bekleiben,
V., unr. abl.;
zu
mhd.
(-)klîben
›kleben‹
().
– Auffallend häufig in Verstexten.
1.
›Wurzel schlagen, keimen, zu wachsen, gedeihen beginnen, anwachsen‹ (von Pflanzen o. ä., ütr. z. B. von
liebe
gesagt); vereinzelt trans., dann: ›etw. auf jn. gründen (z. B. einen Stamm von Nachkommen)‹.
Bedeutungsverwandte:
.
Syntagmen:
baum / blume / keim / rebe / same / stam / stok / liebe b
.;
den stam an jm. b
.

Belegblock:

Ziesemer, Proph. Cranc. Jes.
40, 24
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
ja enist werlichen noch gephlanzt noch geseet noch beclyben ir stok in der erden.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Er dachte an im becliben | Den stam siner kunneschaft.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
101, 19
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Und lesset also die stemme noch ein jahr stehen, bekleiben und wohl waxen.
Ebd.
107, 20
:
laß es waxen. Wann es beklieben und ein wenig fortgeschoben ist, so schneide [...] alle este uber dem gepropftem auge ab.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
wie die Reben tragen Wein, | So sie im stock bekleiben.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
schauwe an die blomen alle seben, in wem si sint becleben | der hat sin zit verdrieben uff richer kunsten zauwe.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
das du beschaiden | Mich mit worten solt dann, | Wǎrusz oder von wann | Frawen lieb von erst bekleyb.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Bekleiben / ein wurtzlen / wurtzeln gewinnen [...]. Pflantzen / die offt versetzt werden / bekleiben nicht.
Ermisch u. a., a. a. O.
110, 4
;
136, 22
;
259, 15
;
Qu. Brassó
5, 509, 26
;
Voc. Teut.-Lat.
b vjr
;
l viijr
;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 508
;
2.
›im Mutterleib gedeihen, heranwachsen‹ (vor allem von religiösen Bezugspersonen gesagt).

Belegblock:

Luther, WA (
1539
):
Er [Christus] ist inn der Mariae leyb beklieben, hat sein leyb von ihren reinen blutstropfenn genommen.
Gille u. a., M. Beheim
33, 15
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der heilig geiste | In irem leib | also pecleib | und wart volleiste.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
v. 1496
):
so | Die frucht in muter leibe | Etliche zeit becleibe.
3.
›an einer bestimmten Stelle (räumlich) bleiben; bei etw. (einer Haltung, in einer sozialen Situation) bleiben, verharren, an jm. festhalten, bei jm. bleiben (z. B. bei Gott)‹ (von Personen gesagt).
Verstexte religiösen oder didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
in der furcht / liebe b., in eigenschaft b., in der helle b., an / in / bei / mit jm
. (z. B.
gotte
)
b., in einen dienst b
.

Belegblock:

Thiele, Minner. II,
32, 311
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
der es hi oen alle weder stryt | in mynen dienst vaste becleven.
Froning, Alsf. Passionssp.
7286
(
ohess.
,
1501ff.
):
du must auch yn der helle bliben | und ewiglichen daryn becliben!
Gerhard, Hist. alde e
190
(
omd.
,
um 1340
):
ab er [Cain] lichte blibe | Und bi den lueten beclibe, | Daz er van en icht wurd irslagn.
Neumann, Rothe. Keuschh.
4533
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wer auch in rechter liebe blibet | in gote her werlichen beklibet.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Speis vns mit deim Leib vnd Blut, | Das wir in dir bekleiben.
Pyritz, Minneburg
1722
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Do eygen lut sin angeschriben. | Ich bin in eygenschaft becliben.
v. Groote, Muskatblut (
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
nym die reyne meit zů stur | [...] | so macht mit gode beclyben.
Gille u. a., M. Beheim
290, 167
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
sa must ir dach | bleiben | und pekleiben | pei mir nun hie.
Mayer, Folz. Meisterl. (
nobd.
,
um 1480
):
In Gotez forcht becleibe, | Auff das du dort dein selldi merst!
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
11107
;
Reissenberger, Väterb. ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 508
.
4.
›leben (bleiben), dauernde Existenz haben (von Personen)‹.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged. (
1635
):
Wündschet vnserm lieben Paar; | Wündschet, daß sie nur bekleiben | So lang als die Federn bleiben.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Darumb bekleibt vnd ewig bleibt, | Welchen nichts denn das jr behagt.
Gille u. a., M. Beheim
155, 46
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die selbig lieb, | die dich czwang und czu solchem trib, | das du schuffest, das ich peclib, | die pit ich, daz sy eben | Dich czwing, mich czu entleben.
5.
›bleiben, fortbestehen, Bestand haben‹.

Belegblock:

Chron. Köln (
Köln
1499
):
dede he vil dairzo, dat dat selve roemsche rich an sinen naekomelingen bleve: mer wie dat becleven si, suistu an sime sone Wenzeslaus.
desgelichen quam up an den gerichten [...], dat men dae swair gelt geven moist, ind dat selve is becleven bis up desen hudigen dach.
6.
›sich an jn. dranheften, jn. verfolgen, jm. auf den Fersen bleiben‹.

Belegblock:

Froning, Alsf. Passionssp.
337
(
ohess.
,
1501ff.
):
ich wel die sach vort triben, | abe sie an em wolden becliben, | das sie en brechten um syn leben.
7.
›bei jm. haften, haften-, hängenbleiben, Wurzel schlagen (im ütr. Sinne); jm. dauerhaft zuteil werden; fest in js. Gedächtnis eingehen, Erinnerungsgut werden; an etw. haften‹ (meist von abstrakten, vereinzelt von konkreten Bezugsgrößen gesagt).
Syntagmen:
gnade / gutes / heil / unflätigkeit / unglük, der fluch / name / teufel, das gute / heil / wort, die list / tat b., der glaube, die schrift an jm. b., grus / leid jm. b., das leben (Christi) in jm. b., artikel im herzen b., etw. in den gedanken b., der schild an der seite b
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
und mit cristinlîchen lêren | an cristnengeloubin kêren, | der lutzil doch an in becleib.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2212
(
rib.
,
1444
):
So mochte unvledicheit genoich blyven | An den scherveren ind beclyven.
Thiele, Minner. II,
27, 129
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
de seben bande syn becleben | in myn hertz und also verbleben | das se nůmmer uß enkommen.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
425
(
Köln
1476
):
Der [yoedscafft] vloyck ys dayr becleuen | En hayt doch nyet geschat.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Worin der Teuffel ist beklieben, | Da wirdt er schwerlich außgetrieben.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
siten, dy si han | In der schrift nach in gelan, | Dy vort ist an uns becliben.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 29, 11
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
ich spür des varnden schiffes phat, ob min list beklibet, | der slangen slingen spehe ich ouch, ich spür des vogels vliegen.
Ebd.
44, 10
:
swie die tat beklibet, | ie hoher man, ie witer komt, swaz er dinge tribet.
Ebd.
50, 4
(
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
):
gut, der nam beclibet | dem schatze nicht, wan ob der schaz uf daz gut sich schibet.
Neumann, Rothe. Keuschh.
720
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
wanne man di [gedancken] nicht uss zu hand tribet, | villichticlich etzwas dar ynne beklibet.
Luther, WA (
1527
):
der rechte schůlmeyster [heylige geyst] [...] gibt dem wort krafft, das es bekleybet.
Ebd. (
1544
):
So mus sich auch beweisen, das solch sein [Christi] leben in uns beklieben sey.
Pyritz, Minneburg
1518
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Din mynne ist in myr becliben.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Schaid hin, hail dir bekleib!
Henisch (
Augsb.
1616
):
Das wort Gottes bekleibet bey wenigen [...]. Ein Vatter vnser mit hertzlichen thraͤnen befeuchtet / muß bekleiben. Was nicht bleibt / das nicht bekleibt.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
428, 5
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Sein schilt im an der seitten was becliben.
Helm, H. v. Hesler. Nicod. ;
Matthaei, Minner. I, ; ;
Reissenberger, Väterb. ;
Kehrein, Kath. Gesangb. ; ;
Pyritz, a. a. O.
1343
;
Dietz, Wb. Luther ;
Vgl. ferner s. v.  9.
8.
›schwinden, aufhören‹ (z. B. von der Krankheit).

Belegblock:

Guth, Gr. Alex. (Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Zu stünd so mir becleib | Der siechtag und ich gnÿß, | Ich pring ym vil gewyß | Zehen legyon.