durchgehen,
V., unr. abl.
1.
›etw. (einen Raum, ein Gebiet) durchschreiten, durchwandern, durcheilen, besuchen‹; auch: ›(befugt oder unbefugt) ein (Herrschafts)gebiet betreten, in einem Raum, Gebiet umhergehen, -ziehen‹; teils bildlich; speziell rechtssprachlich: ›Waren, Vieh durch ein Gebiet führen‹;
vgl.  15,  1610.
Syntagmen:
j. hier, hin und wieder, von einem tor zum andern d
. (absolut);
etw
. (z. B.
den himmel / Jordan, die helle / welt, das kloster, die adern / zimmer, die wege des meres
)
d
.;
jm. mit durchgehen
(subst.)
schaden geschehen
;
durchgehendes kaufmansgut, durchgehende personen
.
Wortbildungen
durchgängig
1 ›begehbar, passierbar‹ (dazu bdv.: , Adj., 1).

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
2. Mose 32, 27
(
Wittenb.
1545
):
Gürte ein jglicher sein Schwert auff seine Lenden / vnd durchgehet hin vnd wider / von einem thor zum andern im Lager.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
der stat lude [...] deden graven ind stechen, dat die bach clein ind durchgengich wart.
Loersch, Weist. Boppard (
mosfrk.
,
1637
):
ob ihm [höfer] in seinen lehn von uns guteren ein schad mit verrucken, durchgehen oder sonst geschehe.
Eggers, Psalter
13, 7
(
thür.
,
1378
):
Di vogele des hemils, dy vische des meres, di da durch gent dy wege des meres.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
Wie nun die lerer dürchgingen des himels flür, | Fünden sie doch des gleichen ny.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
797
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Do muͦsten sÿ mitt sitten | Durch den Jordan enmitten | Mitt allem irem her durch gaͮn.
Rennefahrt, Gebiet Bern (
halem.
,
1534
):
darvon gibt man denn dem gleitzman das gleit, wie von anderm durchgaͤndem koufmannsguͦt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ein klein Gaͤßlin das nit durchgengig ist. Angiportus.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
der lauter [wein] wirt schier gekocht in dem magen und durchgêt die âdern.
Bauer, Imitatio Haller
49, 4
(
tir.
,
1466
):
Das lauter hercz das durch get den himel vnd die hell.
ders. Hl. Schrifft.
2. Könige 4, 9
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
45, 33
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Vgl. ferner s. v.
2
(Adj.) 1,  6.
2.
›etw. (geistig) durchlaufen, absolvieren‹; auch: ›etw. in betrachtender Weise nachvollziehen, geistig verfolgen‹; speziell: ›etw. (flüchtig) durchlesen‹; als Ütr. bzw. bildlich anschließbar an 1.
Gehäuft Texte der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
 1,  4; vgl.  89.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
das leben / leiden des herren, alle creaturen / tugenden, x wonungen
)
d
.;
etw
. [wie] (z. B.
leichtlich
)
d
.;
das durchgehen
(subst.)
der menschheit
;
das durchgegangene holzgericht
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dû solt alle tugende durchgân und übergân und solt aleine die tugent nemen in dem grunde.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
[Entwúrt der Ewigen Wisheit:] So man ane daz durchgan miner menscheit ie hoͤher uf klimmet, so man ie tieffer vellet.
Maaler (
Zürich
1561
):
Ich wirds leychtlich Durchgon / od’ durch faren / Ich wirds in einem fürgang maͤlden.
Banz, Prosadisput
29
;
Lauchert, Merswin ;
Rieder, St. Georg. Pred. ;
Schmidt, Rud. v. Biberach
3, 20
;
Rwb  f.; .
Vgl. ferner s. v.
1
 2.
3.
›etw. ganz und gar durchdringen, erfüllen, vermischen; auf etw. einwirken‹; mit dem Moment der Gewaltsamkeit und Plötzlichkeit auch: ›in etw. eindringen; etw. durchstoßen, durchzucken‹;
vgl.  214,  6.
Überwiegend Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, häufig der Mystik.
Syntagmen:
etw
. (Subj., z. B.
der frost, js. leib, die erbsünde / feuchte, js. schöne, eine goldene kette, ein schwert / wesen
)
jn. / etw. d., got etw
. (z. B.
die sele
)
d., etw
. (Subj.)
etw
. (z. B.
die menschheit, die oren, die niedersten kräfte
)
d
.;
durchgangen mit etw
. (z. B.
mit dem götlichen wesen, mit der klarheit der sonne
).

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
es sind yhe wenig die es recht gleuben, die andern sind der historien sonst also gewohnet und durchgangen wie ein alt hause des rauchs.
Ebd. (
1532
):
[Gott] wircket dadurch teglich jnn uns, das es durch gehet als ein sawrteig.
Strauch, Par. anime int.
45, 37
(
thür.
,
14. Jh.
):
sal di sele Got bekennen, so muiz he sich in si nêgin [...] und si durchgêin.
Gille u. a., M. Beheim
162, 335
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die schon der fraun Hester | kung Aswerum also durch ging | [...] | das er [...] | viel in der mynne strike.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
er wurt also ein mit der suͤssekeit der gotheit daz sin wesen also mit dem goͤttelichen wesen durchgangen wurt.
Schmidt, Rud. v. Biberach
124, 8
(
whalem.
,
1345
/
60
):
Daz spitzze geruͦwet niemer, vntzvnt daz es in tringt vnd dúr gat.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
[kölkraut] hât grôzeu praiteu pleter, diu werdent rôt, wenn si der frost durchgêt.
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Vrow Scham dez suezzen tawez tror | Straufte snelle von dem gras | In ein tuech [...] | Pis ez die fauchte durich gie.
Klein, Oswald
33, 27
(
oobd.
,
1417
/
8
):
Dein zarter leib mein herz durchgeet.
Ebd.
44, 30
(
1426
):
noch aines tüt mich pangen, | das mir der klainen kindlin schal | mein oren dick bedrangen, | hand durchgangen.
Quint, Eckharts Trakt. ;
Strauch, a. a. O.
118, 15
;
Eichler, Ruusbr. steen
711
;
Vgl. ferner s. v.  5,  2,  1.
4.
›sich / etw. durch eine Öffnung hindurch bewegen; durch eine Öffnung, über ein Hindernis, eine Schwelle schreiten, fließen‹; speziell: ›durch etw. (ein Sieb, ein Seihtuch o. Ä.) gehen, sickern‹;
vgl.  24,  1.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Schmitt, Ordo rerum
702, 16
(
rib.
mit
nd.
Einschlägen,
2. Dr. 15. Jh.
):
Laxare dorch vertigen [...] dorgande machen.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt. (
osächs.
,
1343
):
lîchter ist eime kamêle durch zuͦ gêne durch einer nâlden loch, wan daz der rîche in gê in daz rîche der himele.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1584
):
Der hellen schloß bist durchgangen, | Daraus erloͤst dein gefangen.
Maaler (
Zürich
1561
):
bauchfluß / [...] da die speyß also vnuertouwet durchgadt.
5.
›sich ohne Unterbrechung räumlich oder zeitlich über etw. erstrecken‹; auch: ›an etw. heranreichen‹; ›ineinander übergehen‹; zum rechtssprachlichen Gebrauch vgl. ;
vgl.  5,  11.
Bedeutungsverwandte:
 320; vgl.  5; zum part. Adj. :  1234, (Adj.) 135,
2
(Adj.) 12,
1
(Adj.) 12, (Adj.) 1, 4, ; vgl.  1, .
Syntagmen:
etw
. (Subj., z. B.
die adern
)
etw. d
.;
etw
. (Subj., z. B.
ein bau
)
nach der zwerch d
.;
ein durchgehender ast / darm / friede / kauf / wechsel, die durchgehende elle / erbgerechtigkeit / linie / regel / umfrage, das durchgehende kissen / mark / teil, durchgehende schiffe
.

Belegblock:

Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
das [...] das durch gonde marck den rücken herab verwunt würt.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 254, 29
(
halem.
,
1489
/
90
):
1 kölsch bet, [...], 1 durchgend küssy, 2 grossy und 3 kleiny küssy.
Maaler (
Zürich
1561
):
Durchgende schiff / daruß einer in das ander kommen mag. [...]. Durchgend / Das überhin reicht. [...]. Ein gerade Durchgeende / glechteylende linien.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
119, 5
(
mslow. inseldt.
,
1523
):
von wegen eines Waśśergrabn, der Zwiśchen ihrem Wein gartn durchgehet.
Vgl. ferner s. v.  2,  16,  3.
6.
›schnell davonstürmen, entlaufen, durchgehen‹ (von Reit- und Zugtieren gesagt);
vgl.  14,  1.
Bedeutungsverwandte:
, ,  1, .

Belegblock:

Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var. (
Straßb.
1466
):
das maul
[›Maultier‹]
auff der er saß das vbergieng
[Var. 1475
2
-1518:
durchgieng
;
Froschauer
1530 /
Dietenberger
1534:
lief hinweg
;
Eck
1537:
gieng [...] hin
;
Luther
1545, 2. Sam. 18, 9:
lieff vnter jm weg
].
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1625
):
wëlcher springete roß hat oder durchgeents vich, das soll er seinen nachparn ân schaden halten.