dür,
Adj.;
Bed. 1 als Kernbedeutung mit breitem Spektrum extensionaler Bezugsqualitäten und semantischen Nuancierungen auffassbar; in 2 und 3 weitere, mit 1 assoziierbare Bedeutungsansätze; in 4-5 übertragene, in 6 fachsprachliche Verwendungsweisen.1.
›trocken, keine oder nur noch sehr geringe Feuchtigkeit aufweisend‹; im Einzelnen:a) ›ausgedörrt, unfruchtbar, keine Früchte hervorbringend‹ (z. B. vom Erdboden gesagt); in religiösen Kontexten offen zu 4.
Phraseme:
der dürre schwam
›geiziger Mensch‹ (wohl durch die Vorstellung motiviert, dass man aus einem trockenen Schwamm kein Wasser herauspressen kann); der dürre bruder
wohl: ›Wüstenheiliger‹.Syntagmen:
etw
. (z. B. ein acker, der erdboden
) d. bleiben / sein / werden
; der dürre acker / erdboden / ort, die dürre einöde / erde / stat / weide, das dürre erdreich / feld / land
.Wortbildungen:
dürde
dürrigkeit
dürwurz
Marzell
f; dazu bdv.: , ).2, 1009
b) ›verdorrt, abgestorben, tot‹ (von Pflanzen, Bäumen usw. gesagt); auch auf den menschlichen Körper bzw. auf einzelne Körperteile angewandt, vor allem in Bezug auf das Krankheitsbild der Lepra, dann: ›abgestorben, ohne Gefühl‹; dies in biblischen Zusammenhängen auch als Strafe Gottes aufgefasst.
Phraseme:
der dürre ast / baum
›Galgen‹.Syntagmen:
j. / etw
. (z. B. ein baum
) d. sein / werden
; der dürre arm / ast / baum / storre
›Baumstumpf‹ / zweig, die dürre hand / ranne
›umgestürzter Baumstamm‹ / rute / spache
›dürres Holz‹, das dürre bein / holz / reis, die dürren trauben
.Wortbildungen:
dürholz
dürre
dürscheit
dürzweig
c) ›getrocknet, gedörrt, geräuchert‹ (von Lebensmitteln, die durch Entzug von Wasser für den Verzehr haltbar gemacht werden, z. B. von Obst, Fleisch, gesagt; auch auf getrocknetes Tierfutter, z. B. Heu, bezogen).
Phraseme:
dürre rüben gewinnen
›nichts bewirken‹.Syntagmen:
etw
. (z. B. amad / fleisch / heu / rosmarin / safran
) d. sein / werden
; etw
. (z. B. gras
) d. machen, etw
. (z. B. einen vogel
) d. braten
; der dürre dorn / fisch / hecht / schöps, die dürre birne / feige / raute / schlehe / schwarzwurz / weinbere, das dürre blat / fleisch / futter / gras / korn / kraut / laub / obst
.Wortbildungen:
dürbirne
dürfleisch
dürfrucht
d) ›trocken, heiß‹ (vom Wetter, von der Witterung, vom Klima gesagt).
Syntagmen:
etw
. (z. B. der herbst / luft / sommer, die zeit
) d. sein / werden
; es
(unpersönliches Subj.) d. sein / werden
; der dürre herbst / sommer / wind, die dürre zeit, das dürre jar
.Wortbildungen:
dürrung
dürsucht
e) ›ausgetrocknet, dehydriert, der Flüssigkeit ermangelnd‹ (von krankheitsbedingten Zuständen des menschlichen Körpers gesagt).
Phraseme:
das dürre blut
›Blutarmut‹; der dürre husten
›Katarrh‹.Syntagmen:
etw
. (z. B. die füsse / hände / zehen
) d. werden
; jn. d. machen
; das dürre gebein / lied
›Gelenk‹.Wortbildungen:
dürrig
dürrigkeit
dürsucht
f) ›durstig; nüchtern, nicht betrunken‹; auch ütr. auf die menschliche Seele, die Gottes Segen entbehrt.
g) in Bezug auf verschiedene weitere Substanzen: ›trocken, wenig nahrhaft‹ (von Speisen gesagt); ›staubig‹ (von Asche gesagt); ›getrocknet, eingedickt‹ (von einer Salbe gesagt); ›trocken‹ (von einer Mauer, die ohne Mörtel gebaut wurde, gesagt).
Wortbildungen:
dürrenbek
h) ›von trockener Qualität‹ (im Sinne der Humoralpathologie als Variante zur Primärqualität
trucken
, Adj., 1, von Himmelskörpern und den sie repräsentierenden Göttern gesagt).Syntagmen:
Saturn, die erde d. sein
, j.
(z. B. Mars
) d. heissen
.Wortbildungen:
dürrigkeit
Belegblock:
Zu a):
Tenax. Vnmilt karg [...] ¶ filtz karger hundt zäher keil [...] duͤrrer schwamm.
wie die iunge saat auff einem durren feld, [...] wo es keinen safft hat und dazu die sonne mit jrer hitze drauff kompt, mus es bald verdorren.
ER [Herr] fand jn [Jacob] der wüsten / in der dürren
[
wuͤstenMentel
14752
: ;
vngebauwne͂Froschauer
1530: ;
weiterEck
1537: ]
Einöde. Ebd.
Ps. 63, 2
: GOtt du bist mein Gott [...] Es dürstet meine Seele nach dir [...] in eim trocken vnd dürren
[
wústenMentel
1466: ;
einoͤdenFroschauer
1530: ;
oͤdenEck
1537: ]
Lande. Wer sich sein selber nicht kan massen, | Von boͤser gwonheit abelassen, | Den muß man in ein Kloster globen, | Zun Doͤrren Bruͤdern hoch dort oben.
Erstlich vergleichet der Prophet den HERRN Christum mit einem Reißlein vnd gruͤner Wurtzel / welche aus einem duͤrrem / trockenem / hartem vnd vnfruchtbarem / oder sandichtem vnd steinichtem Erdreich herfuͤr scheust.
Wie der fruchtbare Regen dem duͤrren Erdbodem im heissen Sommer sehr angeneme vnd bequem ist / Also [...].
Sein arm wirt dúrr gemacht mit dúrrikeit.
Libia die statt [...] ist gar ain túrro stat und unfruchtbar.
Duͤrrwurtz / hundsaugen / wirt also genant / das sein wurtzel holzecht ist / vnd keinen nutz hat.
Mönch v. Heilsbronn. Fronl.
28a, 29
; Voc. inc. teut.
e iiijv
; Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 22
.Zu b):
Denn so man das thut am grünen Holtz / was wil am Dürren werden?
Tet sie
[Minne]
daz, so wurd mir dorren | Min hertze gliche dem durren storren. danne setzent wir uns mit dem turteltúbelin uf den uns verborgenen dúrren esten.
Hie von sprach got durch Ezechielem zuͦ den durren doten beinen.
do was ein man habent ein durre
[
verdorreteLuther
1545, Mt. 12, 10: ]
hant. Fomes, Zundel / ein dürr scheyt / spaͤnen.
die sy gehenkt hattend, die warend schon dür, so has was es.
Zu der zeit der pusch ward glüen, | Aarons dürre ruͦt ward blüen.
sonderlich sollen die holzmaister [...] die windwürf, dürrn und puechen nit unverhackt lassen, sonder solches holz alles aufarbaiten.
Ich pin dürftig als das dürr holcz.
Luther. a. a. O. Hes.
21, 3
; Peil, Rollenhagen. Froschm.
141, 3032
; Beckers, Bauernpr.
52, 21
; v. Tscharner, Md. Marco Polo
7, 19
; Bell, G. Hager
652, 6, 5
; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
480, 1
; Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1390
; Voc. inc. teut.
e iiijv
; Schweiz. Id. f.;
Zu c):
von 7 ochzen durre rintfleichs, item 5 schoc brotwurste.
Herr [...] | Wie bistu worden so gering, | Das du da ligst auff duͤrrem gras.
weinessig oder starcks getrancks essig sol er auch nicht trincken [...] Er sol weder frissche noch dürre weinbeer essen.
Stoß in eim mörser senf-samen vnd nym [...] zwo dürre feygen vnd hönig.
Dúrre fleisch gesaltzen vische | Isse nit wiltu beliben frische.
Da fuͦgt sich an der alten vasnacht, daz des vorgen(anten) Schorers sun túrr blaͧwling an dem markt hatt.
Deß glich stockvisch, haͤring, platisli und tuͥrr visch vor erbrer luͥt huͥsern, die dann die veyl haben.
hertzog Albrecht zoch für Wien und lag ain zeitt darvor und gewun dürre ruͦblen; er mocht nichtz geschaffen.
Nach sollicher mass verkauft man [...] nuss gross und clain, und all ander zimes und dürr frucht.
lass den vegellen die fiesß vnnd kopff, steck sý an ainen spisß vnnd prat sý nit zú tir.
das rechte Scammonium, Ambrosiam, Moly, Ammi, Aloen &c. mehr ausser disen noch vil andere die dür / vnnd mehrthails inns Bapir waren eingelegt.
in regal größ D. Rauwolfii buch, darin seine eingelegte dürre kreütter.
Ez sol niemant chainerley obs, weder gruͤns noch duͤrres, von der stat niht fuͤren.
Meine täge die haben abgenamen als der rauch, vnd mein fleisch das ist iczund türr worden als das gedigen fleisch.
Thiele, Minner. II,
31, 672
; v. Tscharner, Md. Marco Polo
65, 15
; Keil, a. a. O.
166
; Bell, G. Hager
408, 3, 8
; Morrall, Mandev. Reiseb.
47, 11
; Müller, a. a. O.
274, 29
; Stopp, a. a. O.
66, 3
; Schweiz. Id. ff.;
Zu d):
Ein vndanckbarer ist wie ein duͤrrer Wind / der die Brunnen außtrucknet.
deine Hand war tag vnd nacht schweer auff mir / Das mein Safft vertrockete / wie es im sommer dürer wird.
Ebd.
Sir. 35, 26
: GLeich wie der Regen wol kompt / wenn es dürre ist / Also [...].
An sent andrieß auent [...] eȳ feucht ad durr jair komen sall.
vervluchet sy ir heil | [...] | Ir arbeyt gebe keyne vrucht! | Bremen, dysteln, di dirre sucht
[hier: ›Trockenheit‹]
| Verterbe ire wingarten. desselben jars ward ein dürrer herbst und geriet wol der wein.
de svmerliche solsticium so vns die svnne aller nahest ist so ist div zit war̄ vn̄ durre.
1176. War ein sehr kalter Winter / darauff ein duͤrer Sommer folgte.
Zu e):
Colera dor blot [...] verprenczs pluet oder dürr pluet.
Gieng jnn daruf ein kranckheytt an / das hend und fuͦs jmm türr wurdend / alls ein holltz.
die [slangen] von vergift sterbent die erstarrent des êrsten, aber sô diu vergift erhitzt, sô tœtt si den menschen mit derren und mit dürr machen.
man [...] schol den sâmen under der zungen haben für den durst wider die dürren huosten.
In kurzen jaren hernach starb frau Jacoba vor unmuet an der dürrsucht.
Zu f):
Jch wil kein steublein werffen drein / | Nur die duͤrre Zung machen naß.
Mach hie lustig in mire | den durren mund der sele min.
Vor dem sindtflus waren die menschen duͤr / nuͤchtern / vnd on allen brauch des weyns.
Da heim wendt wir sie [fleschen] wol trincken auß / | Die leber ist mir wol so dürr.
Dann spyel das zündt die leber an | Das man württ dürr / vnd durstes voll.
‒
Vgl. ferner s. v. .Zu g):
Unter dem pfeffer thut man finden | Vil harter gestoßen brotrinden, | Desgleichen unter dem ingwer die dürren brosen.
nym [...] dürr wermut.
die artzeny dürre oder drucken vf der wundē was / das er sie nicht dannen moͤcht genemen.
Welcher mensch geheling geswollen ist, [...] so nempt rinderen haren, der dür sey, und stost den.
2.
›dünn, mager; leichtgewichtig‹ (von Belebtem, Menschen, Tieren, Körperteilen u. Ä. gesagt); im Übergang zu: ›abgemagert, krank, verschmachtet‹; seltener auf Gegenstände angewandt, dann: ›klein‹; vereinzelt: ›selten vorkommend, rar‹; an 1e, 1f. anschließbar.Bedeutungsverwandte:
1, 1, (Adj.) 2, (Adj.) 2, , (Adj.) 5, ; vgl. (Adj.) 1, (s. v. , Adj., 1), (Adj.) 1.Syntagmen:
j. / etw
. (z. B. ein arm / leib, läuse / ochsen
) d. sein / werden
; etw
. (z. B. die sorge
) jn. d. machen
; etw
. (z. B. ein arm
) d. zum ärmel heraushängen
; der dürre flo / geselle / leib / schenkel, die dürre kröte / ku, das dürre bein / fel / har
.Wortbildungen:
dürmäulen
dürsthaupt
besthaupt
sowie Lex. d. Mal.
f.); die Motivation des Kompositums ist unklar (Bw als 1, 2071
teuerst-
zu lesen?).Belegblock:
die Reichen [...] lassen da neben die Armen, dürfftigen leut dürrmeulen.
nach jnen / sahe ich andere sieben dürre
[
dünneDietenberger
1534: ]
/ seer hesliche vnd magere Kühe her aus steigen. Ebd.
Klgl. 4, 8
: Nu aber ist jr [der Kinder Zion] gestalt so tunckel fur schwertze / Das man sie auff den gassen nicht kennet / Jr Haut henget an den Beinen / vnd sind so dürr als ein Scheit.
fratres
[...] beurkunden, dass sie [...] eine gans [...] zu zinsen haben von ihren gütern [...], die sie [...] in erbleihe besitzen und welche vom
duͦrsthoubit befreit sind (Regestbeleg).
Einsmahls unterstund er sich, mit seinen ochsen, die mit der fütterung übel versorgt, sehr schwach, dürr und verschmachtet waren, zu pflügen.
Diß unglück het sie [lauß] ihr selbs gefördert und solte den dürren floh nicht zu sich geladen haben.
So hastu kum dirr bein zuͦ nagen.
Der bleicht es an der sunn vnd für | Dar vnder werden lüse
[›Läuse‹]
nit dür.3.
›arm, dürftig, kärglich‹ (als Bewertung der äußeren Erscheinung von Personen oder Gegenständen bzw. Sachverhalten).Phraseme:
das ros an einen dürren zaun heften
›keine Verköstigung erhalten‹.Belegblock:
Idt was der durren frijer eyn, | Dat mocht men aen synen cleyderen waill sien.
migma gewannet, daz ist korn ane zaph [...]; dise spise ist durre und hart.
wir muͤssent zuͦ kore gon und singen und lesen [...], und darumb lossent uns lieber hochgezitlichen tuͦn denne dúrre und mit swerheit.
wann ain vogt her reiten wil, so sol er der gemain ân schaden reiten und sol sein ros heften an ainen dürren zaun.
4.
›des göttlichen Segens mangelnd, des Segens bedürftig‹; ütr. zu 1a.Texte religiösen Inhaltes.
Gegensätze:
.Syntagmen:
j. d. sein / werden
; die dürre christenheit / sele, das dürre herz
.Wortbildungen:
dürrigkeit
Belegblock:
Darumb sind wir gnadelos, duͦrr und des ewigen fewers werck worden.
den predigern ich daz lon schribe, | di gotes wingarten so lange | hie roden, daz von irme twange | di dorre kristenheit gibit vrucht.
So kōmen dan solche vnd sprechen Ach herre. ich bin so durre vn̄ so vinster von ynnen.
[Christus] befeuchtiget / wessert vnd erquicket alle Muͤheseligen / durstige vnnd duͤrre Seelen.
Wasch ab all vnreinigkeit, | Vnd befeucht all duͤrrigkeit.
Swenn got mit seinen gnaden zv meiner sel kvmt swaz den̄ hertte was daz wirt waich vnd wirt mein dvͤrres hertzze fevht in heiliger andaht.
5.
›einfach, klar abgrenzend, deutlich‹ (in kognitiver Hinsicht); ›unverblümt, ohne Umschweife; offen, unverhüllt‹; im Übergang zu: ›barsch, schroff, unfreundlich‹; meist zur Charakterisierung direkter persönlicher Anrede, häufig adverbial; ütr. zu 1.Bedeutungsverwandte:
2, 1; 2, (Adj.) 2, , (Adj.) 2, 3; 6, 1
(Adj.) 6, (Adj.) 8, 5, (Adj.) 2, (Adj.) 11; vgl. (Adj.), , 5
2, 1
2; 4, 3, 10, 1, 8, 2, 8, 1, 4, (Adj.) 11, 1, 5.Syntagmen:
j
. (z. B. apostel
) d. sein
; d. herausfaren / reden, jn. d. abweisen, etw. d. abmessen / beschliessen / (heraus)sagen / wagen, jm. d. absagen, jm. etw. d. befelen, etw
. [in einem Text] d. dastehen
; der dürre glaube / inhalt / text / verstand, die dürre schrift, das dürre urteil / wort
.Belegblock:
Da hoͤrestu ein kurtz duͤrr urteil.
DAS ist duͤrre und klar beschlossen, das sich niemand des Lebens rhuͤme, der nicht die Liebe hat.
wie Paulus sagt [...], das er [Gott] einem yglichen hirschafft abzirckelt, eben und duͤrre abmisset, wie weit sie regiren sol.
Nun fheret er durre heraus undt spricht.
Also weiset sie der Herr alhier auch gantz stumpff und durre ab, [...] ist gantz stoltz und hofferttig.
der konig von Franckreich seine leuthe [...] sagten dem Bapst durre und drocken die warheit.
Eim soltus dürr mit worten sagen / | Dem andern wol die haut vol schlagen.
allso warendt die apostl / die vnmildt seindt / gellt begern [...] sein nit apostll / dann sie seindt nit milt / sonnder durr vnd grob [...] vnd grimm.
Tarquinius der wagt es dürr, | Ist mit seim kriegs-volck rund und kürr.
ders. Hl. Schrifft.
2. Makk. 6, 23
;