begnaden,
V.
1.
›jm. gnädig sein, jm. mit Gnade, Huld begegnen (meist von Gott, auch von weltlichen Herrschaftsträgern sowie Maria, der Mutter Gottes, und von der Frau gesagt)‹; offen zu 3; 4; 7.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Wortbildungen:
begnadung
 1.

Belegblock:

v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
17, 22
(
omd.
,
1487
):
gott kan […] ein menschen […] kowm hocher noch gnediglicher begnaden vff erdenn, den ßo er ÿm mitteilt dÿßen heÿligen ordenn.
Froning, Alsf. Passionssp. 
2758
(
ohess.
,
1501ff.
):
des bidden ich dich, herre, ynniglich, | das du wyllest begnaden mich | und gebbest mer heylsammen troist.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Begnade nu, herre, mich, | […] | Din zurnen von mir wiche!
Gille u. a., M. Beheim 
92, 6
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Dein kaiserliche majenstat | und hach gross mechtige genat | mich pegnad und ergecze!
Sachs (
Nürnb.
1557
):
Neydhart fellt ir zu fuß und spricht: | Ach gnedige fraw, begnadet mich!
Bihlmeyer, Seuse  (
alem.
,
14. Jh.
):
daz des menschen heil nit lit an sinem verwalten, es lit an dinem milten begnaͮden.
Thiele, Minner. II, 
15, 193
(Hs. ˹
wobd.
,
15. Jh.
˺):
[ich] wird númer sorgen fry | untz mich min fröw tůt begnäden.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
247, 33
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
alse wir gewon sin zesprechenne, daz der ritter hat gnade dez küniges, daz ist, der künig hat in begnat.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1550
):
hat er, von Hürnhaim, fürbitt bei inen aufbracht, daß der fürst ine wider begnadet hat.
Buijssen, Dur. Rat.
11, 22
(
moobd.
,
1384
):
Di selbig tafel hiez auch ain gnadung, wenn der herr begnad daz volkch, wenn er redet von der tafel.
Turmair 1, 
56, 17
 (
Ingolst.
1519
):
Geben am 9. tag des herbstmonats, aus der begnadung Christi im 3. jare des reichs herren Carlman.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ;
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Sidea
288, 108
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Bihlmeyer, Seuse ;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
24, 25
;
Lindqvist, K. v. Helmsd. 
2684
;
Primisser, Suchenwirt ;
Vgl. ferner s. v.  2.
2.
›jn. gnädig stimmen‹.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den vater
)
b
.

Belegblock:

Schweiz. Id. (
1. H. 16. Jh.
).
3.
›jn. / etw. (z. B. eine Stadt) mit besonderen Rechten, mit Privilegien ausstatten, jn. / etw. privilegieren, jm. / etw. ein Recht verleihen‹; offen zu 4.
Bedeutungsverwandte:
 4,  3, , , ,  7.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
die bürger, die erbaren leute, die gotteshausleute, den bastart, das volk
)
b., jn. / etw
. (z. B.
die stat, das dorf / reich / kloster
)
mit etw
. (z. B.
mit freiheiten / rechten / renten / zinsen / zöllen
)
b., jn. / etw
. (z. B.
die landschaft
)
b., das […], jn. gnädiglich / löblich / besonderlich b., jn. mit kraft dieses briefes
(formelhaft)
b., jn. mit briefen b
.;
jm. etw
. (z. B.
den jarmarkt
)
b
.

Belegblock:

v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
14, 38
(
omd.
,
1487
):
Das erste closter […] mit grosßen rentten, zcöllen vnd zcinßen von got begnadett.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
21, 9
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
Der kobil milch trynkit nymant me wen der groze chaam, ane eyn volk das ist sundirlich begenodit von Cyngius.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
56, 36
 (
omd.
,
1446
):
so ist Erbirstorff mit einem solchen begnod, das sie dem bergwercke zu gute eynen freyͤen marckt haben.
Ermisch, Freib. Stadtr.  (
osächs.
,
1468
/
86
):
dy freyheit, darmith sy unser gnedigen herren begnad und gefreyet haben.
Merz, Urk. Wildegg
53, 13
(
halem.
,
1456
):
das si vnd ir statt Brugk von roͤmischen […] kuͥngen loblich begnadet gefryet vnd besteͣt sigen.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen (
halem.
,
1525
):
als die gotzhuslüt […] vor vil jaren bi herrn abbt Caspers […] begnadet und inen ein merklicher nachlass geschechen.
Rintelen, B. Walther 
104, 5
(
moobd.
,
1552
/
8
):
so hat doch die Rö. Kön. Mt. […] die Landtschafft dahin begnadet, das […].
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
):
hat ehr ainem jeglichen […] abbt besonderlich begnadet, daß kain lantrichter […] auf des gottshauß grünten […] kain recht nicht haben soll.
Das pantaiding der herrschaft Raichenaw […] mit freihait von den […] fůrsten von Österreich hochlöblicher gedechtnuss begnadet und begabet.
A. à S. Clara. Glori (
Wien
1680
):
mit Lands⸗Fuͤrstlichen Freyheiten hohe begnadte Burgermeister.
Kollnig, Weist. Schriesh. 
255, 3
;
Küther, UB Frauensee 
274, 16
;
Merk, Stadtr. Neuenb. ; ; ;
UB Zug
179, 9
;
940, 6
;
Müller, a. a. O. ;
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. ;
Uhlirz, Qu. Wien 2, 2, ;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Wmu
1, 156
;
Preuss. Wb. (Z)
1, 468
.
Vgl. ferner s. v.  3.
4.
›jn. (mit etw.) begnaden, beschenken, ausstatten, jn. gnadenhalber mit etw. (meist: religiösen oder religiös begründeten Qualitäten, Haltungen o. ä.) begaben‹; als Part. Perf. in attributivischer Verwendung auch als Hypallage gebraucht (s. u. Belege
Morgan
); vereinzelt mit Tendenz zum part. Adj. mit eigener Bedeutung: ›begabt, mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet‹ (Beleg
v. d. Lee, s. u.); offen zu
5
;
6
;
7
.
Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
 1,  5, .
Syntagmen:
jn. / die sele b., jm. mit einer gemahelin b., jn. mit erbarmung / eren / frieden / gaben / gnade / segen / stärke / tröstung / tugend / vernunft / woltat, mit dem wort, der verheissung b., jn. gnädig / treulich b
.;
j. begnadet sein
;
begnadende liebe / eingeistung
;
begnadeter lerer
;
begnadete sele / tugend /
(als Hypallage:)
gabe / hilfe / kraft
(›durch Gnade erhaltene Gabe‹ usw.).

Belegblock:

Steer, Schol. Gnadenl.
3,
O1, 332 (
rhfrk.
,
1375
):
daz die begnadete tugent mit ein ander in der sele si mit der gnade.
Ebd.
5, 55
(
halem.
,
15. Jh.
):
Genǎde […] tůt ǒch die begnǎdeten sele lidens vnd sterbens begeren.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
51, 30
(
omd.
,
1487
):
Salomon ist ob allen konigen aller werlt von gott wúnderlich vnd sunderlich begnadt gewest.
Anderson u. a., Flugschrr.
5, 6, 23
([
Zwickau
]
1524
):
mit den gůtẽ oder erwoͤltẽ ein freüd haben / aber mit den yhenen so nit hoch begnadet seind / ein bruͤderlich mitleydẽ habẽ.
Mayer, Folz. Meisterl.  (
nobd.
,
v. 1496
):
pit und auch fle | Den sune dein auff erd unß zu begnaden | Mit der woren unschulde.
Wie dan der leib verdirbet | In wazer, fewr, wie ym gesche, | Wirt doch die sel begnadet.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
99
(
Nürnb.
1517
):
die menschen eins guten willens werden mit fried begnadet.
Ebd.
193
:
die himelisch tröstung; welche mit derselben begnadet sein, die erfaren die wunderbarlichen einigung irer selbst mit Christo.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
81, 13
(
Nürnb.
1548
):
du woͤllest vns alle in deiner forcht erhalten / vnd mit deinẽ segen gnedig / allenthalb begnaden.
Kehrein, Kath. Gesangb. 1, S.  (
Nürnb.
1631
):
So hat jhm doch GOtt mit so einer Gottseligen Gemahlin begnadet.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
bredien des erlúhteten begnodeten lerers brůder Iohans Tauwelers.
Päpke, Marienl. Wernher  (
halem.
,
v. 1382
):
Willekomen sigist du mir, | Die ich mit gnaden erfúllet han | Fúr alle die ich begnadet han!
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
230, 22
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
daz der mensche in der zit der unschult niht bedorfte der begnaten gabe.
Ebd.
233, 17
:
man muoz fürsetzen etwaz begnater hilfe gottis inwendig die sele bewegende.
Goldammer, Paracelsus
4, 244, 1
(
1530
):
ich hab ein lust zu dir, daß du mich menschen so treulichen begnadet hast.
Brandstetter, Wigoleis
207, 40
 (
Augsb.
1493
):
durch seine goetliche erbarmung. mit der er vns in besunder begnadet hat.
Höver, Bonaventura. Itin. B
415
(
moobd.
,
1450
/
60
):
ob du gesechen macht des begynne liepleich liebhabung mit begnadender liebe vnd mit schuldiger liebe.
Mayer, a. a. O. ;
zu Dohna u. a., a. a. O.
186
;
Kehrein, a. a. O. ;
Thiele, Minner. II,
11, 34
;
15, 111
;
Wiessner, Wittenw. Ring
1890
;
2271
;
Morgan u. a., a. a. O.
62, 33
;
228, 19
;
229, 32
;
247, 33
;
Eschenloher. Medicus ;
Höver, a. a. O.
472
;
Schmitt, Ordo rerum 
672, 10
;
Dietz, Wb. Luther .
5.
›jm. etw. erlauben, zugestehen‹.

Belegblock:

Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
uns alsdann gunstlich vergönnen, consentirn und begnaden, als das unser der frawen yede des jars ains mals […] zu iren freunden ain ausfart tun.
Fischer, Eunuchus d. Terenz  (
Ulm
1486
):
wie der ritter durch den zůtüttler von phedria begnadet ward das er in ließ mit würken in seinem wyer.
6.
›jn. mit etw. (einem Wirtschaftsgut) begaben, belehnen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1,  1,  4.
Wortbildungen:
begnadung
2.

Belegblock:

Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck 
306, 13
(
thür.
,
1474
):
dye genanten dry swestern sint denne als lehenßerbin yres vaters von der vorberurten begnadunge unde belenunge wegen by denselbten zcweyen wesin neher.
Röhrich u. a., Cod. Dipl. Warm.
4, 329, 12
(
omd.
,
1429
):
Myn herre bisschoff […] hot begnadet und beleenet mit der kirchen Seborke diszen czeiger Wichardus.
Ebd.
589, 27
(
1435
):
wenn dorczu sy mit freyen guttern seyn begnadet.
7.
›jm. verzeihen, vergeben‹, in religiösen und profanen Zusammenhängen gebraucht. In ersterem Falle: ›jm. seine Sünden vergeben‹, mit Tendenz zu: ›jn. erlösen‹.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den sünder
)
/ jm. b
.;
begnadete sünde
(Verschiebung der Bezugsgröße auf dasjenige, was vergeben wird).
Wortbildungen:
begnate
(kontrahiert aus
begnadet
) ›aus freien Stücken, aus Gnade; aus Gnade entstanden, gegeben‹.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse  (
alem.
,
14. Jh.
):
úns armen súndigen menschen, dú du als gar unverdienet gerůchest ze begnadene.
Strauch, Schürebrand (
els.
,
E. 14. Jh.
):
grosse sündere, die er gar richliche begobet und begnodet het.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
19, 32
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
wirt die gnade genomen der wille gotiz selber, der da etwaz begnate machet, oder alse etwaz daz daz begnate oder daz geneme habende ist […]. Aber heizet die gnade daz begnate ding selber, also daz selbe, daz die menschliche nature geeinigt ist der gotlichen personen, mag geheizzen sin ein gnade.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
won er manet und bittet sin vatter alle tag daz er den súnder begnade.
Roloff, Brant. Tsp. 
2375
(
Straßb.
1554
):
Dann Tugent würt wider begnaden sie [Toͤchter].
Adrian, Saelden Hort 
4262
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
hat der vatter din benomen | den lip dem vaisten kelbelin, | wan er haut begnadet in.
Reithmeier, B. v. Chiemsee  (
München
1528
):
also laest die gehailt vnnd begnadt sünd hinder ir etlich mayl.
Bihlmeyer, a. a. O. ;
Lindqvist, K. v. Helmsd. 
3416
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
228, 37
.
8.
›jn. begnadigen, jm. Straferlaß gewähren, jn. von Bestrafung freistellen‹.
Gegensätze:
 1213.
Syntagmen:
jn. gnädiglich / liederlich b
.;
jn. seines lebens b
.;
begnadeter totschläger
.

Belegblock:

Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
164, 23
(
rhfrk.
,
um 1435
):
wir […] bidden uch […] / das ir vns vnser libe begnadent.
Brinkmann, Bad. Weist.  (
rhfrk.
,
1561
):
wo aber ein solicher begnadet und ledig gelassen würde.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1393
):
die wurden auch darumb verprant, die andern wurden begnadet und legten die krütz wider an sich.
Roder, Hugs Vill. Chron.  (
önalem.
,
1526
):
batten sy, das er die zhehen man begnade und sy by irn leben ließe.
Siegel u. a., Salzb. Taid. (
smoobd.
,
1624
):
wo die begriffen werden, soll man nach irer tat über si richten […] und söllich tätter sollen nit leichtlich begnat werden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1579
; Hs.
1599
/
1610
):
welliche aber unter gemelter herschaft seßhaft muegen auf wolgefallen der herschaft nah gelegenheit der verwurchten handlung begnadt werden.
9.
›jm. Nachlaß, Ermäßigung hinsichtlich einer Abgabe, Strafe o. ä. gewähren‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›(eine Strafe) mindern‹.
Syntagmen:
jn. /
(verschoben:)
die strafe b
.

Belegblock:

Thiel u. a., Urk. Münchsm. 
205, 12
 (
moobd.
,
1393
):
auzz genomen wen rechter schawr vnd pyszaͤch vns iret, swelches jars daz geschaͤch, so schullen sy vns begenaden vnd auch beschawen nach zwayer erben mann ratt.
10.
›e. S. Glauben, Vertrauen entgegenbringen‹.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1517
):
Ir solt fliehen fraw Venus stral; | Ir wolt mein worten nit begnaden.
11.
›jm. danken‹; als Synekdoche: ›jm. dankend Lebewohl sagen‹.

Belegblock:

Brandstetter, Wigoleis
223, 37
 (
Augsb.
1493
):
Do er nun alle ding in der burg besichtet vnd wargenommen het. begnadet er die junckfrawen.