eng,
enge,
Adj.
1.
›eng, schmal, beengt, von begrenztem Ausmaß, von geringer Ausdehnung‹ (von geographischen und räumlichen bzw. räumlich gedachten Bezugsgrößen, z. B. von Öffnungen, Hohlkörpern, Wunden, Gefäßen, Möbel, Kleidung); in mystischen Texten auch bildlich für die Seele, die Kreatur als Innenraum; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›einengend, eng machend‹; auch: ›straff‹.
Phraseme:
sich eng schliefen
›sich wo durchzwängen‹;
die engen schranken des lebens
›die Begrenztheit der irdischen Existenz‹;
das bet ist zu enge
›für zwei (z. B. für
Christus
und den
teufel
) ist kein Platz‹;
jm. etw. zu eng werden
›mit Angst erfüllt werden‹;
jm. das feld, die erde / welt zu eng werden
›in Bedrängnis geraten‹;
jm. die welt zu eng machen
›jn. bedrängen, jm. zusetzen‹;
etw. nicht so eng spannen
›etw. nicht so genau nehmen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, , (Adj.) 1, .
Gegensätze:
 1, (Adj.) 1, .
Syntagmen:
etw
. (z. B.
der schuh / strom, die gasse / hose / insel / stat / strasse / welt, das hemd / loch
)
e. sein / werden
; ˹
das kleid / pflaster
˺
e. machen
(objektbezogenes präd. Attr.);
der enge durchschlag / ort / rok / spalt / steg / weg, die enge behausung / krippe / schranke / truhe / wiege / wunde, das enge glas, die engen nasenlöcher / schlupflöcher, spacia zwischen den zeilen
.

Belegblock:

Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
Da kroch ich immittelst zum andern Loch [...], Vnd das Loch war mir schier zu enge gewesen, Ich habe die haut auff den Schultern all abgeschabet.
Lohmeyer, K. v. Nostitz (
preuß.
,
1578
):
Ich habe besichtiget den engesten ort uber dem grossen sehe.
Luther, WA (
1527
):
Sihe, Gott ist dir feind, weil dir aber Gott feind ist, so sind dir alle Creaturn feind und widder, Da ist yhn alles zu enge worden. Des gleichen gehet es nach teglich, wenn Gott ein menschen bekeren wil von sunden, das er yhn erstlich ynn solch schrecken und angst fuͤret.
Ebd. (
1529
):
Mir sind auch wol etwa heimliche brieffe meiner feinde [...] zu komen, Damit ich yhn wol hett wollen die welt zu enge machen.
Ebd. (
1532
):
das man nicht ein andere ansehe, wie ein iglicher sein weib ansehen sol. Doch mus mans hie auch nicht so enge spannen.
Ebd. (
1535
):
So wer sie [die welt] doch dir viel zu klein | zu sein ein enges wigelein.
Ebd. (
1537
/
40
):
den Christus wil nicht ein harbreitt weichen, so ist das bette auch zu enge, Christus und der Teuffel konnen nicht zugleich drinnen liegen.
Ebd. (
1544
):
Ein sollicher grosser hauff [dreissigmal hundert tausent menschen] kan an so einem engen ort nicht lang gesundt bleyben.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dô got alle crêatûren geschuof, dô wâren sie sô snœde und sô enge, daz er sich niht dar inne beregen mohte.
daz ir [der sêle] diu sêle ze enge werde, daz si in ir selben niht blîben enkünne.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1574
):
Das stoblin war fast enge, das man nit wol einen dischs drin kont haben oder sich gewegen.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch (
rhfrk.
,
um 1405
):
Lederhosen kleine und enge mit bedrang.
Palmer, Tondolus (
Speyer
um 1483
):
do ich sach den engen steg vnd vnder dem steg die groß pin.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
4, 16
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
[Alexander] hot ouch keynen ingank ane eynen engin wek czwischen deme gebirge unde deme mere.
Opitz. Poeterey
14, 12
(
Breslau
1624
):
vnd muß ich schon darvon / | So vberschreit ich doch des lebens enge schrancken.
Gille u. a., M. Beheim
111, 384
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Das du dir machest gross palast, | seit das dein herr liget und rast | [...] | [...] in ainr engen cripfen hil.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
Der slange, so er bevindet das er beginnet alten und rimpfen und stinken, so suͦchet er wo zwene steine bi ein ander ligent, und dodurch sloiffet er sich vil enge.
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
Das .XIII. capitel [...] würt sagen von dē engen wūnden
[bezogen auf den Wundkanal]
die do geschehen von stechen.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
wie hat er [der Schneider] mir das [Kleid] so kurtz, das so enge gemacht!
Stopp, Kochbuch S. Welserin
48, 5
(
Augsb.
1553
):
treibs
[
ain gebeten semel
und
ain erbisbrie
]
als dúrch ain saúbers túch / oder engen dúrchschlag.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Die Gassen seind zimlich eng / mit grossen stainen vnd blatten gepflestert.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ir [vipper] aftertrühel ist sô eng als ein nadelœr.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
25, 36
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
sein füeslein, painlein und die / hend | gürt sie mit panden eng behent.
Klein, Oswald
53, 21
(
oobd.
,
1411
?):
ain so wolgezierte, rotte enge spalte
(gemeint ist der Mund der Geliebten).
Ebd.
66
(
vor 1408
?):
gar eng ward mir die werlt.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
358
(
oobd.
,
1607
/
11
):
2 [...] 8-egget und unden schmeler oder engere trühlein.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
501, 5
(
moobd.
,
1473
/
8
):
In streit dy unvertzagten | prachten dy Chriechen mit alle zue der nott, | das in ward gar das weitte veld zue enge.
Große, Schwabensp. ; ;
Kurz, Waldis. Esopus ;
Ralegh. America ; ;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
8, 15
;
Böhme, Morg.R.
15, 13
;
Vetter, a. a. O. ; ;
Rohland, Schäden
394
;
Henisch ff.;
Vgl. ferner s. v.
1
 1, ,  2.
2.
›schmal, schlank‹ (bezogen auf den Umfang, die Proportion von Körperteilen); im Einzelnen auch: ›schmal‹ (vom Gesicht, von der Nase); ›eng‹ (vom Umfang des Brustkorbs); dies häufig ütr. auf die Lungenkapazität, den Atem (s. Phraseme und Wortbildungen); ›abfallend, schmächtig‹ (von Schultern); auch: ›eng eingeschnürt‹ (von der Taille); selten negativ konnotiert: ›dürr, ausgemergelt‹ (z. B. vom Gesicht).
Phraseme:
enger atem
›Beklemmungsgefühl in der Brust; Asthma‹;
jm. die brust (zu) eng sein
›Druck auf der Brust verspüren, nur schwer atmen können‹; ütr.: ›Angst haben‹.
Bedeutungsverwandte:
, , ; vgl. ˹, , ˺ (zur Ütr.), (Adj.) 7, , , (Adj.) 4,  2.
Wortbildungen
engbrüstig
›kurzatmig, asthmatisch‹ (dazu bdv.: , , ),
engbrüstigkeit
›Atemnot‹.

Belegblock:

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
104, 16
(
Frankf.
1535
):
es trücknet der lungen geschwer vnnd ist ein hilff so einem der athem eng ist von dem huͦsten.
Ebd.
168, 16
:
das schwartz [petroleum] dienet zu engbruͤstigkeyt / vnd dem huͦsten.
Jahr, H. v. Mügeln
2375
(
omd.
, Hs.
1463
):
sin schuldern eng, sin zene grop, | klein sint sin arm, groß ist sin kop.
Schmitt, Fachprosa
62, 16
(
alem.
,
um 1450
):
vnd ist eng hinen zwüschent den aberklaw
[der
hind
]
, wan daz aberklaw stat für sich vnd jst eng vnd crum vnd spicz.
Menge, Laufenb. Reg.
3652
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1470
˺):
Ist dir aber die bruste | Ze enge mit otems luste | [...].
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Ir nase was gar adellich, | [...] | Nút vor zewit noch ze enge, | Schoͤn und rain ze aller zit.
Er
[der Bart Christi]
was nút brait noch enge | Und was von linden haren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Engbrüstig / dem eng vmb die brust ist / der ein schwaͤren athem hat. [...]. Engbrüstig vnd keychig sein.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. f. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ir [frawen] prust ist eng und auch ir schultern sind eng und habent auch die prust unden.
Klein, Oswald
22, 92
(
oobd.
,
1422
):
ir antlitz eng, | lang nas, ain hohe stieren.
Jahr, a. a. O.
2529
;
3.
›wenig ausgreifend, kurz‹ (z. B. von einem Schritt, einem Winkel gesagt); ütr.: ›enggefasst, eigentlich‹ (z. B. von Bedeutungen).
Phraseme:
die schuld eng machen
›die Schuld billig loswerden‹.

Belegblock:

Mendthal, Geom. Culm. (Hs. ˹
preuß.
,
A. 15. Jh.
˺):
das man dasselbege messegeczew moge spannen den winkel weytir adir engir.
Luther, WA (
1526
):
Denn ,Remes‘ auff Ebreisch heist alles, was da kreucht und schleicht, wilchs ich gewuͤrm heysse, wie wol das wort zu enge ist.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Mein kurtzen Beyn vnd enger schrit | Reimen sich zu hohen Bergen nit.
Rot
285a
(
Augsb.
1571
):
Abbreuiation, verkuͤrtzung oder enger begriff.
Klein, Oswald
6, 22
(
oobd.
,
1422
):
so wolt ich machen enge | mein schuld mit klainem widergelt, | der ich laider gross von stund bezalen müss.
4.
›gering, unzulänglich‹ (von Werken, Haltungen, menschlichen Möglichkeiten gesagt); ›ängstlich, beklommen‹ (von seelischen Zuständen); ›beschränkt‹; auch: ›ohne Wert, ungenügend‹; Ütr. von 1.
Phraseme:
enger mut
›engherzige Einstellung‹; ˹
enges herz
;
enges gewissen
˺ ›von Angst, Unzulänglichkeitsgefühlen, Mutlosigkeit geprägte seelische Verfasstheit‹; daraus resultierend auch: ›schlechtes Gewissen‹;
enges recht
›Recht, das nicht für jederman gilt‹;
enger sin
›missgünstiger Gedanke‹;
etw. eng handeln
›etw. ohne Großzügigkeit behandeln‹.
Wortbildungen:
enggäch
,
enggächsig
›übereifrig, skrupulös‹ (nur alem.; zum Gw dieser Bildungen vgl. , Adj.),
engherzig
›geizig‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Tenax. Vnmilt [...] enghertzig.
Luther, WA (
1544
):
Denn es ist doch der unglaube in uns zu starck und unser hertzen zu enge und zu schwach, die hohen, trefflichen wort zu fassen.
Ebd. (
1529
):
Da machen sie jnen enge Gewissen und achtens grosse unheiligkeit sein, Aber das sie Gottes Son creutzigen, das ist bey jnen keine Suͤnde, sondern lauter heiligkeit.
Das waren auch solche treffliche heilige Leute, die konten den zehenden geben, machten jnen enge Gewissen in geringen Stuͤcken, Aber die grossen stuͤcke im Gesetze ubergiengen sie on alle Gewissen.
Ebd. (
1537
):
Wo nun Enge gewissen sein, die ihnen sagen lassen, die kan man noch schrecken mit dem Geistlichem Ban, das man ihnen saget: Diese gefhar stehet dir fur der Handt.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz werk enminnet got niht, daz ûzer, [...], daz enge ist, [...], daz müede wirt und alt von zît.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth (
Frankf.
1603
):
Es wird die lieb eng sein und schmal, | Welche beweist ein falsch gemahl.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1952
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
[got enpfahen] ist vnmúgelich, wan wir sint zvͦ enge vnd zvͦ kleine, in zvͦ begriffende.
Schmidt, Rud. v. Biberach
27, 19
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Ich [dvͥ minnende sel] bin enge vnd klein, mache mich wit, daz ich din begriflich si.
Maaler (
Zürich
1561
):
Enggaͤchßsig (der) Voll zweyfels vnnd spans. Scrupulosus. Ein Enggaͤchß vnd sorgfeldigs gemuͤt.
Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Nu waz künig Darius | In im selber alsus | Bedencken her und hin | Und het mangen engen sin, | Daz alle dink sint gelückt | Allexandro.
5.
›vertraut, nah‹; nur phras.:
enger rat
›kleines Beratungsgremium von Vertrauensleuten‹.

Belegblock:

Dat nuwe Boych (
rib.
,
1396
):
so verdroigen sij do mit yren vrunden vnd partijen beẏde zo Engen vnd wijden Reden sitzende.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Auch het er eng Rädt und achtet nit, das sein Rädt und sein Ambtleüt unainig mit ain ander warn.
Vgl. ferner s. v.  4.