aufziehen,
V., unr. abl.
– 1-8 zusammengehörig durch das Inhaltsmerkmal ‘Aufwärtsbewegung’ und assoziativ Anschließbares; 9-12 kennzeichnet die Lage von etw. auf etw. anderem; 13-16 schwer zuordenbar.
1.
›etw. (Konkretes) hochziehen, emporziehen, anziehen‹; speziell:
die reben a.
›die Reben hochbinden‹; mit verschobener Bezugsgröße:
den weiher, die se a.
›den Weiher / See durch Anheben der Absperrvorrichtung auslaufen lassen‹; als Synekdoche: ›(Wäsche) aufhängen‹; ütr. auch von der Stimme, dann: ›(die Stimme) heben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  1.
Syntagmen:
das badtuch / saf / segel / wasser, den brügel / fus / mülstein / nebel / rauch, die last a.
;
aufziehende brücke
›Zugbrücke‹ (dazu bdv.: vgl. , s. v.  8).

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Als der sunnen kraft ziuhet daz aller edelste saf von der wurzel ûf in die este.
Luther. Hl. Schrifft.
Neh. 13, 19
(
Wittenb.
1545
):
da die thor zu Jerusalem auffgezogen waren fur dem Sabbath hies ich die thür zuschliessen.
Ebd.
Jer. 10, 13
:
[der HERR] zeucht die nebel auff / vom ende der erden.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
251, 3
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Die winzer sagen, wann man die bedeckten reben disen tag aufziehe, so schade ihnen kein frost mehr.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1450
):
ansleg zu machen auf unserr und ander weir, so man die abgrebt und aufzeucht.
Sachs (
Nürnb.
1563
):
[ein blind man] hoch | Mit beydn armen den brügl, aufzoch | Und schlug ein ungefügen streich.
Hulsius
K iijr
(
Nürnb.
1596
):
Kran / ein zug mit einem radt / darinn man gehet / vñ schwere last auffzeucht.
Maaler (
Zürich
1561
):
Das Aufziehen der stim̃ / dem zegaͤgen ist das Abziehen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
1519 da lies die statt hie 3 auffziechend schlagprugken machen.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Badtuͤcher / [...] / die sie hernacher gleich an die strick hoch oben vber 2 in 3 gaden hoch / im gewelb herumb auffgezogen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
daz ain irdischer vaizter rauch aufgezogen wirt in den luft.
ir iecleicher [kraniche] der wacht der zeuht ainen fuoz auf von der erden.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
ehe si vom land faren, die segel ablassen und die änker aufziehen.
Ermisch u. a., a. a. O.
161, 27
;
250, 14
;
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß ;
Bad. Wb.
1, 88
;
2.
›jn. zum Tanze auffordern‹; als Synekdoche anzuschließen an 1 über die Assoziation ‘jn. an den Händen hochziehen’.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1528
):
Von mayden ward ein groß zulauff. | Die stunden da, warten des mans, | Biß sie auff-zug Fritz, Kuntz und Hans.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Ayrer. Phaenicia 169, v.
289
(
Nürnb.
1618
):
Timbor sicht die Phäniciam an, seufzt, truckt sie und fürt den reien, und wird auch Venus aufgezogen.
3.
›jn. mit oder ohne Belastung durch Gewichte folternd hochziehen, jn. strecken‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  5,  1.

Belegblock:

Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 99
(
rhfrk.
,
1382
):
daz sie in streckin und ufzohin als eynen unrechten man und woldin in sines libes enthweldeget han.
Sachs (
Nürnb.
1559
):
Hofmeister, laß die männer fahen | Und laß sie auffziehen und strecken!
Fuchs, Murner. Geuchmat
3437
(
Basel
1519
):
So bitt ich üch, nun streckt jn baß | Vnd ziehend vff den grossen gouch!
Chron. Augsb. Anm. 2 (
schwäb.
, zu
1563
):
ist er über ain halb stund [...] peinlich und ernstlich mit lerer scheiben, volgends auch mit 2 und letstlich mit 4 angehenckten gewichten aufgezogen, ernstlich und bis er schwach, gefragt worden.
4.
›aufsteigen, emporsteigen (z. B. von Rauch); ansteigen (vom Meeresspiegel)‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  46.

Belegblock:

v. Tscharner, Md. Marco Polo
23, 17
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
des [wygerouch] rouch sich uf czut in di hoe.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wenne sich daz mer aufzeuht auf daz lant.
5.
›sich geländeaufwärts, flußaufwärts bewegen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Preuss. Wb. (Z)
1, 270
(o. J.).
6.
›jn. (meist: Kinder) aufziehen, großziehen‹; laut auch von Pflanzen gesagt.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  7, .

Belegblock:

Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
129, 24
(
thür.
,
1474
):
dy zcwey kindere belangende, dye Clauß vater ettliche zcyt uffgeczogen unde [met] essen [...] vorsorget hat.
Luther. Hl. Schrifft.
Eph. 6, 4
(
Wittenb.
1545
):
jr Veter reitzet ewre Kinder nicht zu Zorn / Sondern ziehet sie auff in der zucht vnd vermanung zu dem HErrn.
Gille u. a., M. Beheim
243, 9
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ain laus wart auff gezagen | und ain gans auff das hahst enpor.
Sachs (
Nürnb.
1530
):
ihr kindt straffen, lehrn | Und auffziehen zu Gottes ehrn.
Dietz, Wb. Luther .
7.
›etw. (religiöse Kräfte) nach oben richten, lenken; jn./etw. (z. B. die Seele) auf-, hinaufziehen, erhöhen‹; refl.: ›sich erheben, emporschwingen (im religiösen Sinne)‹.
Mystische Texte des 14. und 15. Jhs.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2,  2,  2,  4.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Swen die Gotes irkornen | [...] | [...] die sinne von der erden | In den himel uf gezien.
Quint, Eckharts Pred. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
muoz diu sêle gesament sîn und ûfgezogen und muoz ein geist sîn.
Dar umbe sprach er: ‘ein got, vater aller’; ‘vriunt, ziuch dich ûf hœher’.
Ders., Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Ouch ziuhet ûf in die hœhe glîchnisse und hitze.
Jostes, Eckhart
106, 19
(
14. Jh.
):
die sele sol sich selber uf zihen und ein uftragen oder ein ufylen haben in daz gotlich wesen.
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
483
(
pfälz.
,
1436
):
Jst nü sache, das dieselb [liebe] geordent ist, so zücht sie off des menschen sele zu got.
Ebd.
495
:
die [liebe] dich uffziehe zu got jme zu uereynen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
, Hs.
1359
):
do mit das die nature erwackert werde und der geist uf gezogen werde.
alsus zúhet sich die minne bas uf in ein abgescheidenheit und wirt der wisen minne gelich.
Das wir nu alle in dem rechten grunde muͤssen funden werden, das uns Got ufziehen muͤsse.
Quint, Eckharts Pred. ; ;
Ders., Eckharts Trakt. ;
Jostes, a. a. O.
1, 12
;
10, 23
;
Ruh, Bonaventura
334, 23
;
Preuss. Wb. (Z)
1, 270
.
8.
›etw. (z. B. den Mahlanteil des Müllers am Getreide) erhöhen‹.

Belegblock:

Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1568
):
sonder er mülner solle [...] das malter wider die gebüer nit aufziechen.
9.
›etw. (z. B. einen Brückenbalken) auf eine Unterlage auflegen; (Waren) auf die Waage legen, abwiegen‹; als Synekdoche: ›etw. (Gewichte auf der Probierwaage) wägen, prüfen‹.
Syntagmen:
gelt, die wage, das brot / fleisch / gewicht / holz, den baum a.

Belegblock:

Ermisch u. a., Haush. Vorw.
155, 7
(
osächs.
,
1570
/
7
):
solcher ursach halben auch den becken das brod wochentlich ein mal aufziehen lassen.
Welti, Stadtr. Bern (
halem.
,
1466
):
Man sol ouch zwey lott uffziechen drystent.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
17. Jh.
):
daß dorf Goberniz und Gleiner die sollen enspömb und daß straifholz aufziechen.
10.
›etw. (z. B. ein Zelt) aufbauen, durch Ausspannen von Baumaterialien errichten; etw. (ein Schriftstück) erstellen, aufsetzen; die Armbrust spannen; (eine Saite) auf ein Musikinstrument aufziehen‹.
Bedeutungsverwandte:
; vgl.  9.
Gegensätze:
 12.
Syntagmen:
die letzten beiden Varianten mit affiziertem, die ersteren mit effiziertem Obj.

Belegblock:

Löscher, Erzgeb. Bergr.
73, 26
(
omd.
,
1563
):
Darmit eczliche, so nicht schreiben koͤnnen, sich nicht zu beschweren, solle der bergkschreiber ihnen die register ufziehn.
Gille u. a., M. Beheim
453, 1931
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Das über sach der Frank die vart | daz der scherm
[›Sturmdach‹]
auffgezogen wart | Und im der stain fur an daz hǎbt.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
die Sweitzer gewunnen die wagenpurg und ob vier hundert kostlicher aufgezoger zelde.
Maaler (
Zürich
1561
):
Die seyten Aufziehen vnd ablassen.
Der gespannen oder Aufzogẽ seytten auff einer harpffen.
Gespannen oder aufzogen armbrust.
Gille u. a., a. a. O.
453, 2235
.
11.
›sich zu einem bestimmten Zweck an einen bestimmten Ort begeben‹; darunter speziell: ›aufmarschieren‹; ›ein Grundbesitztum beziehen, ein Gut übernehmen‹; ›sich zum Wachdienst verfügen‹; ›mit dem Vieh auf die Bergweide ziehen‹; mit Akk.obj.:
jn. aufziehen
›jn. (z. B. als Zeugen) aufbieten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1550
/
1
):
lies die stat anblasen und zog auf mit seinen gantzen läger vor der Stat.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
als nun iederman berait was und man gleich aufziehen wolt, da wurden die herrn gewarnet.
Zingerle, Inventare (
tir.
,
1495
):
Was von varennder hab dem Kopfstainer gelihen, als er aufzogen ist.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
16. Jh.
; Hs.
17. Jh.
):
Da ainer von seinen grunt abzug und sich under ainen andern herrn aufzichen wolt.
Ebd. (Hs.
17. Jh.
):
das man gewöndliche stunden in aufziechen u. abziechen halten sol.
Ebd. (
14.
/
15. Jh.
; Hs.
16. Jh.
):
schol ein purkgraff von Diernstain [...] in dem grass, [...] untz auf die selbige zeit wider aufciechen.
Winter, Nöst. Weist. ;
Dietz, Wb. Luther ;
Bad. Wb.
1, 88
;
12.
›sich anziehen, ankleiden; sich etw. überziehen, überstreifen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1,  1.

Belegblock:

v. Birken. Erzh. Österreich (
Nürnb.
1668
):
solte er seiner schonen / bis er zuvor die Kleider wieder aufgezogen haͤtte.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
welche, so si weißsagten, zogen si in auf, umbgürten sich, si warn parfueß und parschenk.
13.
›jn. über einen erwartbaren oder zumutbaren Zeitpunkt hinaus hinhalten; etw. (noch nicht Eingetretenes, z. B. eine Kaufhandlung) verzögern, aufschieben, etw. (bereits Eingetretenes, z. B. den Krieg) hinziehen, in die Länge ziehen; hinhaltend taktieren, sich zögernd verhalten; sich hinziehen, verzögern, sich verschieben‹; in einigen Belegen tendenziell resultativ in Richtung auf: ›hindernd eingreifen, etw. (z. B. den Frieden) verhindern; etw. zu leisten versäumen‹.
Syntagmen:
die busse / hochzeit / marter / schlacht / taufe, den beschlus / frieden / handel / kauf / krieg / reichstag / zins, das recht a., jn. mit arbeit / gefängnis / reden / worten / vertröstungen a., die parteien a.
;
von einem tag zum andern a., tage sich a., js. kunft sich a., j. vom streit a.
;
jm. den lon a.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
daz hin heim sô lange | sich des vatirs kumft ûfzouch.
Ziesemer, Proph. Cranc. Ez.
12, 25
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
was wortis ich sprechin werde, und das geschit. is wirt sich nicht me vurbaz ufzien.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
das die tage so verschoben und uffgezogen werden, uff das die dinge vor den stedten nicht gehandelt wurden.
Kisch, Leipz. Schöffenspr. (
osächs.
,
1523
/
4
):
Den kauf hat er mir aufgezogen ein halb jare.
Luther, WA (
1530
):
alle welt nü lange zeit her, mit Reichstagen vnd Concilijs vertrostet vnd auff gezogen.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil. (
schles.
,
1533
):
dardurch die leut in iren anligenden sachen aufgezogen verhindert auch vil strafmessig ungestraft bleibt.
Baumann, Bauernkr. Rotenb. (
nobd.
,
n. 1525
):
söllen in persönlichen spruchen [...] heblich spruch biß uff verrer ordnung und beschaid uffgezogen sein.
Goldammer, Paracelsus.
4, 26, 8
(
1530
):
den got zu trosten aufzeucht und bringt ihn dohin, daß er meint, er laß die sach so lang anstehn, daß er am letzten villeicht gleich schnell selbs nimer helfen mug.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Sanctus Gregorius sprichet, daz got dicke sine gabe uff zúhet.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
die Venedyer haben [...] soͤlche handlung und beschlus des fridens staͤts ufgezogen.
du vom strit so lang woͤllist ufzuͤhen, biss [...].
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
1185
(
Zürich
1560
):
Wir wüssend das wir [...] | [...] | Vil grosser straaff hettend verschuldt | wo nit ufzuche din geduldt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Den friden Aufziehen / hinderstellig machẽ.
den Krieg aufziehen / Verlengern / auff den langen banck spilen.
Roder, Hugs Vill. Chron. (
önalem.
,
1515
):
er hatt sy uffgezogen alls ob er wolte ain rachtung mit in machen.
Chron. Augsb. Anm. 2 (
schwäb.
,
1636
):
auf daß, so er unschuldig, nicht lange mit gefängnuß aufgezogen [...] werde.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1648
):
dardurch dann bißhero der pergobrigkeit ihr [...] zünß nit geraicht und aufgezogen worden.
Ziesemer, a. a. O. Jes.
14, 1
;
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
3, 4, 12
;
Hübner, Buch Daniel ;
Karsten, Md. Paraphr. Hiob ;
Bernoulli, Basler Chron. ;
Rennefahrt, Zivilr. Bern ;
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen ;
Müller, Alte Landsch. St. Gallen ;
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
182, 9
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz ;
Gierach, Märterb.
2441
;
Rot
305
;
Harsdoerffer. Trichter ;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 269
;
14.
›etw. (bereits Erledigtes) wieder vorbringen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  4,
2
 3.

Belegblock:

Rwb (a.
1374
).
15.
›etw. pfänden, ein Pfand einziehen; rechtlich gegen jn. vorgehen; den Rechtsweg beschreiten‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  8.

Belegblock:

Rwb (
seit 1352
);
Pfälz. Wb. (a.
1425
).
16.
›jn. hänseln, verspotten, aufziehen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .

Belegblock:

Rwb (a.
1619
);
Preuss. Wb. (Z)
1, 270
;
Schwäb. Wb. (a.
1503
).