tugendsam,
Adj.;
vgl. tugendhaft
.1.
›im Sinne eigenwertiger moraltheologischer wie profaner Tugendvorstellungen der Zeit lebend und handelnd‹; mit Betonung der religiösen Komponente: ›gottgefällig, gerecht, fromm, rechtschaffen, nach dem Seelenheil strebend‹; eher säkular: ›integer, ehrlich, vorbildlich, ehrenhaft‹; dazu speziell mit Betonung des Beziehungsaspektes (in Ansprachen, Begrüßungen, Gesprächen sowie im sozialen Umgang mit anderen): ›höflich, freundlich‹; vgl.
tugend
1; 2; 3.Gewisse Beleghäufung für Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
demütig
ersam
from
gütig
tugendhaft
tugendreich
gerecht
Gegensätze:
gotlos
Syntagmen:
j
. (z. B. ein fürst / jüngling, die mutter
) t. sein / werden
; sich t. beweisen
; jn. t. grüssen
; der tugendsame kaufherr, die tugendsame erlustierung / hand / tat, das tugendsame blut / leben
.Wortbildungen:
tugendsamigkeit
Belegblock:
Luther, WA
10, 3, 93, 3
(1522
): Wie dann wirt mann keusch, lieblich, demuͤtig, tugentsam. ec. Der do glaubt ist from, [...] Derhalben haben sie geirret, als ich hab gesagt, Aristoteles und Thomas, das durch ubung tugentsam einer solt werden.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
61
(Köln
1476
): Doe sprach dat doyghdsam furstlich bloyt [...].
Froning, Alsf. Passionssp.
456
(ohess.
, 1501ff.
): ire syet togetsam und kynder fromme.
Ralegh. America iijr,
28
(Frankf.
1599
): was vns zu seiner ehrlichen recreation vnnd tugentsamen erlustierung wird fuͤglich [seyn].
Neumann, Rothe. Keuschh.
1157
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): das nünde lebichen das ist stete, | [...] | bewiset sich alle zyd togundsam
(ütr.).
Küther, UB Frauensee
308, 2
(thür.
, 1508
): [ich] lasße solichs [...] zu rechtem erblehen, [...] den ersamen und tugentsamen Adam Scheffer [...].
Sachs
16, 20, 36
(Nürnb.
1562
): [fraw Welt] Veracht scham, zucht und ehrbarkeit, | [...] | Ein still und tugendtsames leben.
Ebd.
19, 271, 11
(1563
): Wie die frommen doch allzeit kommen | [...] | Und durch ir tugendsame that | Eim volck [zu gut].
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 355, 1
(Nürnb.
1631
): Er [Engel] gruͤsst sie tugendsam | O Maria.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
586, 6
(els.
, 1362
): Der jungeling was so tugentsam [...] das su in so liep gewan.
Eichler, Ruusbr. steen
639
(els.
, sp. 14. Jh.
): wir mvͦßen den sv́nden sterben vnd vs got geborn werden in ein tugentsam leben.
Wickram
4, 12, 5
(Straßb.
1556
): Es hatt vor jaren gewonet ein reicher tugentsamer Kaufherr / inn der statt.
Bauer, Geiler. Pred.
77, 20
(Augsb.
1508
): die ander saͤligkait / die ist Tugentsamikait. Wider daz ander haubtlaster / das ist Neid. Wann woͤllicher mensch / guͤtig unnd tugentsam ist der tregt kainen Neid noch haß gegen seinem naͤhsten.
Luther, WA
9, 136, 32
; 21, 133, 18
; Vetter, Pred. Taulers
374, 2
; Williams u. a., a. a. O.
796, 23
; Seemüller, Chron. 95 Herrsch.
102, 5
.‒
Vgl. ferner s. v. tugendreich
1.2.
›Eigenschaften, Handlungsmotivationen und Pflichten charakterisierend, die Frauen zugeschrieben werden‹; im Einzelnen: ›keusch, sittsam, ehrbar, treu‹ (besonders von Ehefrauen); ›jungfräulich, unschuldig, ohne Sünde‹ (von der Gottesmutter); auch als ehrendes Namensattribut für Klosterfrauen gebraucht; zu
tugend
4.Bedeutungsverwandte:
erbar
tugendreich
erenreich
tugendhaft
Belegblock:
Mieder, Lehmann. Flor.
150, 15
(Lübeck
1639
): Ein ehrlich tugendsam Weib macht daß jhres Mannes Seel in jhr lebt.
Luther, WA Bibel
218, 3
(1533
): EJn tugendsam Weib, ist ein edle gabe, vnd wird dem gegeben der Gott fuͤrchtet.
Wattenbach, Urk. Czarnowanz
117, 7
(schles.
, 1431
): das vör üns komen ist im gehegit ding dy Jrbar vnde Toguntsame frawe Katherina Krawszynne.
Sachs
20, 525, 4
(Nürnb.
1552
): Schaw, ein solch tugendsames weib, | Die ir beide an seel und leib | [...] | Ein solch ehrenkleid hat angschnitten.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 41, 7
(Nürnb.
1631
): [Gabriel] Gehe zu der Tugentsam, | Gruͤß mirs vnd redt mit jhr.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
539
(Genf
1636
): Tugendsame Jungfraw [...] Tugendsames weib.
Goerlitz, Magd. Schöff./Posen
138, 25
; Rechn. Hermannst.
363, 24
; Schweiz. Id.
12, 1136
.‒
Vgl. ferner s. v. tugendreich
2.3.
›machtvoll, potent‹ (von einem Abgott gesagt); vgl.
tugend
7.Bedeutungsverwandte:
gewaltig
mächtig
tugendhaft
tugendlich
Belegblock:
v. Tscharner, Md. Marco Polo
52, 8
(osächs.
, 2. H. 14. Jh.
): der epgot der do vil houbte hot [...], der ist der geweldigiste und ouch der tugintsamste.
4.
›wirksam‹; zu
tugend
8.Belegblock:
Sachs
16, 485, 33
(Nürnb.
1562
): Der gutzegauch mit seinr natur | Ist des heuchlers ein klar figur, | Der auch eins schalckes farb wol hat, | Kans doch verbergen dunckel glat, | Macht tugentsam all sein parabel.