begier,
die
;
-Ø/–
;
vgl. das Bedeutungsfeld von , , .
1.
›erotisches Verlangen, Begehren, sinnlicher Trieb‹;
zu (V.) 1.
Obd.; älteres und mittleres Frnhd.
Syntagmen:
(die) b. haben / sagen / volbringen
;
b
. (Subj.)
zu etw. geneigt sein, b. nach etw. stehen, b. achen bringen, b. vergehen
;
mit b. entzündet werden
;
b. des mannes, b. gegen jn., b. zu den lastern
;
böse / fleischliche / schnöde / senliche / unkeusche b
.

Belegblock:

Päpke, Marienl. Wernher  (
halem.
,
v. 1382
):
Das wúrket an ir [Maria] Gottes gaist | […] Ǎne allerschlachte man begir.
Buijssen, Dur. Rat.
13, 9
(
moobd.
,
1384
):
und schölt tötten auf dem alter des herczen ewr gelider, […] das ist unrainichait und poͤze unchewsche begıͤr […], durch des willen daz ir euch heiligt got mit ainem rainen herczen und ainem chewschen leichnam.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
In schundet der laidig veint, daz er mit begir in der frawn lieb inhiezichleich ward enczündet.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
65, 50
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
wann ainr nach dem hunger oder vasten pegert das essen vnmaͤssleich, […] oder daz in den cheuschen entspringt ainr pegyr: daz ist die antreibung der natür vnd nicht allweg die petruebung des tewfels.
Roth, E. v. Wildenberg  (
moobd.
,
v. 1493
):
wie Trabeta […] geflohen hab das weib Semiramis von irer schnöden vleischlichen begir.
Klein, Oswald
89, 15
(
oobd.
,
1431
/
2
):
so nahet mir | inbrünstiklich dein stolzer leib, | Senlich darnach stet mein begier.
Eis u. a., G. v. Lebenstein  
42, 4
(
oobd.
,
1. V. 15. Jh.
):
Welcher mensch gar vnkeusch ist, der trinck das wasser: so verget im die begir.
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Sappler, H. Kaufringer
13, 28
;
14, 71
;
Hohmann, a. a. O.
95, 76
;
Klein, a. a. O.
47, 31
.
Vgl. ferner s. v.  1.
2.
›Verlangen nach Nahrung, Hungergefühl‹;
zu (V.) 3.

Belegblock:

Wiessner, Wittenw. Ring
5723
 (
ohalem.
,
1400
/
08
):
Lastersak hiet gross begıͤr: | Er sach dar ein recht sam ein stıͤr. | Des hiess er im ein löffel geben.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
53, 16
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
als do geschicht etwan in chranghaiten vnd in swangern frawen ain snell vnd vngewondleiche naygung vnd pegyr zu dem oder zu dem dinge.
3.
›Gier nach Anerkennung, Macht oder Besitz, Habgier, Machtgier, Besitzgier‹;
vgl. (V.) 5.
Bedeutungsverwandte:
1
 3, .
Gegensätze:
.
Syntagmen:
die b. erwenden, b. nach etw. haben
;
b
. (Subj.)
blind machen, b. wünschen machen, b. jn. ankommen
;
der b. absterben
;
jn. vor b. behüten, j. aus b. handeln / reden; b. des menschen
(gen. subj.),
b. der eren, des gewaltes
(Gen.obj.);
angeborene / blutige / böse / inbrünstige / sündliche / ungeordnete / unsinnige / unverschämte b
.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch 
3166
(
rib.
,
1444
):
Were ich eyne kremersse ind tzeunte dir | Eynen budel des du heddes begir.
Ulner (
Frankf.
1577
):
Begirig seyn. Verlangen […] tragen / sehnen / luͤstern / begir haben / wuͤntschen / begeren / lust haben.
Opitz. Poeterey  
43, 7
(
Breslau
1624
):
da herdt vnd auch altar | In asche ward gelegt durch trawriges beginnen | Der blutigen begiehr.
Lemmer, Brant. Narrensch. 
26, 85
(
Basel
1494
):
Der wünsch das jm gott dar zů geb | Eyn gsunden synn / lib / vnd gemuͤt | Vnd jn vor vorcht des todes bhuͤt | Vor zorn / begyr / vnd boͤsem gydt.
Ebd.
107, 54
:
das wir | All hant eyn angeborne bgir | Wie vns das recht gůt hie vff erd | Bekum on vaͤl.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Du redest / handlest mehr auß begir / dañ auß vernunfft. […]. Des Menschen Hertz / sinn vnd begier / Das ist das aller schaͤdlichst Thier.
Roth, E. v. Wildenberg  (
moobd.
,
v. 1493
):
der konig […] fing von erst an, aus můtwillen und böser begier des gewalts das plůt der menschen zůvergissen.
Pyritz, Minneburg 
2741
;
Lemmer, a. a. O. 
77, 73
;
Kehrein, Kath. Gesangb.  ;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
10, 112
;
Rudolf, Frnhd. Schriftspr. Südböhmen.
1973, 25
.
Vgl. ferner s. v.  11, ,  2.
4.
›natürlicher Wunsch des Menschen, Absicht, Bitte‹;
vgl. (V.) 810.
Syntagmen:
(die) b. haben / hören / verdrucken, jm. seine b. weigern
;
b
. (Subj.)
zu guten dingen stehen
;
sich der b. neigen
;
b. zu etw
. (z. B.
der tat
);
b. der arbeit / sache, des guten / schlafes
;
gütige b.
;
b., zu
[+ Infinitivsatz].

Belegblock:

Kurz, Waldis. Esopus  (
Frankf.
1557
):
Drumb bit, mir mein begier nit weiger.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.  (
oobd.
,
1349
/
50
):
alsô schol in uns gesellet sein vernunft und begir und gotes bekantnüss.
Steer, K. v. Megenberg. Sel
420
(Hs. ˹
moobd.
,
1411
˺):
hat sy [sel] fümf kreft. Die erst […] haist sensualitas. Das hat nicht deͣwsch, doch möcht es haissen ein sinnichait, alsuil als sy andern tyrn mit vns gemain ist, vnd ist ein kraft der sel, da sy sich mit wegt, heft vnd chert in leipleich synn vnd in begir der sach, die den leib an gehoͤren; vnd mit der kraft chert sich der mensch vnd das tyr in di begir lustiger ding vnd flewcht schedleiche ding.
Ebd.
483
:
Geding, frewd choͤment von der begir des gůten, das ist concupiscibilis.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
2047
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
in menschleichem leichnam vindest du daz leben, den sinn, die begier.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Im [Chaiser Fridreich] stund sein begier zu guten dingen.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. I, 
781
(
tir.
,
v. 1496
):
Petre, mochtestu nit an schlaffes begyr | Ain weyl wachen mit mir?
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
2214
;
Anderson u. a., Flugschrr. 19, 
17, 12
;
Gille u. a., M. Beheim 
69, 122
; 
161, 531
;
Mayer, Folz. Meisterl. ; ;
Sappler, H. Kaufringer
17, 42
;
Wolf, Norm im sp. Ma.
24, 3
;
Voc. inc. teut.
c iijr
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 19
.
Vgl. ferner s. v.  2.
5.
›Ernst, Intensität, Eifer einer Haltung oder eines Strebens‹.
Syntagmen:
b
. (Subj.)
auf lob stehen
;
vor b. brennen, aus / mit / von b. etw. [tun]
;
b. des herzens
;
alle / grosse / ganze / stäte b
.

Belegblock:

Kehrein, Kath. Gesangb.   (
Bautzen
1584
):
Das ich stets moͤge dienen dir, | Auß gantz meines hertzens begir.
Gille u. a., M. Beheim 
82, 125
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
das wir | sundigen menschen mit pegir | uns machen under tenig | Dem sacrament der pusse.
Lindqvist, K. v. Helmsd. 
4385
(
halem.
, Hs.
um 1435
):
Bris, lob und er mit staͤter begir, | Můter, magt, sag ich dir.
Roth, E. v. Wildenberg  (
moobd.
,
v. 1493
):
wann ich aus sonder begire vil iare und zeit begert hab, etwas zů wissen […] von dem hochlöblichen haws Bavaria.
Wackernell, Adt. Passionssp. St. II, 
2016
(
tir.
,
v. 1496
):
von grosser lieb und pgir | Volgen wir mit grossem schmertzen nach dir.
Gille u. a., a. a. O. 
134, 342
; 
137, 2
;
Kehrein, a. a. O. ; ; ;
Voc. inc. teut.
dd ijr
;
6.
›religiöse Sehnsucht, mystisches Sehnen, Trachten, Verlangen des Menschen nach Gott‹; auch Verschiebung auf Gott als das Ziel von
begier
;
zu (V.) 12.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
b. haben
;
b
. (Subj.)
in etw. stehen, b. nach etw. verlangen
;
etw. mit ganzer b. empfangen
;
b. zu der einung, b. zu
[+ Infinitivsatz];
brünstige / inhitzige b
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dar vmb solten wir grasse pegier haben zw der ainung vnsers herren.
Jostes, Eckhart
8, 27
(
14. Jh.
):
Daz liht meiner sel daz erlasch nie, und mein begir stund an underloz in der anschauung gotez.
Steer, Schol. Gnadenl.  
6, 34
(
moobd.
,
15. Jh.
):
Das selb end […] nach mügleichait zw cze nähen, sind schuldig all closterperson […] pey pien verliesung ewiger sälichait, ob sy nicht willen haben oder pegir dar czu cze chömen.
Ders., K. v. Megenberg. Sel
465
(Hs. ˹
moobd.
,
1411
˺):
Die ander [kraft] haist concupiscencia, das ist begir, da die sel mit begert hoher vnd grosser vnd ewiger ding vnd versmaͤhet das schedleich. Also ist racionalis ein erkantnüss das warn, concupiscibilis ein begier des guͤten, jrascibilis ein flucht des poͤsen.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Gille u. a., M. Beheim 
161, 76
;
Asmussen, Buch d. 7 Grade 
780
;
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
117, 8
;