entbinden,
V.
– 2-4 als Spezialisierungen zu 1 auffassbar.
1.
›jn. / etw. von etw. (negativ Bewertetem) freimachen, befreien, jm. eine Last, Fesseln usw. abnehmen‹; im Einzelnen: ›(eine Verschnürung von etw., z. B. von Reben, Getreidegarben) lösen‹; ütr.: ›jn. aus einer unangenehmen Lage befreien, aus einer Notsituation retten‹; ›jn. von einer Krankheit heilen‹; speziell: ›(eine Frau) von einem Kind entbinden‹ (spärlich belegt);
in religiösen Kontexten offen zu 2; zu  1a, vgl.  13913.
Phraseme:
der tod jn. entbinden
›jn. vom Leben erlösen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6,
1
 14,  1,  12,  12,
2
 1; vgl.  1,  8.
Gegensätze:
 9.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den räuber / teufel
)
e., etw
. (z. B.
das insiegel / herz / volk, reben / wunden
)
e., jm. den zweifelknoten e
.;
j
. (z. B.
ein richter
)
jn. e., j
. (z. B.
eine herzogin
)
sich eines prinzen e
.;
j. jn. der not / pein, des bandes / trauerns e
.;
den gefängnissen entbunden sein
;
jn. aus dem kerker, von einer arbeit / not, von einem wehe, von bresten / leiden / schmerzen, von der gewalt / pein des todes e
.
Wortbildungen
entbindung
1 ›Lösung eines Problems‹ (a. 1411); 2 ›Scheidung‹ (von einem Ehepartner); 3 ›Tod‹ (dazu bdv.:  2,  2,  1, ,
das
),
entbunden
(part. Adj.) ›ungebunden, zügellos‹ (dazu bdv.: ; vgl. , Adj., 89).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Waz todes sterbet er da mite? | Den zwifelknoten mir entbint.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
wer begrebit unsis libis schin | ab uns der tot untbindet?
Neumann, Rothe. Keuschh.
127
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
dar umme wart sy [frauw] ym [Joseph] also gram | das her in den kercker quam; | got en schir dar uss entbant.
Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs.
1325
):
Man sal in [rouber] nicht intpinden zu rechte nach der burger kure.
Gille u. a., M. Beheim
249, 35
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Van der nat mich en pinde.
Stackmann u. a., Frauenlob
1, 1, 15
(Hs. ˹
alem.
,
14. Jh.
˺):
ein vrouwen, die was swanger. | [...] | Sie wolte wesen enbunden.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
er [got] weis, wenne es in [menschen] nútze ist, daz er sú do von [liden] entbinde.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
was dinges du entbindest
[
Lang
1521:
auflosen wirst
;
Luther
1545, Mt. 16, 19:
lösen wirst
]
auf der erde daz wirt ioch entbonden
[
Luther
1545, Mt. 16, 19:
los sein
]
in den himeln.
Bistu gebunden dem weip: nicht enwelst suͦchen die entpindung
[
Froschauer
1530:
ledig zu werden
;
Luther
1545, 1. Kor. 7, 27:
los zu werden
].
Wann ietzunt werd ich geopffert: vnd daz zeyt meiner enpindung
[Var. 1475
2
-1518 /
Emser
1527 /
Eck
1537:
auflösung
; nd. Bibel 1478:
mynes dodes
;
Luther
1524/7:
meines verscheydens
, 1545, 2. Tim. 4, 6:
abscheidens
]
ansteet.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
da mit d‘ mensch enbunde͂ vnd erloͤßt werd grosser pyn vñ not.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Tatheus lait uf in sin hant | Indem namen Ihesu und entbant | In von bresten ze der stunt.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2044
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
so hat [Jhesus] [...] | [...] | Den starken vÿent úber wunden | Und uns von sinem [todes] gewalt enbunden.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 361, 8
(
halem.
,
1489
):
deshalb die potten [...] vil muͤg hätten [...] alle bruggen [...] versächen, niemans hinußzelässen [...]; wan es was mängklich enpunden.
Maaler (
Zürich
1561
):
Entbunden / Genaͤsen / von der geburt: erloͤßt.
Wyss, Luz. Ostersp.
4368
(
Luzern
1571
):
Ich fröw mich [...] | Das ir von v̈werm wee vnd schmertzen | Von einem Artzett [...] | [...] enttbunden werden.
hail. altvaͤter (
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
by der tag zit ward er entbunden von allen sinen aͤrbaiten.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Die reben entbinden / die alte bend der weinreben wider auffloͤsen.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch ;
Hübner, Buch Daniel ;
Koppitz, Trojanerkr. ;
Bauer, Geiler. Pred.
315, 7
;
Klein, Oswald
43, 13
;
Rwb  f.;
Öst. Wb.
3, 189
.
Vgl. ferner s. v.
1
 6,  2.
2.
›jn. dauerhaft von einem negativen Einfluss befreien, erlösen‹; speziell: ›jn. von etw. (von einer Sünde) lossprechen, absolvieren‹; ütr. zu 1;
zu  1a, vgl.  15.
Verstärkt Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
 9,
2
 8,  2 (s. v. , Adj., 7); vgl.  2,  4,  2,  6.
Gegensätze:
 15.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der bapst
)
e
. (absolut);
jn
. (z. B.
den menschen, die schuldigen
)
e
.;
der priester jn. von den sünden e
.;
j. jn. der missetat e
.;
jn. auf die beichte, aus des teufels gefängnis, mit gnaden, mit seinem gebet, von schuld, von der hellenfart, von den banden / sünden e
.
Wortbildungen
entbindung
4 ›Absolution‹ (dazu bdv.:  2; vgl.  3).

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
Wo nur ein hertz ist, das seine sunde fuͤlet [...], hat es hie ein gewisse zuflucht, da es [...] hoͤret, das yhn Gott [...] von sunden entbindet und los spricht.
Ebd. (
1544
):
man entbinde sie von allen jhren sünden nach der Beicht, so geschicht solch entbindung oder Absolutio nit allein im namen Christi [...].
Froning, Alsf. Passionssp.
1656
(
ohess.
,
1501ff.
):
myn tochter lidet swere | anfechtung von dem tufel sere! | entbynt sie, lieber herre mynn.
Ebd.
8093
:
alle uwer missetaid | musße uch hie entbynden uff disser stad!
Koller, Ref. Siegmunds (Hs.
um 1474
):
In dem andernn heysset er
[Papst]
auch heylig von aller heyligen gab wegen, so er enpfangen hat von Cristo, zü pinden, zü enpinden und zü loͤßen.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
135, 1
(
els.
,
1362
):
Do waz ein gar heiliger man [...]. der enbant die frowe mit sime gebette.
Ebd.
269, 36
:
erlose die gefangen, enbint die schuldigen
(angesprochen ist Gott).
Ebd.
448, 28
:
Ein mensche hette eins moles so grose sunde begangen daz sin bischof zwifel hette ob er disen menschen moͤhte entbinden.
V. Anshelm. Berner Chron.
5, 232, 27
(
halem.
,
n. 1529
):
gegen dem [pfarrer von Aptzel] hat der Zwingly disen tag geendet mit huͤpscher erluͤtrung, dass der evangelisch ban, zuͦ glich der entbindung, alein Christo [...] zuͦstande.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz ist sant Peter und ain iegleich pâbst oder priester, der dâ zuo geweiht ist, daz er enpinden mag den sünder von allen seinen panden.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
769
;
Williams u. a., a. a. O.
88, 21
;
Goedeke, P. Gengenb. ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
24, 111
;
Göpfert, Wb. Katechismus
68
.
Vgl. ferner s. v.  1,  9,
1
 13,  1.
3.
›jn. von einer Verpflichtung (z. B. von einem Eid), von einer Strafe entbinden, jm. eine Verpflichtung / Strafe erlassen‹; mit Gott bzw. der weltlichen Obrigkeit als Handlungssubjekt;
zu  1a,  14.
Überwiegend Rechtstexte.
Phraseme:
bei dem eid das gewissen entbinden
›dem Eid Genüge tun‹ ().
Bedeutungsverwandte:
 1,  16; vgl.  5, ,  1,  4,
2
 4,  2.
Gegensätze:
 14.
Syntagmen:
j. sein gewissen e
.;
jn. der auflegung, der dienstjare e
.;
jn. aus der acht, von einem ban / eid / gebot / gelübde / gesez, von einer klage e
.
Wortbildungen:
entbindung
5 ›Freispruch von einer Anklage‹ (a. 1561).

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Sin perrer mac in och wol vntbinden [...] van den betwuͦngenen e
e
yden.
Luther, WA (
1520
):
darff er [Christ] den keynis wercks mehr, ßo ist er gewißlich empunden von allen gepotten und gesetzen.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
45, 2
(
omd.
,
1487
):
wer es sicher sich dau̇on [gelobde] lassen enttpinden das mag ein itzlich Bischoff thu̇n Jn seinem Bisschthu̇mb.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
so er [Heinrich von Schonberg] sich als unbennisch furziehn will, so muß er erkunden durch des [...] herrn [...] versigelte kundschaft, das er von sulchem banne entpunden und absolvirt sei.
UB Zug
2540, 34
(
halem.
,
A. 16. Jh.
):
das er [amman] dann bÿ dem selben eÿdt sin gewüßne entbinde und das nieman zuͦ lieb noch ze leÿd, denn allein durch des bloßen rechten willen [...] ze schwigen.
Vgl. ferner s. v.  2.
4.
›eine chemische Verbindung auflösen‹; zu  1a.
Bedeutungsverwandte:
 7,
1
 3, , .

Belegblock:

Rot
306
(
Augsb.
1571
):
Dissoluirn / Aufloͤsen / auffbinden / entbinden / zergehn lassen im wasser / das es ledig loß oder lind werde.