distel,
die / der
;
-s
(für
der
)
/-n, -Ø
.
›Distel; stachliges, krautiges Gewächs, Wildpflanze‹; im Einzelnen: Bezeichnung für verschiedene Distelarten (z. B. die Mariendistel) und distelähnliche Pflanzen (z. B. Karden) mit teils positiver Bewertung / Bedeutung als Heilpflanze oder für die Tuchherstellung, jedoch öfter negativ konnotiert (dann: ›Unkraut; unnütze, unedle Pflanze‹); häufig verbunden mit alliterierendem
dorn
, dann meist metaphorisch für Gegebenheiten unterschiedlicher Art, die von Menschen negativ bewertet werden, wie Unfruchtbarkeit oder Verwilderung (z. B. des Bodens, des menschlichen Herzens); mehrfach auch für menschliche Mühsal, Ärger sowie moralische Defizite wie Unkeuschheit, Sündhaftigkeit, böse Gedanken gebraucht; häufig allgemein auf das Böse verweisend; zur sprichwörtlichen Verwendung siehe
Tpma
2, 266-268
.
Zur Sache: f. und zu den verschiedenen Formen der Distel
Marzell
5, 86
.
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch medizinische und pharmazeutische Fachtexte.
Bedeutungsverwandte:
vgl. , , ,  6, ; häufig im Orientierungsfeld mit anderen (stachligen) Pflanzen wie , ,  2, , ,  3, ,
2
,  1, , , , ; vgl.  1.
Gegensätze:
 1,  1.
Syntagmen:
disteln aushacken / aushauen / ausrecken / (aus)reuten / eintragen / ernten / essen / sieden, mit feuer verbrennen, unversert bleiben lassen, nicht mit händen fassen können, jm
. (z. B.
dem könig der Juden
)
dornen und disteln aufladen
(jeweils vom Menschen gesagt)
, disteln ausreuten, haben wollen, jm. disteln und dornen fluchen
(jeweils von Gott gesagt),
die beichte disteln ausreuten, die lilie eine d. übertreffen, der acker disteln gebären, jm. dorn und d. tragen
;
die materie als eine d. gegen etw. gleichen
;
die d
. (Subj.)
krachen
(beim Verbrennen),
über etw. aufsteigen, auf einem stengel stehen, disteln stechen, etw
. (z. B.
einen weingarten
)
verderben, keine feigen bringen
(sprichwörtlich),
auf etw
. (z. B.
auf einem weinberg
)
wachsen
;
einer d. etw
. (z. B.
js. gerechtigkeit
)
ansehen
;
aus disteln etw
. (z. B.
karten
)
machen, etw
. (z. B.
böse gedanken
)
in disteln ausgelegt sein, j. von disteln etw
. (z. B.
feigen
)
nemen
›ernten‹,
etw
. (z. B.
ein stiegliz
)
sich von disteln nären
;
die brennende / grosse / kleine / raue / rote d
.;
die frucht / natur / wurzel, das kraut der d
.
Wortbildungen:
distelbaum
,
distelblat
,
distelblume
,
distelblust
›Blütenstand der Distel oder distelähnlicher Pflanzen bzw. deren reifer, in flockenartige Wolle oder kurze Härchen (Pappus) gebetteter Samen‹ (zum Gw vgl.  2),
distelfink
(dazu bdv.: , ),
distelfressen
,
distelkraut
,
distelstrauch
,
distelwachs
.

Belegblock:

Luther, WA (
1519
):
Sich, das seyn dye frucht der dyestel und dornen, Das seyn dye rachenn der wolffe under den schaffs kleydern.
Ebd. (
1528
):
[die thiere] versahen sich nicht viel ritterlichs kampffs zu yhrem newen koͤnige
[
dem Esel
]
, Es wolte denn fartzens gelten odder distel fressens.
Ebd. (
1544
):
Niemand ist unter euch so toͤricht, wenn er auff dem feld einen dorn oder distel strauch sihet, das er hinzu gehe und suche, ob er wein drauben oder feigen dran finde.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe (
Wolfenb.
1593
):
Disteln vnd Dorn stechen sehr, | Lügenhafftige Zungen aber viel mehr.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
308, 1482
(
Magdeb.
1608
):
[Wer] Niemand dient / sich nur dienen lest / | [...] | Als distln vnd Dorn so jeden sticht / | [...] | Jst durchaus keiner ehren werth.
Schmitt, Ordo rerum
314, 8
(
rib.
mit
nd.
[
westf.
?] Einschlägen,
2. Dr. 15. Jh.
):
[Carduellus] stegelicz [...] distelvinke stegelicze distelvinke [...] tistelfogel.
Kopp, Volks- u. Gesellschaftsl. (Hs. ˹
pfälz.
,
M. 16. Jh.
˺):
Der sich uff einem distel baum setzt | und sich uff junge khnaben verlest, | der lest sich blinden leiden.
J. W. von Cube. Hortus
101, 10
(
Mainz
1485
):
Ite͂ disteln als ich gesaget han daz der ist eyn teyl lynde vnd eyn teyl stechen.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
vervluchet sy ir [der unkuschen swine] heil | [...] | Bremen, dysteln, di dirre sucht | Verterbe ire wingarten.
Feudel, Evangelistar
112, 16
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
Ir sult sy [valsche propheten] irkennen by eren werken. nemyn sy icht wyntrubelyn von den dornen adir von den distelyn vygen?
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
17, 7/9
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
Recht mechtig blumen reutet sie
[die Sense des Todes]
aus, die distel leßet sie steen; unkraut beleibt, die guten kreuter müßen alle verderben. [...]. Wie ist dem, das sie dann mer disteln dann guter blumen und mer böser leut dann guter unversert leßt beleiben?
Neumann, Rothe. Keuschh.
3200
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
glich alss ein acker ungeeret | distilen unnd dorne geberet | [...] | also ist ess auch umme di lute | di da stetlich mussig gehen: | in bosen gedancken si allezyd sten | unnd vol suntlicher begerlickeid, | di in distiln unnd dorn sin uss geleid.
Anderson u. a., Flugschrr.
19, 12, 5
([
Eilenb.
]
1524
):
wie dir Got selbern dein vnkraut / disteln / vñ dorner / aus deinem fruchtbaren lande / das ist aus deinem hertze͂ / reutet.
Asmussen, Buch d. 7 Grade
392
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
di disteln und die karten, | krotenplumen und neßelkraut, | als si deu piht hat auzgeraut.
Keil, Peter v. Ulm
123
(
nobd.
,
1453
/
4
):
Nym die wurtz von den roten dysteln, gestoßen vnd mit wein getrunken: daz hilft wol.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
gedenkent an die schoͤnen roten rosen, [...] die vor kurtzen ziten eins tistels natur hatten.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
dar gegene dise materie glichet alse eine grobe ruhe tistele gegen allen den edeln liligen und rosen, die ie gewuͦhsent
(Demutsformel).
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Pappus, [...] Distel bluͦst / od’ woll die ab den distlen / vnnd baumen fallet.
Tribulus, [...] Distel kraut mit dreyspitze͂
(wohl: ›Erd-Burzeldorn, Tribulus terrestris L.‹, dessen Früchte [meist drei] charakteristische stachelige Dornen ausprägen).
Goldammer, Paracelsus
4, 250, 9
(
1530
):
wie ein gilgen auf dem felt, die allen distel und dorn übertrifft.
Ebd.
2, 135, 17
(
1530
/
35
):
also reutet der hausvater alles aus [...]. also wird ihm gott auch tun zu seiner zeit, damit das aglat, distel, kletten, erbselen hinweg komen.
Sudhoff, Paracelsus (
1537
/
41
):
dieweil die elementen müter sind physici corporis, [...], und von inen guts und bös wechst, [...], das solchs auch im menschen dergleichen ausbricht, in dem auch ist dieselbig kraft der distel und gilgen.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
208r, 29
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Fv́r die wasser suht [...]. Vnd súd v́nser froͮwen tistel / vnd isse den.
Lemmer, Brant. Narrensch.
57, 63
(
Basel
1494
):
Er [gott] hett wol nuͦt dann rosen gmacht | Aber er wolt ouch dystlen han | Do man syn gerechtikeyt saͤh an.
Rohland, Schäden
387
(
nalem.
/
schwäb.
,
1400
/
33
):
nim ... der distel bluͦmen, den man spricht goidelin vnd git sü den disteln zwigen zu essen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
ain stiglitz. [...] der nert sich von den disteln
(hier: ›Distelsame‹, Metonymie).
Spechtler, Mönch v. Salzb.
20, 10
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
in paider oren | fluecht in got immer mer,
|
Adamen distel, doren | und Even kindes we.
Schmitt, Ordo rerum
389, 16
(
oobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Endiuia [...] Tribulus [...] endiuikraut [...] distelwasß [...] endiuen vnser frauen distel.
Deinhardt, Ross Artzney
12
(
oobd.
,
1598
):
nimb der grossen düsstelbletter, daraus man kherten macht zu den tüechern, die mach zu pulfer.
Anderson u. a., a. a. O.
13, 6, 8
;
19, 5, 5
;
Keil, a. a. O.
59
;
365
;
Engel, Rats-Chron. Würzb.
148, 19
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Lemmer, a. a. O.
54, 26
;
Dietz, Wb. Luther ;
Schwäb. Wb.
231-232
.
Vgl. ferner s. v. (Adj.) 11,  1,  1,  4, .