dürfen,
V.,
unr.; Präteritopräsens der Ablautreihe 3b; als Modalverb und als Vollverb gebraucht; zu den Flexionsformen vgl. Frnhd. Gr. § M
; 141
Mhd.
Gr.Dwb, Neub.
; 6, 1797
turren
vgl. s. v. (V.). – Die Zuordnung der Belege zu den einzelnen Bedeutungsansätzen ist zum Teil diskutabel; vgl. auch
Mwb
.1, 1452
1.
›etw. brauchen, benötigen, e. S. bedürfen‹; als Vollverb gebraucht, meist mit Genitivobjekt; in der unpersönlichen Verwendung es darf
[+ Genitiv oder mit das
eingeleiteter Nebensatz]: ›es ist nötig‹.Phraseme:
keiner frage dürfen
›wahr sein‹; der mühe nicht dürfen
›der Mühe nicht wert sein‹; es darf keine worte / was darf es worte?
›es muss nicht erläutert werden‹.Syntagmen
(in Auswahl): jn
. (z. B. Christus, männer / zeugen
) / etw
. (z. B. ein exempel, zeugnis, eide / kleider / pillen / vögte, geld / pulfer / trost
) d., etw. d
. [+ Inf.], sich etw. d., worte bedeutung d., etw. zu essen / trinken, zu der notdurft d
.; die pflanzen
(Subj.) den regen, die sele der bitte d., die freundschaft des erneuerns d
.; j. js
. (z. B. gottes, des arztes / fürers / keisers / mannes / meisters / nächsten / predigers / propheten / richters, des weibes, der juden
) / e. S
. (z. B. des friedens / rates / trostes, der absolution / arbeit / beschreibung / brille / busse / freundschaft / gnade / herschaft / hilfe / krücke / rache / redlichkeit / weisheit, des geleits / gutes / leides / lichtes / lobes / rechtes, der bücher / sinne / worte, geldes
) d., js. dienstes d., ein eisen schärfens d
.; etw. zu etw
. (z. B. zur speise
) d
.; d., das [...]
.Belegblock:
wir derfen aber balt keiner juden mer, dann wir christen habens
[das Pfandleihen]
fein gelernt. Die andern, [...] die [...] sich duͤncken lassen, das sie alles koͤnnen, duͤrffen dieses meines diensts nichts.
Wer dieser weisheit nicht darff, der lasse dis Buch liggen.
Er darff der mühe nicht.
Er [Jhesus] hat Gott gelestert / Was dürffen wir weiter zeugnis?
Ebd.
Lk. 5, 31
: Vnd Jhesus antwortet [...] Die Gesunden dürffen des Artztes nicht.
Wir duͤrffen auch kein frembde Mann / | Wenn wir vnter vns einig sein.
Her umbe, wan ir leit nâch gote was und ûf eine stæticheit gebûwen, sô endorfte si des niht.
weme also vil lude sint befolen zu regiren [...], der darf wol guder sinne unde redelicheit.
Den rechten regen durch dein Geist | Schick vns O Herr [...] | Wie es die schwaͤlgen pflaͤntzlein zart, | Wol doͤrffen.
Wer seinen nehsten ein gruben grebt, | Darff selbs wol, das man jn drauß hebt.
Czu Kostenicz darff man furder keyns geleyts noch keyns gleiczmannes.
do ist obirvlussikeit allis das man darf czu der noturft.
wir haben Cristum / wellen wir jm glauben / so haben deß genug / wir durffen khaines predigers.
so bald in [Luther] der heroldt bracht [...] in ein unfreundlich orth, saget (er), er dörffte sein nit mehr, und ritt von ihm.
Darf er trost in der welte, | er wirt gesegnet seine.
Was darffs vil wort?
wenn stumpff wird ein eisen scharff | An der schneid, wider scherffens darff, | Den scherpff mans.
Wan er [got] schon wolt vff bitten geben, | So doͤrfft es nit vil weiters fregen, | Er thet es nit von euwert wegen.
Wir
[Lutheraner]
künnen auch weltlichen stant | Reformieren, ordenung machen, | Vnd doͤrffen des keisers nit zuͦ diser sachen. dieweil unser freündtschafft noch nie veraltet / darff sie auch keins ernewrens nit.
was darffs wort? so ich die ding betrachte, so fürgee ich das dorff ungeachtet.
Des selben jars [...] was alles das teur, das man dorft zu essen und trinken.
Es dörft, das einer selbs sölch gegent durchfüer.
Quint, a. a. O.
594, 6
; Peil, a. a. O.
91, 1525
; Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
63, 8
; Strauch, Par. anime int.
91, 12
; Neumann, Rothe. Keuschh.
4322
; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
320, 15
; Bührer, Kl. Renner
106
; Williams u. a., Els. Leg. Aurea
400, 5
; Fuchs, Murner. 4 Ketzer
27
; Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 193, 23
; Meisen u. a., J. Eck
46, 5
; Qu. Brassó
4, 221, 42
; Schweiz. Id. ff.;
2.
›müssen; Grund, Veranlassung haben, verpflichtet sein, etw. zu tun‹; meist mit Negation, dann: ›(nicht) brauchen‹; vereinzelt: ›zu etw. genötigt, gezwungen sein‹; als Modalverb gebraucht.Syntagmen:
d
. [+ Inf.], d
. [+ Inf. mit zu
].Wortbildungen:
durf
Belegblock:
Rechtlosen luͦten ne darff nieman vorspreken geben.
Derhalben so hette Christus nicht kommen durffen, das ehr von diesen diengen lehrete.
So ich mich fur Gott nicht darff fuͤrchten, was frage ich noch des Teuffels zorn und schrecken?
du darffest fur mir nicht erschrecken / vnd meine hand sol dir nicht zu schweer sein.
Ebd.
Jer. 2, 24
: Wers wissen wil / darff nicht weit lauffen / Am Feiertage sihet man es wol.
daß ich [Maria] ßo groiß martel hie | an minem lieben kynde icht dorffe sehin.
Wie vns jetzt alle hendel leren | So klar, das mans nicht darff beweren.
so ein gantze woche ist, dorfe die den sonabent nicht arbeten.
So wil ich durch der synnen durff | Hier werfen einen wurf, | Der [...].
So dürffen wir vns nicht besorgen / das wir etwas vnrechts bitten.
So künnen wir einander leren; | Was doͤrffen wir ir predig hoͤren?
beken̄t die person so darff der richter kain vnderrichtūg vrtel vnd straffung zuͦ fierē.
Darumb, ir fürsten, herren, | so gebt euch selber rat, | ich darf euch nicht ze leren, | ir secht wol, wie es gat.
darumb so sol sich der mensch gancz vnd gar in got sterkchen, so darff er nicht suechen die auswenndig trostung.
ist kein Schnee auf dem Erdrich gewesen, also dass man dies Jahr oder aber Winter uber den Schofen kein Fueder hat geben dörfen.
Luther, WA ;
Quint, Eckharts Pred. ;
Peil, Rollenhagen. Froschm.
164, 3715
; Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
352
; Froning, a. a. O.
5561
; Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
90, 9
; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
247, 23
; Thür. Chron.
24r, 16
; Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk.
28, 34
; Tittmann, Schausp. 16. Jh. Krüger
19, 147
; Dietrich. Summaria
19v, 42
; Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Barack, Zim. Chron. ;
Stopp, Kochbuch S. Welserin
189, 6
; Weber, Füetrer. Poyt.
238, 1
; Winter, Nöst. Weist. ;
Bauer, a. a. O.
44, 3
; 3.
›sich etw. trauen, etw. wagen‹; als Modalverb, vereinzelt als Vollverb gebraucht (auch als Ellipse interpretierbar).Syntagmen:
d
. [+ Inf.]; [wohin] (z. B. aus der stat
) d
.Belegblock:
Das ist denn ein huͤbschs und loblichs leiden und dennoch duͤrffen sie [Rottengeister] uns schulde geben, als lereten wir nicht recht vom leiden.
es stehe jnen [Suͤnder] jre suͤnde an der stirne geschrieben [...], und hat keiner den andern duͤrffen ansehen.
Die kundtschafft macht vns offt bekandt, | Das wir auch werden den verwandt, | Vor den wir vns forchten vorhin, | Vnd nicht dorfften nahen zu jn.
ich halte sie [Buͤchlin] auch fuͤr zeugnisse unserer Lehr / unnd unschuldt wider die jhenigen / welche uns beschuͦldigen duͤrffen / daß wir guͦte Wercke verbieten.
So darff er
[Luther]
alle bischoͤff schenden | Vnd die cardinaͤl an wenden. Doͤrffen ein grosse schand begon. [...]. Doͤrffen stürmen / ein sturm anfahen. [...]. Doͤrffen eim gwalt vn̄ vnraͤcht thuͦn. [...]. Dem vatter nit Doͤrffen vnder die augen kommen. [...]. Einen Doͤrffen straaffen. [...]. Jch darffs nit sagen / Jch schaͤm mich es ze sagen.
so es leyder dahin kon / das die vogtyen [...] dahin erwachsen / das sy [...] toͤrffend offenlich reden [...] Darumm ouch unser voͤgtt sy nitt straaffen toͤrffend.
Nun dorfft nymandt vor dem gewürm auß der stat vor sorgen.
Haben die Szekely den Miko Georgh sampt anderen abermal zu uns geschicket, ein Verbundnues mit uns zu machen. Haben ihnen aber nit trauen dörfen.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 44, 15
; Valli, Baldemann
458
; Thür. Chron.
23r, 25
; Meisen u. a., J. Eck
7, 13
; Schorer, Sprachposaun
40, 8
; Qu. Brassó
4, 34, 34
; Schweiz. Id. ff.;
4.
›etw. dürfen, die Erlaubnis, Genehmigung, das Recht zu etw. haben‹; meist als Modalverb, vereinzelt als Vollverb gebraucht (hier auch als Ellipse interpretierbar).Syntagmen:
d
. [+ Inf.]; zu jm
. (z. B. zum bruder
) d
.Belegblock:
sie [...] sagten / Sie wolten jm fleisch bringen / das er wol essen dürffte
[
jm zimmet zuͦFroschauer
1530 / Dietenberger
1534 / Eck
1537: ].
Herre meynster, dorfft ich slan, | die dich iczunt griffen an.
Er war zu Manoa 7. Monat / vnd dorffte nirgend im Lande hinrheysen.
ŭf daz min vient der tŭvel sich nimmer tuͦrfe geruͦmen [...] daz er mich habe vorwuͦnnen.
und würd dahin bracht [...], daß ein pfaff sich muͤst lon benuͤgen mit einer pfründ und darft nit witer gedenken.
So bald der newe [Consul] zuͦ Tripoli ankom͂et / darff er nit ehe auß dem Schiff hinauß ans land tretten.
sein gar pöeß leutt do [in Nazareth] und sein den Christen gar veindt, aber sie dörffen in nichts thun vonn des chönig soldans gepottes wegenn.
Pipinus [...] betzwang Ottilo, das er sich nicht mer torft konig nennen.
soll der ubergeher [...] mit den bestölten holzknechten hingehen und ihnen auszaigen, wo sie hacken derfen.
Von dem der nicht puͤrgen seczen darf vor schult.
5.
›etw. können, die Möglichkeit, Fähigkeit zu etw. besitzen‹; als Modalverb gebraucht.Belegblock:
Jr dorfft auch nit sage͂ / dz alte gewonheit vñ vbung die heilsam laher ist
(auch zu 4 stellbar).
Wann der Pabst dißfals Henrico VIII. [...] hette doͤrffen zulassen / was Luther dorfft zulassen / nemblich Zwey Weiber zugleich zu haben. so moͤcht er blieben sein [...] Paͤpstisch.
wem nicht zu rathen ist / dem ist auch nicht zu helffen. [...] Er wird nicht sagen dörffen / das ers nicht gewust habe.
damitt śeine Nachkomen khunfftiger Zeit nicht dürfften angefichten werden, [...] begert er śolchen [khauf] pro futura cautela einuerleiben Zue laßen.
6.
dient im Konjunktiv zum Ausdruck einer Vermutung, Möglichkeit (epistemisch).Belegblock:
weil vns [den Teuffeln] der Spannier Regiersucht bekant, dörfften sie sich auch der Hölle wohl gar vnderfangen wollen.