andächtig,
Adj.,
als
Adv.
meist
andächtiglich
, selten
andächtiglichen.
– Wie bei
andacht
schwer gliederbares Bedeutungsspektrum.
1.
›andächtig, fromm, tief gläubig, devot auf Gott gerichtet‹;
vgl.  1.
Häufig für das Obd. belegt; religiöse und didaktische Texte, Wörterbücher.
Syntagmen:
a. beten / bitten / singen / sprechen / leben / sich halten, jn. a. minnen, etw. a. bedenken / empfangen; j. sein a.; a. herz, (ge)bet
(mehrmals),
a. mut / kopf, a. sele, a. mensch, a. schwester; a. gegen got.

Belegblock:

Asmussen, Buch d. 7 Grade
2258
(
nobd.
, Hs.
A. 15. Jh.
):
sprechet noch mir, als ich spriche, | mit ganzem herzen andehtiklichen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
Der mensche sol [...] bi im selber bliben und Got drin ziehen und dike dar in blicken mit einem zůgekerten gemuͤte vil inneklichen und andechtklichen.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Andehtig gebet, heilig betrahtunge, dicke nach gotte gedenken, geistliche unmůsse, von gotte dicke sprechen [...] sond uwer gehilfen sin.
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
723
(˹wohl
Straßb.
˺
1509
):
Sitmol der brůder nun so gar | Einfaltig ist in hut vnd har | Vnd jn der geist im anfang iuckt, | Als er gen himel würd verzuckt, | Die weyl er noch andaͤchtig ist, | Gleüblich darzů vnd merckt kein list, | So ist er vns ein eben man, | Das spil mit jm zů fahen an.
Klein, Oswald
115, 77
(
oobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wer ain andächtigs herze trait, | den kümbert weder lieb noch laid.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
4, 55
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
wie sew chestichleich, messleich vnd andachtichleich fuͤr ander leben.
Bauer, Imitatio Haller
73, 3
(
tir.
,
1466
):
Der guet andechtig mensch der ist am ersten seine werch inwenndig schikchen, die er auswenndig verpringen sol.
Kehrein, Kath. Gesangb. ;
Gille u. a., M. Beheim
86, 18
;
118, 163
;
124b, 933
;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
2, 181, 2
;
Bihlmeyer, a. a. O. ; ; ; ;
Banz, Christus u. d. minn. Seele
1809
;
Päpke, Marienl. Wernher ; ; ;
Sappler, H. Kaufringer
16, 642
;
22, 7
;
Nyberg, Birgittenkl.
2, 259, 21
;
Rudolf, Peuntner. Sterbek.
152vb, 26
;
153ra, 26
;
Drescher, Hartlieb. Caes. ; ; ;
Bauer, a. a. O.
93, 5
;
Roth, E. v. Wildenberg ; ;
Wolf, Norm im sp. Ma.
42, 40
;
Voc. Teut.-Lat.
b ijv
;
b iijr
;
Dietz, Wb. Luther ;
2.
›Andacht hervorrufend, der Andacht dienlich‹.

Belegblock:

Dienes, E. Gros. Witwenb.
264, 16
(
nürnb.
,
1446
):
das dan vil andechtiger ist mir vnd andern slechten menschen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
14. Jh.
):
Dis sint etteliche andehtige gůte bredien des erlúhteten begnodeten lerers brůder Iohans Tauwelers.
Dietz, Wb. Luther .
3.
Attribut in der Titulatur geistlicher, vereinzelt auch weltlicher Personen höheren Standes.

Belegblock:

Wattenbach, Urk. Czarnowanz (
schles.
,
1413
):
den andachtigen In gote den Juncfrauwen des Clostirs Czarnowans zu eyner Lampen zu gebin.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
162, 3
(
schles.
,
1390
):
daz zwisschñ den Ersamen vnd Andachtigñ herren des Capitels [...] an eynem teile vnd mir an dem andirn teile [...] geteidinget ist.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1461
):
an dem erwirdigen Johannes, bischoven zů Eychstetten, unserm fürsten und lieben andechtigen.
Ebd. (
1516
):
Instruction, was die edlen, ersamen, unser andechtiger und lieber, getreuer Wilhalm freiherr zů Wolckenstain [...] handlen sollen.
Wattenbach, a. a. O. ;
Rapp, UB Stuttgart (nhd. Regest);
Bindewald, Reichsk. Wenzels.
1928, 2054
.
4.
›willens, bestrebt, religiös bewogen, etw. zu tun‹;
offen zu 5; vgl.  3.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Des [Got] willen ie wart andechtic | Daz her mensche wolde sin.
Die ackes die der tot treit | Ist zur worzelen geleit | Des boumes; sit des andechtic | Daz ir werdet obez trechtic, | Daz Gote suze smacke.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
iedoch sint si frei und habent [...] ain andæhtig gir zuo ganzen trewen.
5.
›angelegentlich, eifrig, fleißig (in religiösen Handlungen)‹.

Belegblock:

Rosenthal. Bedencken
20, 12
(
Köln
1653
):
ich koͤnne nuͤtzlich vnd andaͤchtig von Gott begeren / daß sie [Heiligen] mich beschuͤtzen.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Sulche [priestre] die sich hie reine | Halden in Gotis ougen, | Zu bosheit sich nicht bougen, | Andechtic halden messen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
all inwoner der stat Nürmberg, die [...] die münster sant Gilgen, sant Jacob und den Neẅen spital andechtiglichen besuchen.
Merk, Stadtr. Neuenb. (
nalem.
,
1403
):
umb daz gotsdienst und besunder die messen in der egen. kilchen ze Núwenburg dester andehteklicher und ordenlicher getaͧn und volbraht werde.
Dreckmann, H. Mair. Troja
22, 20
(
oschwäb.
,
1393
):
er solt andehtigen in der götter er diz gescrift drei stund vor lesen.
Roth, E. v. Wildenberg (
moobd.
,
v. 1493
):
Er [sand Heimeran] wollt sein bluet in einem andechtigen streit vergiessen.
Adrian, Saelden Hort
8062
;
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 140
.
6.
›ehrerbietig, mit hoher Achtung‹;
vgl.  4.

Belegblock:

Adrian, Saelden Hort
5685
(
alem.
, Hss.
E. 14.
/
15. Jh.
):
swa noch dú
[die Braut der Hochzeit zu Kanaa]
werd wunne same | andahteclich genemet wirt, | man all súnd da verbirt.
7.
›e. S. eingedenk, gegenwärtig, bewußt (auch im nichtreligiösen Sinne)‹;
vgl.  5.
Bedeutungsverwandte:
vgl. .
Syntagmen:
der gnade / rede / sache, des tages a.; got a.; a. Israel.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Du grize, du junge, | Der rede biz andechtic.
Swenne des die cristenheit | Rechte wirt andechtic | [...] | so vlut sie zu Gote san.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
bitten euch alle, ir wolt des andechtigk sein, das wir ein solchs vor euch allen hier gebeten haben.
Unger, Richtes Stig (
schwäb.
,
15. Jh.
):
wie du die richter und die schöpfen und ander dingpflichtigen des rechtes deiner sachen andechtig solt machen, des sy in gedencken nit habent.
Helm, a. a. O. ;
Ziesemer, Proph. Cranc. Bar.
4, 5
;
Seemüller, Chron. 95 Herrsch. ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 140
;
Bad. Wb.
1, 45
;