ausgiessen,
V., unr. abl.
1.
›etw. (Flüssigkeiten) ausschütten, ausgießen; etw. ungezielt vergießen, verschütten; etw. hinausströmen und dadurch in etw. anderes einströmen lassen; sich ergießen, ausströmen; in etw. münden (von Flüssen)‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße im Anschluß an die erstgenannte Nuance: ›etw. (z. B. den Krug) ausgießen‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  2,  5,  1.
Gegensätze:
 1.
Syntagmen:
den honig / wein /
[verschoben:]
krug, das wasser / bad, die zäher a.
;
brunnen / flus sich a.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Allez, daz der himel würket und ûzgiuzet, daz wirt enpfangen enmitten in dem grunde der erde.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
716
(
pfälz.
,
1436
):
so beweget sich das hertze jn freuden vnd güßt uß geblüte jn die glieder.
Ralegh. America (
Frankf.
1599
):
bey dem Fluß Pampamene, [...] da er sich zuletzt in den Amazones außgeust.
Feudel, Evangelistar
94, 15
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
dy vaz czubrechen unde der wyn wirt uz gegozzen.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Mose 24, 20
(
Wittenb.
1545
):
[Rebeca] goss den Krug aus in die trencke.
Ebd.
1. Sam. 7, 6
:
[die kinder Jsrael] schepfften wasser / vnd gossens aus fur dem HERRN.
Köbler, Ref. Nürnberg
319, 8
(
Nürnb.
1484
):
OB yemant auß hewsern [...] auß guͤsse an gemeine strassen dauon einicher personen [...] an seinen kleidern schad beschehe.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
72, 11
(
els.
,
1362
):
Sú hant das vnschuldige blůt vs gegossen.
Wickram
4, 14, 33
(
Straßb.
1556
):
die fieng erst an / das kind mit dem kübel umb zů werffen / und auß zů giessen.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
4171
(
schwäb.
,
1453
):
es bringt in pin, | So man das bad ußgiessen werd.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
38, 41
(
tir.
,
1464
):
du pist schön vnd zierleich, deine lëbsen die sint tropffen oder aus giessen das hönnig.
Ebd.
58, 10
:
deine augen die süllen ausgiessen die zäher tag vnd nacht.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
der [prunnen] sich gleich in creutzweis ausgos.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Feudel, a. a. O.
55, 27
;
Voc. Teut.-Lat.
c ijr
;
c ijv
;
Voc. inc. teut.
b vijv
;
Hulsius
G ijv
;
2.
›etw. verbreiten, ausplaudern, an die Öffentlichkeit bringen, herumerzählen, etw. (z. B. ein Gerücht) ausstreuen; (eine Bitte) äußern, aussprechen; (Drohungen) ausstoßen‹; dazu mit verschobener Bezugsgröße:
jn. ausgiessen
›jn. schmähen, herabsetzen‹; Ütr. zu 1.
Bedeutungsverwandte:
 2,  2; vgl.  3,
1
 11, ; (mit Bezugsgröenverschiebung:)  2,  1, .
Syntagmen:
die bitte / lere / rede / zote, das gerücht / lob / wort, den sin a., jn. (übel) a.
;
ausgegossene lästerung / zeitung.
Wortbildungen:
ausgiessung
2.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1565
/
6
):
ertichte anzeigungk so die verstockten [...] rebellen und Echter [...] in druck vergeslich ausgegossen.
Buch Weinsb. (
rib.
,
1583
):
der soldait, wilcher sulch gerucht ausgossen hat.
Pyritz, Minneburg
4274
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Daz der vernunft sumerlaten | In mir cluglich so uz schießen, | Daz ich den sin mug uz gießen, | Den ich zu sagen han uff gerifelt.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
ye mer wir [...] undertenig bitt gegen ewer erber weyshait ausgossen, ye mer hertigkait haben wir empfangen.
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
6, 73, 30
(
Straßb.
1520
):
das ist [...] on allen zweiffel vß zornigem vnd richigem hertzen vßgegossen.
Tobler, Schilling. Bern. Chron. (
whalem.
,
1484
):
si hetten verstanden, das si etwas troͤwworten usgussen.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
das ir mich, der doch ewr herr bin, so ussgiessen und verklainern.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
um 1660
):
nach außgießung schlimer wort so solle der würth oder gast [...] abgestrafft werden.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
, Hs.
17. Jh.
):
das kain burger waß etwan auf dem rathhauß [...] geschlossen würt in seinem hauß außgiessen oder außagen solle.
Ebd. (
1737
):
wann sich einer unterstehet zotten und unehrbahre röden außzugießen.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
2, 35, 15
;
Bischoff u. a., a. a. O. ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 300
;
Vorarlb. Wb.
1, 177
;
3.
phras. an 1 anzuschließen:
das kind mit dem bad ausgiessen
(wie nhd.; vgl. dazu
W. Mieder in: Muttersprache
102, 1992, 319-340
);
jm. das feuer ausgiessen
›jm. das Handwerk legen‹;
jm. ein bad ausgiessen
›jm. einen Streich spielen‹;
das herz gegen jn. ausgiessen
›jm. sein Herz ausschütten‹; ütr.:
die sünde a.
›die Sünde wie durch Ausgießen tilgen‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße:
jn. a.
›jn. reinigen, von etw. freimachen‹.
Bedeutungsverwandte:
 6.

Belegblock:

Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
762
(
pfälz.
,
1436
):
giesse das mensch vß von forcht, gnüg hie zu thün jn warer rüwe.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
wardt abermals vorgenommen uff dem rathause, Hans Walttheim das feur auszugissen.
das feuer in allen kothen unter den pfannen ausgiessen [...] lassen.
Luther, WA (
1532
):
Man sol das kind nicht mit dem bad ausgiessen.
Warnock, Pred. Paulis
12, 109
(
önalem.
,
1490
/
4
):
Noch denn mag uns gott sin gnad nit ingiessen, wir sigint denn vor usgiessen die súnd.
Maaler (
Zürich
1561
):
Sein hertz gegen einẽ Außgiessen vñ vßschütten.
Schottelius. HaubtSprache ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 300
.
4.
›etw. ausgießen, etw. ausströmen lassen, etw. verbreiten, hervorbringen; sich ergießen‹; vom Pferd: ›sich austoben‹; jeweils Ütr. im Anschluß an 1 auf unterschiedliche Bezugsgrößen; offen zu 5.
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V., unr. abl.),  2.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
des rosses natûre waere, daz ez sich zemâle ûzgüzze mit aller sîner kraft mit springenne ûf der heide.
Ein lieht giuzet sich ûz und erliuhtet daz, dâ ez sich ûf giuzet.
Sermon Thauleri
5rb, 30
(
Leipzig
1498
):
Als balde sie [mond, sonne] iren schein außgiessen. in dem selben augenblick. so ist die werlt vol lichtes an allen endẽ.
Luther. Hl. Schrifft.
Hiob 30, 16
(
Wittenb.
1545
):
Nu aber geusset sich aus meine Seele vber mich / vnd mich hat ergrieffen die elende zeit.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Nürnb.
1631
):
Sih was fuͤr Frewd mein JEsulein, | Außgossen hat auff Erden.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
daz saff in dem bôme ist dú minne dú in der sel ist. dú gússet sich zů den ôgen us.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
332, 8
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
die gotis minne ist uzgiezende oder schephende die guotheit in den dingen.
Eschenloher. Medicus (
Augsb.
1678
):
sonder andern vngehorsamen Kindern zum Exempel seinen gerechten Zorn uͤber dasselbe wollen ausguͤssen.
Höver, Bonaventura. Itin. B
145
(
moobd.
,
1450
/
60
):
die allerleutrest lieb Cristi, die da ’auß gossen ist jn vnser hercz durch den heyligen gaist.
Illing, Albert. Sup. miss.
2786
;
Quint, a. a. O. ;
5.
›etw./sich ausströmen, ausfließen (im Sinne der mystischen Einheit der drei göttlichen Personen sowie der Schöpfung)‹.
Religiöse, vorwiegend mystische Texte.

Belegblock:

Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Dar umbe, soltû götlîche vröude und got nemen. dû muost von nôt die crêatûren ûgiezen.
Jostes, Eckhart
87, 10
(
14. Jh.
):
in dem daz der vater sich mit minne geuzzet in den sůn, so widerbricht die minne, und geuzt sich der sůn wider in den vater. Dizz auzgiezzen diser zweier mit minne ist ein gemein geistůng dez vaters und dez sůns.
Sermon Thauleri
1va, 15
(
Leipzig
1498
):
das gotes natur vñ seine art ist das er sich auß geusset vnd also hat der vatter sich außgegossen an dem außgãge der gotlichẽ p’son.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
133
(
Nürnb.
1517
):
das wißt ir, nit ein verechtlich zeichen der lieb sein mit einander reden, do die geist gegen einander ausgossen werden.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
222, 4
(
Nürnb.
1548
):
Durch seinen Geist / welchen er [...] durch vñ mit dem Euangelio außgeusset in die hertzen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Do tůt der geist einen úber swank in das goͤtlich abgrúnde. Er gússet sich us und blibet doch vol.
‚Gus us‘, sprach Augustinus, ‚das du vol werdest‘.
Ruh, Bonaventura
333, 21
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
In der ersten wurtz hertz getenet, in der andern wurtz geoffnet, in der dritten wurtz vßgössen, als geschriben statt in Trenis: ‚Güß vß dein hertz als wasser‘.
Höver, Bonaventura. Itin. B
388
(
moobd.
,
1450
/
60
):
seid das gut aus aigner natur sich selbs jn gemainsamender weise ausgiessent ist, so ist auch das aller hoͤchst gut aller hoͤchistleich sich gemeinsamen vnd aus giessen.
Quint, a. a. O. ;
Höver, a. a. O.
403
.