dum,
Adj.
1.
vom Menschen sowie seinen Eigenschaften und Handlungen gesagt, die der normalerweise zu erwartenden kognitiven Einsichtsfähigkeit, den vorauszusetzenden Charakterqualitäten und Handlungen e. P. nicht entsprechen oder die ihr zum Zwecke ihrer Erniedrigung bewusst abgesprochen werden; im Einzelnen: ›dumm, unklug, schwachsinnig, unwissend‹ (auf kognitive Fähigkeiten e. P. bezogen, oft aus der Sicht eines anderen); ›töricht, unsinnig‹ (von Charaktereigenschaften und Handlungen); ›religös verstockt‹ (unter religiösen Aspekten); ›unempfindlich gegen Gut und Böse‹ (vom
fleisch
gesagt); ›unvernünftig‹ (vom Vieh).
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte.
Phraseme:
gegen jn. dum sein
›in jn. vernarrt sein‹.
Gegensätze:
, .
Syntagmen:
j. d., dummen sinnes sein, etw
. (z. B.
reichtum
)
d. sein
;
j. jn. / ein tier d. dünken, jn. d. machen
;
jn. d. anrufen
;
der dumme amptman / eselskopf / goch / mensch / mut / rum / sin / tor / werkman, die dumme jugend / künheit / zunge, das dumme brüderlein / fleisch / leben / vieh, die dummen lämmer / toren / weiber
; als Doppelformel auch:
dum und töricht
.
Wortbildungen:
dumerian
›Dummkopf‹,
dumhirnig
,
dümme
›Dummheit‹ (dazu bdv.:  5, , ),
dummelich
(a. 1616),
dummeling
›törichter, einfältiger Mensch‹,
dummen
›dumm machen, verdummen‹,
dumsinnig
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
doue luͦte, de so tuͦmp sin gewest, daz in ire vruͦnt ire guͦt an gewinnen hant vor gerichte.
Schöpper (
Dortm.
1550
):
Intellectus obtusus. Vnuerstand grobheit hartsinnigkeit duͤmme.
Ebd. :
Obtusus ingenio. Vngelert vnkuͤndig vnkuͤnnend kunstloß ¶ vnuerstendig grob härtsinnig dumhirnig stoͤlpisch dumm stumpff grobkoͤpffig.
Luther, WA (
1521
/
2
):
Wilcher mensch ist ßo thom, das er nit sehe, wie diße wort tzu allen ynn gemeyn geredt werden?
Ebd. (
1544
):
die Christen muͤssen sich tragen und schleppen mit dem thummen, tollen Fleisch, so nichts verstehet, was jm gut oder boͤse ist.
Ebd. (
1533
):
umb jres [Papisten] thummen sinnes odder Teuffels lestern willen muͤssen wir unser warheit nicht schweigen.
Ders., WA Bibel (
1534
):
die jenigen welche [...] vmb vnzucht willen weiber nemen, wie das tumme vieh.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
trunkenheit di tummet den wisen.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ist aber, daz der guote sâme hât einen tumben und einen bœsen werkman, sô wehset unkrût.
Chron. Köln (
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Jr alle die mich horen myt oren, | geloust myr armen dummen doren.
Sievers, Oxf. Benedictinerr. (
hess.
,
14. Jh.
):
der wyn machet dumb die wisen.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Weils aber ist so wunder grob, | Thumsinnig, auch noch jung von Jarn.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Daz sint dy tummelinge gach, | Dy tummen siten volgen nach.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
8, 15
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Es ist tumm, der die tötlichen beweinet.
Schönbach, Adt. Pred. (
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
die wishait sol rŭwen in des wisen menschen munde, sunder der tumme der sal sie verslinden.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
113, 13
(
nürnb.
,
1446
):
Tummer synn ist der mensch.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
das es der mensche nút entuͦ von einer tumber kuͦnheit oder von einer blinder vermessenheit.
Chron. Strassb. (
els.
,
1362
):
sint so gar vol dumbes sinnes und sint one witze.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
Wann funff von in warn tump
[
Froschauer
1530:
torechtig
;
Luther
1545, Mt. 25, 2:
töricht
]
: vnd
.
v
.
witzig. Die
.
v
.
tumen namen die glasuas.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 541, 19
(
Hagenau
1534
):
Wer vatter und mutter lere nit folget / der hatt eynen dummen muͦt.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
der waͤri an tumber man der sinen samen wurfi uff ain ungebuwen ertrich.
Sappler, H. Kaufringer
20, 30
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
also macht er [tummer man] das krumm schlecht | und das schlecht muoß werden krumb | mit seiner zungen valsch und tumb.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Dum / dumer / etwas vnuerstendig / insipiens
[...].
Es ist ein rechter dumerian / ein rechte ziffer / numerus, homo nullius precij.
Klein, Oswald
11, 119
(
oobd.
,
um 1423
):
mich hat geplennt mein tummer sin.
Ebd.
18, 50
(
1431
/
2
):
Mein tummes leben wolt ich verkeren, das ist war, | und wart ain halber beghart.
Reissenberger, Väterb. ;
Jungbluth, a. a. O.
9, 20
;
Goedeke u. a., Liederb. ;
Menge, Laufenb. Reg.
2310
;
Bihlmeyer, Seuse ;
Rieder, a. a. O. ; ;
Päpke, Marienl. Wernher ; ; ;
Sappler, a. a. O.
20, 11
;
Klein, a. a. O.
8, 29
;
Dietz, Wb. Luther ;
Vgl. ferner s. v.  4,  1, ,  2, (Adj.) 14, , .
2.
›wild, toll, unbesonnen‹.
Bedeutungsverwandte:
, , , , , ; vgl. , (Adj.),
1
(Adj.) 2, ,  1.

Belegblock:

Henschel u. a., Heidin
1130
(
nobd.
,
um 1300
):
E denne er so groze not | Lide dvrch eines keiserS wip | Er waget tvmplich sinen lip.
Goedeke u. a., Liederb. (
Nürnb.
1534
/
7
):
verschwunden ist alles mein klagen, | wann sie ist wol behut | vor manchem tummen mut.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Dum͂ werden / vihisch / wild / vnuerstens.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Wild
214, 54
(
Augsb.
1566
):
Sol ich aber sein tumm und wütig, | so mag ich minder ru haben.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Si warfen künig Pipin in Gasconien, der ain unrûiger tummer unbesunner herr was, wider seinen aigen vater, kaiser Ludwig, auf.
3.
im Phrasem
dummes salz
›ohne bzw. mit wenig Geschmack, geschmacklos, fade‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1532
):
Wo nu das saltz thum wird, womit sol man saltzen?
Thum saltz heist das die zeene und scherffe verloren hat und nicht mehr wuͤrtzet noch beisset.
Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk.
42, 6
(
obd.
, Hs.
n. 1570
):
yr seindt das licht der wellt / die euch gevolgt haben / die seindt jm licht gewandlet / vnnd mit domben saltz gesaltzen.
Schade, Sat. u. Pasqu. ;
4.
›taub, gehörlos, schwerhörig‹; auch ›stumm‹.
Bedeutungsverwandte:
,  1, ; vgl. , .
Wortbildungen:
dumheit
3 (a. 1677),
dumlächt
›schwerhörig‹.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Surdus. Daub dumm hoͤrloß vngehoͤrend.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
629
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Nu bist doch blind und krumm, | Wie bistu noch so gar tumm!
Ebd.
1163
:
O lieber herr, wie lit es hierumb, | Das du genn mir bist so tumb [...]?
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Blinde machest du gesechen, | Lammen wol gerechten | Und och stummen sprechen, | Gehoͤren wol die tumben.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
do der blind alt Claudius zuͦ siner blintheit ê wolt ouch tum sin.
Rennefahrt, Zivilr. Bern (
halem.
,
1615
):
presthaffte personen als sinnlose, stumme, tumme.
Maaler (
Zürich
1561
):
Dum͂laͤcht / Vbel hoͤrend.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Dum / stum.