziehen‹ (dazu bdv.: ); einen gang entblössen
im Bergbau: ›einen Stollen freilegen‹.Wortbildungen:
entblössung
Belegblock:
das man nicht anders dann auf rechten haubtgengen vorleihen [...], es sey dann, das der ganng vorhin entplost und der berckmeister denselben besehn had.
Swenne der mensche entblœzet und entdecket daz götlîche bilde, daz got in im natiurlich geschaffen hât, sô wirt gotes bilde in im offenbære.
do sy in nit mochten brengen zuͦ im [ihesus] vor der geselschafft sy entbloͤsten
[nd. Bibel 1478:
thobreken;
entdecktenEmser
1527 / Eck
1537: ;
deckten [...] aufLuther
1545, Mk. 2, 4: ]
das dach do er was. welchi [bierbom] dar umb das sy syen frech [...] soltu tieff en ploͤssen und solt by der wurtz den block oder stamen spalten.
ist zitt die soͤtzstoͤck zuͦ jetten und zegraben und ouch die bom zuͦ embloͤsen
[hier: ›das Erdreich aufgraben, auflockern‹]
und nit minder die winreben [...] zuͦ schniden. ich sich vor meinen augen, daß der engel gots das schwert emplößt.
Das, c, wens vorm, e, oder i, steht, vii, z, werde mit den oͤbern zenē vorn an die zungen geschlagen, mit entbloͤssung der zene.
daz ander [slatenkraut] [...] hât ain knodot wurz, diu ist gar seiht in der erd und nâhen zemâl enplœzt von der erd.
Rot, weiss, ain frölich angesicht, | emplösst auss swarzer farbe klaid.
Deu andern dreu element uͤmbslizzent daz ertreich, on als vil ertreich, daz von dem wazzer enploͤzt ist.
2.
›etw. / jn. / sich ausziehen, entkleiden‹; ›etw. entblößen, (öffentlich) zeigen‹ (häufig mit Hervorhebung der sittlichen Anstößigkeit); ütr.: ›sich / etw. (z. B. die eigene militärische Stellung) angreifbar machen‹; häufig als resultatives Partizip (z. B. entblöstes haupt
); auch bildlich verwendet; Verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Syntagmen:
jn. / sich, etw
. (z. B. den hals, die brust / scham, das bein / haupt, die füsse / schenkel, js. leib, die heimlichen glieder, die unteren gliedmassen
) e., sich etw
. (z. B. die infel
›Kopfbedeckung der Bischöfe‹) e
.; j
. (z. B. der könig, ein trunkener, die losen leute
) / etw
. (z. B. berge
) sich e
.; etw
. (Akk.obj.) e. S
. (Gen.obj, z. B. des kleides, einer decke
) e
.; jm
. (z. B. den frauen
) die scham e
.; sich vor jm
. (z. B. vor der jugend
)e., einen vogel von den federn e
.; j. unerlich entblöst sein
.Belegblock:
Wie sich denn mancher alter Mann inn der Kandel sterckt / das er daumelt [...] und vor der armen Jugendt sich entbloͤst.
Wie herrlich ist heute der König von Jsrael gewesen / der sich fur den Megden seiner Knechte entblöset
[
entdecktMentel
1466: , Var. 1475
entblösset2
-1518: ]
hat / wie sich die losen Leute entblössen. Die dritt [...] ursach aber ihres [bauͦweren] ehrerbietens ist der nutz [...], daß sie also nur von inen selber den gleissenden schmeichler entblössen.
Das Menschlich gschlecht durch Adams fall, | Deinr gnad must sich entbloͤssen
(hier: ›sich ausliefern‹).
Darauff die berge gros vnd klein | [...] | Han sich entbloͤsset gar
(hier: sind aus dem Wasser hervorgetreten).
das wir vorhin unser lewt aus under statt und uff dem land sampt unserm geschutz [...] zu Wurzburg im leger und uns damit emplost haben.
das ist vns bezait in Noe vnd Lot, do der erste trunkenheit halben lag vnd sliff vnd was vnerlich enplöst.
Wan Cham entblotzet die heimlichen Glider eines Menschen, du entblotzest die heimlichen Glieder Jesu deins Herren.
Dein scham hastu [Salomon] den frawen entbloͤßt.
er dackt oben schon das weib | und enplösset iren leib.
Entbloͤssen / entdecken [...]. Jemand ehr erzeigen mit entbloͤßtem Haupt [...]. Das haupt entbloͤssen / entdecken / den hut abnemen [...].
er [strauz] hât ain sô dick haut, daz in niht freuset, wenn er von den federn enplœzt wirt.
Ein brustbildt, ist ein weiblein [...] mit einer endtblößten brust.
so vil trüebsal, kümernus, [...] megrung des fleisches, enplössung, vastung, armüt [...] hat er [gott] geliten.
Luther. a. a. O. Hes.
16, 36
; Dienes, a. a. O.
89, 21
; Schmidt, Rud. v. Biberach
128, 21
; Ruh, Bonaventura
335, 6
; Klein, Oswald
42, 88
; 3.
›sich e. S. (in der Mystik z. B. seines Selbst, des freien Willens) entledigen, eine Haltung ablegen; sich von etw. (z. B. von negativen Gedanken, Gefühlen) befreien‹; auch: ›freiwillig auf etw. verzichten‹; ütr. zu 2; Texte der Mystik.
Syntagmen:
das gemüt / verständnis e
.; sich e. S
. (z. B. der gnade, der sünden
) e
.; sich vom gefängnis seiner natur e
.Belegblock:
diu sêle muoz als gar enblœzet werden alles des, daz zuogevallen ist.
Wer naturlich dink verstan schol [...], er muz enblozen sein verstantnu̇z von allen dingen.
Ebd.
80, 15
: du [...] solt dich erziehen von der unveltikeit vergenklicher dink und solt dich entblozzen und enbrechen von dem gefenknuzz deines selben naturen.
ein iclich sin di ich sal bekennen, di muiz inplozit sin alliz bekentnissis.
da wider einem entploͤzten gemuͤte entwúrt got und frid alle zit gegenwúrteklich.
Etlich gerechte luͥte [...] enploͤssent sich aller dingen, die si besessen hant.
4.
›etw. aufdecken, offenbaren, erklären, offen zeigen‹ (auf abstrakte Bezugsgrößen bezogen); von Personen: ›sich gegen jn. öffnen; jm. sein wahres Gesicht, seinen wahren Charakter zeigen‹; in 1 Beleg auch: ›sich gegen jn. stellen‹; Meist älteres Frnhd.; verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Syntagmen:
den namen / neid, die geschrift e., sich jm. e., jm. sein herz e
.; etw. bedeutlich e
.Wortbildungen:
entblössung
Belegblock:
Von der entblœzunge des bildes in dem menschen sô ist sich der mensche gote glîchende, wan mit dem bilde ist der mensche gotes bilde glîch.
Biz die Juden iren nit | Gar entplosten in der zit | Als sie Cristum mit nœten | Wolden greslich irtœten.
ich [frv̄s›nt gottes] habe grose minne der zvͦ daz ich dir [einsidel] min herze ganz vnd gar vf tvͦn welle vnd dir enbloͤssen vnd sagen wil alles daz in mir ist.
Diewile wir üch [herren] aber nit bewegen mögen, so wend wir üns üch ganz emplötzen
(›die Gründe erklären‹).
es kompt als von den höptern
[des Klerus]
dar, | die sich emblössen offenbar (hier: ›ihr wahres Gesicht zeigen‹).
Thiele, Minner. II,
31, 162
; v. d. Broek, Suevus. Spieg.
176r, 15
; Schmidt, Rud. v. Biberach
79, 3
; Niewöhner, Teichner
325, 214
.5.
›jm. etw. wegnehmen, vorenthalten; jn. berauben; etw. (z. B. ein Kloster) plündern‹; Phraseme:
jm. jn. entblössen
›jm. jn. abspenstig machen, abwerben‹.Belegblock:
deßhalben wir an vorrat des getraids merklich emplößt und geschwecht sind.
ich hatte dir me zuͦ letze gesant, wenne daz mich dise vart gar vaste entbloͤsset het.
die gemelt stat ist gar entblötzt der lŭtten von wegen des wurmms.
tauren, lauren negt und pösst, | da mit ich der sinn wird gar emblösst.
emplest er [leitgeb] aber ainem sein knecht, daß er seinem herrn entgieng, dem soll der leitgeb ainen andern knecht stellen.
Es sein pabst, cardinal gefangen, kirchen clöster enthêrt
[›entweiht‹]
, entplöst [...] (worden).