dirne,
die
;
-Ø, -n/-n
.
– Zur Lautung von 'Tochter / Dirne' in den rezenten deutschen Mundarten s.
regionalsprache.de, s. v.
.
1.
›unverheiratete weibliche Person; Mädchen, junge Frau‹; gebraucht für weibliche Personen vom frühesten Kindesalter bis etwa zum heiratsfähigen Alter.
Bedeutungsverwandte:
,  123,  2, , ; vgl.  12.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
eine d. begeren / ehelichen / schwängern / sehen, zur ehe nemen
;
eine d
. (Subj.)
aufkindelbetten
›im Wochenbett liegen‹
/ grässen
›junges Nadelholz abholzen‹ /
niederliegen, etw
. (z. B.
die messe
)
hören
, [wo] (z. B.
in einer wildnis
)
wonen, sich anstreichen / schmieren, sich vor etw
. (z. B.
dem heimlichen beschlafen
)
hüten, an den tanz gehen, in js. herz sein, mit zauberei umgehen, dirnen (sich) miteinander raufen / schlagen / wachen / zerkriegen, mit worten schänden
;
einer d. an etw. gelegen sein
;
j. hinter eine d. kommen, mit einer d. haus halten
;
eine d. im dorf
;
eine angefochtene / faule / junge / königliche / ledige / liebe / liebliche / reine / schöne / senliche / stolze / verlassene d
.;
zuversicht zu einer d
.
Wortbildungen:
dirnenschänder
.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
Auff das damit auch die dirnen und weibs personen hinfurt sich huͤeten fur dem heimlichen beschlaffen.
Zum andern war ym volck Mosi einer dirnen nicht gros daran gelegen, ob sie beschlaffen ward, sonderlich ynn hoffnung der kuͤnfftigen Ehe.
die heimlichen beschleffer und dirnen schender.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
99, 29
(
thür.
,
1474
):
Hat eyner, genant Nigkel Wustener, vor geczyten eyne derne, genant Barbara, zcur ee genomen.
Skála, Egerer Urgichtenb.
106, 1
(
nwböhm.
,
1573
):
Ja Die dirn hab Er geschwengert Marggreth genant hab sie wollen Elichen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
vier kinder, [...], und sind gewesen zwai puͤblein und zwai dirnlein.
Sachs (
Nürnb.
1545
):
Derhalb die köngkliche dieren | Wondt inn einer grossen wildnus.
Thiele, Minner. II,
18, 15
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
Ich hett ainß mälß ain zuͦversicht | zuͦ ainer schönen dirnen.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
n. 1437
):
das ettlich priester mit jungen verlassnen dirnen vnd wiben hus haltent vnd offenlich by denen in suͥntlichem leben sitzent.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Ain stoltzes diernlin raine, | Der ich allda versprach | Mein dienst mit stätten triüen.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 230, 39
(
schwäb.
,
um 1495
):
Verrer werden wir bericht, wie daz das jung und ledig volck [...], gesellen und diernen, auf die heyligen Ostern nacht [...] mitainander wachen.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
der [ain handtwerksman] ist etliche jar darvor hinder ein dürnen im dorf kommen, wie manichem gueten gesellen mer beschücht.
Müller, Stadtr. Ravensb.
82, 12
(
oschwäb.
,
1326
/
30
):
es ensol ouch kain dirne noch kain juncfroͧwe, es ensi denne ains erbaren mannes thotter, duͥ manbaer si, vor den êfroͧwen an dekainen tanze gan.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
M. 15. Jh.
):
Ob sich weiber oder diernen mit einander zekriegeten, sliegen oder raufeten.
Ebd. (
16. Jh.
):
wan etwo ein dierndl oder knab in ainem weingartn wolt grassen und darob begriefen wurde, so ist das wandl 12 ₰.
Wackernell, H. v. Montfort (
soobd.
,
A. 15. Jh.
):
Gott gruezz din lieben ôgen, | dîn mund und och din hirn! | ich stân sîn âne lôgen: | du bist in minem hertzen ein senlich liebi dirn.
Thiele, a. a. O.
72
;
Gehring, a. a. O.
231, 30
;
Welti, a. a. O. ;
Klein, Oswald
46, 6
;
Winter, a. a. O. ; ;
Schmitt, Ordo rerum
73, 18
.
Vgl. ferner s. v.  7,  2, .
2.
›(gegen Entgelt) Dienste leistende weibliche Person, Magd, Dienstbotin; Dienerin, Untergebene‹; speziell auch bezogen auf die Jungfrau Maria als ›Dienerin Gottes‹ (in Anlehnung an Marias Selbstbezeichnung in Lk. 1, 38), dann meist im Phrasem.
Phraseme:
dirne gottes
;
dirne unseres herren
;
dirne der heiligen dreifalt / dreifaltigkeit
.
Bedeutungsverwandte:
 2, , , , , ,  3.
Gegensätze:
,  1.
Syntagmen:
eine d. ausbringen / aussenden / beliegen / freilassen / nemen / haben / schlagen / senden / vertreiben,
[wohin] (z. B.
in das frauenhaus
)
füren, mit sich nemen, jm. abdingen / abfreien / abweisen / entfremden / zulegen, abtrünnig machen, zu morgengabe geben
;
eine d
. (Subj.)
(jm.) dienen / gearbeiten, von jm
. (z. B.
von der meisterschaft
)
gehen, sich zu jm. verdingen
;
j. js. d. sein
;
einer d. ein auge ausbrechen
;
etw
. (z. B.
das geheis
)
von einer d. geschehen
;
des mannes / weibes d
.;
eine christene / eigene
›leibeigene‹
/ gedingte / treue d., x dirnen
;
demut einer d
.
Wortbildungen:
dirnenweise
,
dirnkamer
.

Belegblock:

Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
mach her [man von ritterlicher ard] [...] zuͦ morgengauͦe geuen eynen knecht vnde eyne dernen.
Joden ne suͦlen nene kerstene knechte haben noch cristene dıͤrnen noch ammen.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
sîn alde bôsheit dranc | in zu sulchir virne, | daz er eine dirne, | dî bin der sûch im dînen pflac, | unkûschlich mit gewalt belac.
Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Got hat uz sim gestirne | Di demut siner dirne | An gesehn mit ougen brehn.
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
Wer synen eygenen knechten adir syner eygenen dirnen eyn ouge vs bricht adir slet. der sal sy vry lassen.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Do sie die dinc bevolen | Hatte sust durch ir gemach, | Diz geheiz vil gar geschach | Rischlich von iren dirnen.
Gille u. a., M. Beheim
31, 42
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Sy
[Maria]
sprach: ,ich pin | gotes dirnlin. | nach deinen worten | Pescheh mir hie.‘
Ebd.
240, 105
:
Dienst leüt, ret, söldner, dirnen, kneht | auch dienen all getreulich reht.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Ein diren der heilgen hoen drifaltikeyt, | Ein tochter Gotes vater zart.
Ein dirn der heiligenn trivalt, | Schrein der gotheit.
Sachs (
Nürnb.
1515
):
Mit ihr nam sie ihr trewe dieren, | Die all ir haymligkeyt wol west.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
ir niemer | Söllen dar an zwiffel han, | In wellt üch billich under tan | Wessen gar in dirnnen wise.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
ich bin únsers herren dirne, nach dim worte geschehe mir.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Von Gottes dirnen, siner magt | Marien, si dir hail gesagt!
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
die studenten zuͦ Ertfurt hetten die pfaffenheuser geplündert [...] und ainem pfaffen sein diernen in das frauenhaus gefiert.
Rot
311
(
Augsb.
1571
):
Famula, Diern / dienerin / haußmagd.
Langmantel, Schiltb. Reiseb. (
oobd.
,
n. 1427
):
Es ist ain Got und Messias sein knecht und Maria sein dyern.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
12, 38
(
moobd.
,
1305
):
Ob aber iemen sinen chnecht oder sein dierne an waffen slecht, daz er bluette.
Auer, Stadtr. München (
moobd.
,
1343
):
daz sich ain knecht oder ain diern verdingt hat zuo ainem man oder zuo ainer fraun.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1383
):
sullen auch die frawen selber nicht mer laden und sullen newr ir dieren und dienerinn senden.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
um 1400
, Hs.
15. Jh.
):
ob ainer dem andern sein diern oder sein kchnecht enphrömbt, der ist zu wandel 72 ₰.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
504
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
daz damit beweiset wurd daz si
[Eva]
des mannes weder frawe noch dirn scholt sein sunder ain liebe gesellin, darumbe was si weder von dem haubt noch von den fuessen sunder von der ripp czu machen.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Sara, die hausfrau Abrahams [...] legt [...] irem hauswirt ir dirn, mit namen Agar, zue.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
15.
/
16. Jh.
):
das niemant ainer dem andern weder knecht noch diern im iardienst [...] sol ab dingen.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1483
):
ii petstat in der diernkamer.
Strehlke, a. a. O. ;
Neumann, Rothe. Keuschh.
615
;
Lauchert, Merswin ;
Rieder, a. a. O. ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
14, 40
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. ;
Dirr, a. a. O. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
109, 43
;
Vgl. ferner s. v.  2,  4,  6,  10,
2
 1.
3.
›weibliche Person, der ein lasterhafter, insbesondere sexuell ausschweifender Lebenswandel zugeschrieben wird‹; das Verwendungsspektrum umfasst Nuancen von ›Konkubine, Geliebte‹ bis hin zu ›Prostituierte, Hure‹, die im Einzelnen oft nicht genau abgrenzbar sind.
Phraseme:
eine gute dirne
.
Gegensätze:
.
Syntagmen:
eine d. strafen,
[wohin] (z. B.
in die ratsstube
)
füren, etw
. (z. B.
sich zieren
)
heissen
;
eine d
. (Subj.)
jm. fürgehen
;
bei einer d. schlafen
; ˹
eine freie / gemeine / offene d
.˺ (mit Tendenz zum Phrasem),
eine arme / fremde / umschweifende / unflätige / vagierende d
.;
eine d. aus dem frauenhaus, eine d. mit aller schöne beladen
;
seines vaters d
.
Wortbildungen
dirnisch
(dazu bdv.: ).

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Scortum. Hur Metz dirn bule freundin amey.
Luther. Hl. Schrifft.
Am. 2, 7
(
Wittenb.
1545
):
Es schlefft Son vnd Vater bey einer Dirnen / damit sie meinen heiligen Namen entheiligen.
Thür. Chron.
16r, 29
(
Mühlh.
1599
):
seine [Dietterich von Bern] Mutter [...] war seines Vaters Dirne / vnnd nicht sein Ehlich Weib.
Schultheiss, Achtb. Nürnb.
173, 29
(
nobd.
,
1399
?):
bey demselben [Tanz auf dem Rathaus] haben Niclas N. [...] und Hensel N. [...] ein gemaine Dirn in die Ratsstuben geführt und daselbst mit ihr sündlich zugehalten.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
Ein offne dirn mit aller schon beladen | Hieß er sich zir und paden.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
68
(
Nürnb.
1517
):
wie gar billich die offnen sünder und gemeinen dirn uns furgeen in das reich der himel.
Dasypodius (
Straßb.
1536
):
Dürnisch / huͤrisch. Meretricius.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern (
halem.
,
1634
/
67
):
Offene und umbschweiffende tirnen. Wann weibs-personen, die deß gemeinen unkeuschen wesen beruͤchtiget sind, ergriffen werden [...].
Ebd. :
Froͤmbde vagierende tirnen sollen [...] mit gefangenschafft gestrafft [...] werden.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
der Wolgemuͦt was in ainem haus bey ainer guͦtten dieren.
Ebd. (
1523
/
7
):
da hatt sich ain guͦtte diernen beriembt, man hab sie in demselben sessel in des Lamenitlin haus gepletzt.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
begab sich, das die erst nacht die guet diern bei junkern an bett lag.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Harmodius und Aristogiton [...] hetten ein guet dirn [...], war ir puelschaft.