einsamkeit,
die
.
– Die Semantik der Belege entspricht dem zu gezeichneten Bild.
1.
›Alleinsein, Fürsichsein; Isoliertheit, soziale Verlassenheit (auch aufgrund eines persönlichen Verlustes)‹ (allgemein); im Besonderen: ›existentielle Verlorenheit, Geworfenheit‹; ›Ehe- und Familienlosigkeit‹ als Ursache von Depression, sozialem Rückzug oder gar Verbrechen; ›als seelenbedrohlich gewertetes Alleinsein, Rückzug aus der Sozialität, Schwermut, Depression‹; in 1 Beleg auch: ›Verlassenheit, Verzweiflung (von einer sich im Krieg befindlichen Stadt)‹;
vgl.  13.
Bedeutungsverwandte:
(
die
5,  3,  1; vgl.  2,  5,  2.
Gegensätze:
 7.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1632
):
Nun kuntet ihr [Witwe] zuvor bedenken, | daß eben seine
[des Ehemannes]
Sterbenszeit | euch in den Turn der Einsamkeit | auch künftig wider könte senken.
Mieder, Lehmann. Flor. (
Lübeck
1639
):
Einsamkeit steckt in Gefaͤhrligkeit.
Luther, WA (
1528
/
9
):
Christiana passio hebt an an der einsamkeit. [...] Christliche leiden hebet an an der einsamkeit. Es wird und mus doch dahin komen, das du Allein gelassen werdest. Geschichts in diesem Leben nicht, so geschichts doch im Tode. Darumb sol ein jeder Christen sich ruͤsten und bewaren.
Ebd. (
1528
):
damit hat Christus unser Heubt uns bereiten wollen, das wir seinem Exempel nach uns auch zur Einsamkeit schicken und lernen sollen, unsere Sterck bey und in uns selbs haben.
Ders., WA Br. (
1532
):
Sehet aber ia drauff, das yhr den Man̂ kein augenblick allein lasset, auch nichts bey yhm, da mit er yhm mocht schaden thun; Einsamkeit ist yhm eitel gifft, dar umb treibt yhn der teuffel daselbs zu.
Ders., WA Tr. (
1538
):
Wenn ich unlustig und schwermüthig bin, so fliehe ich Einsamkeit, gehe zu Leuten und schwatze mit ihnen.
Ebd. (
um 1530
):
lieber Herr Doctor, sehet Jhr zu, daß Jhr nicht alleine bleibet, wenn Jhr angefochten werdet. Ja, fliehet Einsamkeit!
Ebd. (
1538
/
43
):
Was Einsamkeit fur Schaden bringe. ,Es geschehen viel mehr und größere Sünde, wenn die Leute allein sind, denn wenn sie sich zu anderer Leute Gesellschaft halten. [...] Denn wo eine solitudo und Einsamkeit ist, da hat der Teufel locum et occasionem, die Leute in Sünde zu führen; [...] Gott hat den Menschen zur Gesellschaft geschaffen, und nicht zur Einsamkeit.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
alsus wart der buschuf gevriet van der bitterkeit des hertzens intghein die stat, dt volk wart gevriet van der vorchte ind soirchfeldicheit ind die stat wart gevriet van der einsamkeit.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
21, 11
(
Frankf./M.
1626
):
Jetzt wolt ich was im ernst / jetzt lustigs was erzehlen / | Bald hat auff einsamkeit ich meinen Sin gestelt / | Bald wie so seltzam es doch hergeht in der Welt.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Einsamkeit nach verlornen eltern oder kindern / orbitas.
2.
›innere Einkehr, Zurückgezogenheit; geistlicher Rückzug aus der Welt, Öffnung eines inneren Raums für Gott und religiöse Meditation‹; speziell: ›klösterliche Einsamkeit, Rückzug ins Kloster‹; metonymisch: ›Ort der Abgeschiedenheit, Einkehr, Einöde‹;
vgl.  24.
Bedeutungsverwandte:
 12, , , , ; vgl. (
die
).

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1631
):
So muste Babels Herr [...] | in der Wüstenei zu Früh- und Abendszeit | wie ander’ wildes Vieh im Wald’ und Grase weiden, | und war sein weites Reich dort in der Einsamkeit.
Luther, WA (
1528
):
Elizabeth fuerat in secretis locis, si die einsamkeit hülffe, certe[...].
M. Cunitia. Ur. Prop. (
Öls
1650
):
das wenig / so durch weibliche Leibes kraͤffte als in meinem einsamkeit liebend- und uͤbendem Stande [...] nutzbares zu wircken sey.
Opitz. Poeterey
55, 29
(
Breslau
1624
):
so wil ich doch lieber Virgilii sichere vnnd geheime einsamkeit / in welcher es jhm weder an gnade bey dem Keyser Augusto / noch an kundschafft bey dem Roͤmischen volcke gemangelt hat.
Harsdoerffer. Trichter (
Nürnb.
1653
):
Wer die Gesellschafft liebt der edlen Kunst-Gedanken / die mit den Toden⸗Buch bespricht und unverhindert der Sachen sinnet / versteht die stum͂e Sprach der stillen Einsamkeit. Es spricht mein Hertz mit mir / wann ich es nur will hoͤren / mich von den Leuten kehren etc.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Dise einsamkeit ist das der mensche nút alleine enhat uswendige manigvaltikeit gelossen, sunder och inwendige manigvaltikeit der inren krefte [...] und sich der mensche kert von allen bilden und formen und blibet in der einsamkeit.
Denne mag der mensche an sehen die eigenschaft der goͤtlichen wuͤstenunge in der stillen einsamkeit, do nie wort in dem wesende nach weselicher wise inne gesprochen enwart.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Einoͤde / wildnuß / rauhe wilde / einsamkeit / wuͤsten [...]. Einsamkeit / solitudo. Fuͤr der thuͤr war es gantz still / da sahe man keine͂ menschen. [...]. Einsamkeit oder ruhe ist ein gulden kleinot / aurea res est solitudo.
3.
s.  5.